Granit Xhaka irritiert wieder einmal – nun will er seine Karriere tatsächlich in Sunderland fortsetzen


In den vergangenen Tagen befand sich Granit Xhaka in Rio de Janeiro, im Trainingslager mit Bayer Leverkusen. Und es hätte keineswegs überrascht, wenn auch die Rio-Grossklubs Flamengo, Fluminense oder Botafogo als neue Arbeitgeber Xhakas gehandelt worden wären. Denn der Captain des Schweizer Nationalteams befindet sich seit Wochen in der Hauptrolle einer Transfer-Soap-Opera, die selbst in diesem überhitzten Business an Absurdität kaum zu überbieten ist.
NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.
Bitte passen Sie die Einstellungen an.
Der Name der klamaukigen Serie? Das grosse Sommer-Wechseltheater des Granit Xhaka.
Seit dem Saisonende im Mai hat Xhaka keinen Zweifel daran gelassen, dass er seine Zukunft nicht in Leverkusen sieht. Nun ist endlich ein Ende der Komödie in Sicht. Xhakas Berater José Noguera liess sich in dieser Woche bei Sky Sport mit diesen Worten zitieren: «Wir haben uns mit Sunderland grundsätzlich geeinigt. Granit möchte zurück in die Premier League. Sunderland reizt ihn, er will diese Herausforderung annehmen. Wir hoffen, dass Leverkusen seinem Wechselwunsch zustimmt und sich die Vereine zeitnah einigen.»
Bei Bayer Leverkusen ging eine Ära zu EndeGranit Xhaka macht also wieder Granit-Xhaka-Dinge. In deutschen Medien wurde er für sein Verhalten heftig kritisiert, die «Bild»-Zeitung kommentierte: «Xhakas unwürdiges Schauspiel.» Im Sommer 2023 wechselte der Schweizer mit einem Fünfjahresvertrag von Arsenal zu Leverkusen, nach einer grandiosen ersten Saison mit Meistertitel und DFB-Cup-Sieg folgte eine immer noch sehr ordentliche zweite Spielzeit – wobei Xhaka im vergangenen Halbjahr nicht mehr derart überzeugend auftrat wie zuvor.
BILD-Kommentar von Phillip ArensXhakas unwürdiges Schauspiel @BILD https://t.co/M0K1CsQNfY
— BILD B. Leverkusen (@BILD_Bayer04) July 22, 2025
Der Trainer Xabi Alonso, Mentor und Vaterfigur Xhakas, ging zu Real Madrid, auch die Schlüsselspieler Jonathan Tah (Bayern München), Jeremie Frimpong und vor allem Florian Wirtz (beide zu Liverpool) verliessen den Klub. Xhaka spürt, dass eine Ära zu Ende gegangen ist, im Juni auf der Länderspielreise des Nationalteams in die USA sagte er: «Ich habe bei Arsenal schon einmal einen Umbruch erlebt. So etwas kostet Kraft. Und ich bin keine 25 Jahre mehr, sondern werde bald 33.» Es sei fraglich, ob er nächste Saison noch in Leverkusen spielen werde.
Damit war der Ton gesetzt. An der FCB-Verabschiedung seines Bruders Taulant Xhaka einige Wochen zuvor im St.-Jakob-Park hatte er bereits gesagt: «Der eine Xhaka geht, aber bald ist der andere auch wieder da.» Später räumte er ein, mit dieser Aussage das Stadion «ein wenig angezündet» zu haben. Natürlich war eine Rückkehr zum FC Basel sportlich und vor allem wirtschaftlich in diesem Sommer (noch) vollkommen unrealistisch.
Aber diese Widersprüchlichkeit passt zu Granit Xhaka. Er ist ein exzellenter Fussballspieler und ein eigenwilliger Mensch, der regelmässig für Unruhe auf und neben dem Platz sorgt und sich nicht immer stringent an seine eigenen Worte erinnert. Der Wechsel zu Leverkusen sollte 2023 auch eine Art Heimkommen sein, seine Ehefrau stammt aus dem Rheinland, der Weg gegen Ende der Karriere schien vorgezeichnet – bis zur Rückkehr zum FC Basel.
In die Serie A hätte Granit Xhaka perfekt gepasstNun ist alles wieder anders. In diesem Sommer scheint es Xhaka fast schon egal zu sein, wohin er wechselt – Hauptsache, weg von Leverkusen. Dabei hätte er unter dem neuen Trainer Erik ten Hag vielleicht Captain sein und ganz bestimmt in der Champions League spielen können. Nun bevorzugt er einen Premier-League-Aufsteiger und eine trostlose Arbeiterstadt in England, obwohl es im FC Sunderland zu einem heftigen personellen Umbruch kommt. Man muss das nicht zwingend verstehen, und natürlich geht es bei diesem Transfer um viel Geld: einen höheren Lohn und ein feines Handgeld.
Aber man fragt sich schon: Weshalb wirft Xhaka sportliche Ambitionen leichtfertig weg?
Die Aussage von José Noguera erhöht den Druck auf Bayer Leverkusen massiv. Der Trainer ten Hag sagte am Mittwoch vor dem Rückflug aus Rio de Janeiro zwar, Xhaka sei ein Leader, der noch drei Jahre Vertrag habe: «Er ist zu wichtig für uns. Wir haben schon drei zentrale Spieler verloren und werden nicht noch mehr abgeben, das geht nicht.» Allen Beteiligten dürfte jedoch klar sein, dass es einzig noch um die Höhe der Ablösesumme geht. Selbst der Transfer-Insider Fabrizio Romano stellte eine baldige Einigung zwischen den Klubs in Aussicht.
🚨🔴⚪️ Sunderland have presented their first official bid to Bayer for Granit Xhaka.
No club to club agreement yet but Bayer aware of Xhaka’s desire to join #SAFC and negotiations continue to agree soon.
It can be matter of time. pic.twitter.com/iBSSV7IDn3
— Fabrizio Romano (@FabrizioRomano) July 22, 2025
Damit würden die wilden Gerüchte um Xhaka ein erstaunliches Ende finden. Im Juni stand ein Wechsel zur AC Milan kurz bevor. Aber der italienische Verein war nicht bereit, die Forderungen Leverkusens zu erfüllen. Milan ist zwar weniger erfolgreich als Bayer 04, aber ein Weltklub mit Flair. Und die taktisch geprägte Serie A würde perfekt zu Xhakas Qualitäten passen, die Lebensqualität in Italien ist ausgezeichnet. Juventus und zuletzt sogar Inter Mailand wurden ebenfalls gehandelt, auch das wären Vereine gewesen, die für Xhaka keinen Rückschritt bedeutet hätten.
Aber Sunderland? Really?
Für das Nationalteam ist das keine schlechte NachrichtDie ebenfalls interessierten Istanbuler Klubs Galatasaray und Fenerbahce wiederum wären zwar finanziell interessant gewesen, doch in die türkische Liga wechseln grösstenteils Fussballer in fortgeschrittenem Alter. Der 32-jährige Xhaka aber nimmt für sich in Anspruch, weiterhin ehrgeizig zu sein. Darum hätte man auch den angeblich vereinbarten Transfer zu Neom SC, dem schwerreichen Neuling in der saudischen Liga, nicht begriffen – selbst wenn Xhaka beim Retortenklub mehr als zehn Millionen Franken netto im Jahr hätte verdienen können.
Bayer Leverkusen hat immer noch kein Angebot für Granit Xhaka angenommen. Das dürfte sich bald ändern. Dann würde Xhaka bei Sunderland mit dem jungen Schweizer Besitzer und Milliardenerbe Kyril Louis-Dreyfus tatsächlich zum Abstiegskämpfer in der Premier League werden.
Immerhin: Für das Schweizer Nationalteam wäre das keine schlechte Nachricht. Ihr Captain und wichtigster Spieler würde im Herbst, wenn innert rund zweier Monate die sechs WM-Qualifikationsspiele auf dem Programm stehen, nicht im Dauereinsatz sein – weil Xhaka keine Einsätze im Europacup hätte. Und er wäre bei einer Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada deutlich weniger belastet als in den vergangenen Saisons mit jeweils deutlich über fünfzig Pflichtspielen.
nzz.ch