Finals im deutschen Basketball: Die Bayern sind zu erschöpft, um gegen Ulm zu bestehen

Vielleicht beschreibt ein Blick auf Devin Booker den Zustand von Bayerns Basketballern am Samstagabend am ehesten. Booker, ein Bär in Gestalt eines Mannes, 2,05 Meter groß, 113 Kilogramm schwer, erdrückte den Gegner Ulm am Anfang fast mit seiner Wucht. Der 34-Jährige traf zwei Freiwürfe zum 2:0, schraubte sich dann zum Dunking hoch, das 4:2, und legte noch einen Dunking nach: 6:2. Es war eine kleine One-Man-Show des Hünen aus Whitmire, South Carolina, die die 11 500 Zuschauer im ausverkauften SAP Garden verzückte. Was sollte da noch schiefgehen im dritten Spiel des Playoff-Finales gegen Ratiopharm Ulm?
Kurz gesagt: Es ging vieles schief für die Bayern-Basketballer an diesem Abend, der nun auch als Fanal in dieser Serie taugt. Denn nach der völlig unnötigen 79:81 (42:37)-Niederlage in einem schließlich zerfahrenen und keineswegs hochklassigen Spiel vor eigenem Publikum stehen die Münchner vor der verpassten Meisterschaft. Ulm benötigt nur noch einen Heimsieg am Dienstag (20 Uhr), um die Best-of-five-Serie mit 3:1 zu gewinnen. Und die Sterne stehen gut für die Schwaben: Sie haben in dieser Saison erst ein einziges Ligaspiel in eigener Halle verloren, im Kalenderjahr 2025 sind sie dort noch ungeschlagen.

Sie ist Deutschlands Anführerin bei der Heim-EM: Leonie Fiebich über berühmte Fans bei Spielen in New York, fehlende Unterstützung des Deutschen Basketballbundes für den Frauenbasketball – und den Nationalteam-Verzicht von Kollegin Sabally.
Und Booker? Der Center der Bayern, oft genug Fels im Getümmel in dieser Saison, verschwand nach seinem Spektakel zu Beginn mehr oder weniger von der Bildfläche, trotz seiner insgesamt zwölf Punkte. Er schleppte sich übers Parkett, sein Plus-Minus-Wert, der zeigt, ob sein Team während seiner Anwesenheit auf dem Feld mehr oder weniger Punkte als der Gegner erzielt, war so schlecht wie bei keinem anderen Spieler: -24.
Man kann die Niederlage nicht an Booker festmachen, aber der US-Amerikaner, der im Februar eine Knieverletzung erlitt und im Playoff-Halbfinale gegen Heidelberg umknickte, steht stellvertretend für das allumfassende Problem der Bayern: Sie kriechen seit Wochen auf dem Zahnfleisch, sind von mehr als 80 Saisonspielen, davon fast die Hälfte in der Euroleague, ermattet und wirken – mental und physisch – gerade nicht mehr in der Lage, um gegen Ulm zu bestehen.
Nicht Booker; auch nicht Andreas Obst, dessen zwei erfolgreiche Dreier zu wenig sind für einen Weltmeister, der zugleich Co-Kapitän ist und höhere Ansprüche hat; nicht Capitano Vladimir Lucic, der diesmal ebenfalls enttäuschte. Und auch nicht Nick Weiler-Babb, der wohl beste Abwehrspieler der Liga, der gegen Ulm unglücklich wirkte und zwei Ballverluste zu den insgesamt 14 Turnovers beitrug (Ulm unterliefen nur zehn). Eine weitere Statistik im Übrigen, die den Erschöpfungsgrad einer Mannschaft dokumentiert. Denn Ballverluste sind schlicht ein Zeichen mangelnder Konzentration und Fitness im Kopf.
Man sah Booker nach Heimspielen in den vergangenen Wochen öfter aus der Umkleide hinken; am Samstag stand der zweite Münchner Center Elias Harris mit Knie-Orthese dort im Gang. Harris fehlt den Bayern noch monatelang, zudem ist der so wichtige Shooter Carsen Edwards seit Mitte April am Rücken verletzt. Oscar da Silva stand erstmals nach vielen Wochen wieder im Kader, spielte aber nicht.
Trainer Gordon Herbert, auf der Pressekonferenz in der Nacht auch nicht gerade ein Quell an Frische, sprach kaum hörbar Dinge wie: „Unsere Starter sahen etwas müde aus und taten sich schwer, in den Rhythmus zu kommen und den Ball zu bewegen. Unsere Eins-gegen-eins-Defense war nicht da, wo sie hätte sein müssen.“ Er sagte auch, dass das Spiel am Ende zu statisch geworden sei. Da half es nichts, dass die Weltmeister Niels Giffey und Johannes Voigtmann und mit Abstrichen auch Shabazz Napier sehr passabel spielten. Am Ende musste sich Herbert gar die Frage gefallen lassen, ob seine Wechsel an diesem Abend so glücklich waren – jedenfalls nahm er ausgerechnet Giffey und Voigtmann in der entscheidenden Phase vom Feld. Die Intention: Erschöpfungsgründe. „Wir haben vorne nicht mehr die richtigen Entscheidungen getroffen. Sehr bitter“, sagte Voigtmann später.

Ulm hingegen, das rund 20 Saisonspiele weniger als die Bayern absolviert hat, das aber bei geringeren finanziellen Möglichkeiten über einen weniger tiefen Kader verfügt, wirkte griffiger. Dazu aggressiver, leidenschaftlicher. Die Mannschaft von Coach Ty Harrelson konnte sich zum Schluss auch auf ihre sportliche Lebensversicherung verlassen: den US-Amerikaner Justinian Jessup. Der 27-Jährige führte die Ulmer wieder von 71:77 auf 77:77 heran, traf dann per Dreier entscheidend zum 80:79 für Ulm und verwandelte 7,4 Sekunden vor Schluss einen seiner beiden Freiwürfe zum Endstand. „Er ist einer unserer Schlüssel und eine Art Wunschspieler“, lobte Harrelson Jessup später.
Ulms Sieg war perfekt, der Außenseiter kann nun am Dienstag zum zweiten Mal nach 2023 deutscher Meister werden. Es wäre der dritte Titel überhaupt, 1996 waren die Ulmer Pokalsieger geworden.
Bei den Münchnern verstärken sich die ohnehin gerade enormen Fliehkräfte weiter. Der langjährige Sportdirektor Marko Pesic hat seinen Abschied zum Jahresende angekündigt, Coach Herbert hat zwar noch einen Vertrag über diese Saison hinaus, wird aber vom Sommer 2026 an kanadischer Nationaltrainer. Gut möglich, dass der 66-Jährige nun in sein zweites und letztes Jahr als Bayern-Coach einbiegt. Zudem gibt es viele Wechselgerüchte um Schlüsselspieler wie Edwards, Weiler-Babb oder Booker.
„Es ist jetzt natürlich auch eine psychologische Sache“, sagte Herbert noch im Hinblick auf das vierte Finalspiel. Der Weltmeistertrainer hat einen Master in Sportpsychologie, er gilt als glänzender Moderator und Motivator. Auf seiner Homepage steht: „Niemand wird uns brechen.“ Doch alles spricht gerade dafür, dass Ulm den Bayern und ihrem Trainer eine titellose Saison bescheren.
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