Ein Trend, der sogar Novak Djokovic Sorgen bereitet: wie Pickleball die Welt erobert und das Tennis herausfordert


Aus Novak Djokovic sprach aufrichtige Sorge, als er sagte: «Das Tennis ist gefährdet. Wenn wir nicht aufpassen, werden alle Tennisklubs in Paddle- und Pickleball-Klubs konvertiert.» Dem streitbaren Weltsportler ist nicht entgangen, welch enormen Zulauf die Trendsportarten zurzeit erleben.
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Pickleball wird als «der am schnellsten wachsende Sport der USA» apostrophiert. Das ist noch nicht der grosse Qualitätsnachweis, wenn man bedenkt, was in den USA sonst so wächst in diesen Tagen, aber das ist eine andere Geschichte.
Der Sport war eine der Entdeckungen während der Covid-Pandemie, als die Menschen irgendwann doch genug Bananenbrot gebacken hatten und nach einem Zeitvertreib suchten. Doch Pickleball, so etwas wie ein Mix aus Tennis, Badminton und Tischtennis, ist nicht einfach eine dieser unzähligen Trendsportarten, die nach einem kurzweiligen Sommer kollektiv vergessen werden und in der Obskurität landen. Es ist absehbar, dass mittelfristig mehr Menschen Pickleball spielen als Tennis.
Im Nordwesten der USA wird Pickleball schon seit sechs Jahrzehnten gespielt, es hat aber erst in der letzten Dekade den Weg aus der Nische gefunden: Allein in den letzten vier Jahren wuchs die Anzahl der Spieler um mehr als 300 Prozent. Es ist ein beispielloser Boom, der da zu beobachten ist.
Und der nicht zuletzt von grossen Namen getragen wird. Zu den zahlreichen prominenten Fans gehören Taylor Swift und Leonardo DiCaprio. Andre Agassi, die frühere Tennis-Lichtgestalt, sagt: «Solange ich laufen kann, werde ich Pickleball spielen.»
Tom Brady und Heidi Klum investieren in amerikanische Pickleball-TeamsGenerell haben diverse Tennisgranden den Sport für sich entdeckt. Und verdienen teilweise ordentlich Geld auf der Pickleball-Tour, deren Preisgeld sich jährlich erhöht. An Kapital mangelt es nicht – zu den obszön reichen Menschen, die in Pickleball-Teams investiert haben, gehören unter anderen Tom Brady und Kim Clijsters in Las Vegas, der Basketball-Star Kevin Durant in Brooklyn sowie Heidi Klum in Chicago.
Zu den Top-Spielern gehören die ehemaligen Tennisprofis Jack Sock, Donald Young und Eugenie Bouchard. Sock, 32 Jahre alt, war 2018 die Nummer 8 der ATP-Weltrangliste und hat in seiner Karriere mehr als 11 Millionen Dollar an Preisgeld eingenommen. Heute ist er die Nummer 12 im Pickleball-Ranking und verdient mit seiner neuen Berufung mehrere hunderttausend Dollar pro Jahr.
Bouchard, 31, stand 2014 im Final von Wimbledon und stieg kurz darauf zur Weltnummer 5 im Tennis auf. Derzeit ist sie ebenfalls die Nummer 12 im Pickleball und ein Quotengarant – kürzlich duellierte sie sich in Las Vegas in einer Exhibition mit Steffi Graf und deren Ehemann Andre Agassi.
Wie immer, wenn es ein Phänomen in den Mainstream und in die Pop-Kultur schafft, kreisen schnell die Geier, um ein paar Dollar herauspressen zu können: Hollywood hat gerade den Pickleball-Film «The Dink» abgedreht, der 2026 in die Kinos kommen wird. Mit dabei: Ben Stiller, John McEnroe und Andy Roddick.
In Europa wächst die Aufmerksamkeit ebenfalls, wenn auch in gemächlicherem Tempo. Ein bisschen kämpft der Sport mit der nicht frei erfundenen Vorhaltung, dass es sich um eine Art verwässertes Tennis handelt, das mit ein paar Kunstgriffen so gestaltet wurde, dass es auch von Älteren und Menschen mit, sagen wir, ausbaufähiger Beweglichkeit ausgeübt werden kann.
Der Schweizer Verband will Pickleball in den Schulsport bringenAber auch in der Schweiz geht es voran: In Basel etwa wurde im März eine 2000 Quadratmeter grosse Halle eröffnet. Magnus Stedile-Foradori, der Präsident der Swiss Pickleball Association, sagt, dass es hierzulande mehr als tausend aktive Spieler gebe.
Der Verband aber zählt derzeit nur knapp 400 Mitglieder. Die 1000er-Grenze soll 2026 fallen – und zwar nicht einfach zwecks Prestige: Um von Swiss Olympic und vom Bundesamt für Sport als offizieller Sport anerkannt zu werden, braucht es mindestens tausend aktive Mitglieder und zwanzig Vereine aus zumindest zwei Sprachregionen. Das würde vieles erleichtern – unter anderem gäbe es ab dann landesweit Markierungen in den Turnhallen. Eine halbwegs regelmässige Berücksichtigung im Schulsport könnte die Popularität von Pickleball explodieren lassen.
Stedile-Foradori ist zuversichtlich, dass diese Marken innert Jahresfrist erreicht werden, er sagt: «Wir erhalten sehr viele Anfragen und kommen mit der Beantwortung kaum hinterher.» Er erzählt auch von Betreibern von Tennisanlagen, die manche ihrer Plätze in Pickleball-Courts umwandeln. Auf der Fläche eines Tennisplatzes haben vier Pickleball-Felder Platz – pro Stunde lässt sich ein solches für um die 35 Franken vermieten.
Das Bedürfnis scheint vorhanden zu sein. Cedric Meury vom Pickleball-Club Zürich etwa sagt, dass gerade in Zürich die Nachfrage das Angebot deutlich übersteige. «Es ist eine der Stärken dieses Sports, dass es nicht viel braucht. Man kann irgendwo ein Netz spannen, das reicht schon.» Es ist auch diese Demokratisierung, die Djokovic und den Tennispuristen Sorgen bereitet.
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