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INTERVIEW - Viele träumen davon, dass ihre Kinder Fussballprofis werden – die Eltern der Nationalspielerin Iman Beney erzählen, wie es wirklich ist

INTERVIEW - Viele träumen davon, dass ihre Kinder Fussballprofis werden – die Eltern der Nationalspielerin Iman Beney erzählen, wie es wirklich ist
Vorfreude auf den grossen Abend: Cleo und Nicolas Beney am Mittwoch in Basel, vor dem ersten Schweizer Spiel gegen Norwegen.
Vorfreude auf den grossen Abend: Cleo und Nicolas Beney am Mittwoch in Basel, vor dem ersten Schweizer Spiel gegen Norwegen.

Cleo und Nicolas Beney, Sie haben eine Tochter und einen Sohn, die beide Fussballprofis sind und beide Mitglieder von Nationalteams – das ist in dieser Form einzigartig hierzulande. Wie haben Sie das gemacht?

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Nicolas: Vielleicht liegt es in der Familie. Sport ist für alle sehr wichtig. Schon mein Vater hatte zwei Kinder, die Nationalspieler waren, ich im Nachwuchsbereich, meine Schwester Noémie spielte 45 Mal für das Frauenteam. Als dann Roméo und Iman zur Welt kamen, hat in den ersten Jahren der Fussball ihren Lebensrhythmus diktiert, weil ich noch aktiv war. Das hat sie sicher geprägt.

Cleo: Ja, so war das eigentlich immer: Der Fussball taktet das Leben der Familie Beney.

Was macht es mit einer Familie, wenn zwei Kinder zu Profis heranwachsen?

Cleo: Der Fussball nimmt viel Platz ein, immerzu, in den Gesprächen, im Familienleben, in den Ferien, weil sie trainieren müssen. Es ist manchmal kompliziert, manchmal stressig, stets emotional, aber ich bin Brasilianerin, ich liebe den Fussball, und ich liebe unser Leben. Es ist ein grosses Glück, dass wir das erleben dürfen.

Nicolas: Unsere Kinder sind wegen des Fussballs früh weggegangen, Iman zog mit 12 Jahren nach Biel, ins Ausbildungszentrum des Fussballverbands. Roméo ging mit 16 Jahren zum FC Basel.

Cleo: Das war nicht einfach, Iman war noch ein Kind, ein Baby fast.

Nicolas: Ja, und wenn wir unsere Kinder jetzt sehen wollen, dann müssen wir uns in ihre Welt begeben, in die Welt des Fussballs. Sonst sehen wir sie nicht.

Am Mittwoch, als Iman an der EM mit dem Schweizer Team gegen Norwegen spielte, sassen Sie im Stadion. Wie war es?

Nicolas: Es war schön, wunderbar. So viele Leute, der Gänsehaut-Moment während der Hymne. Einfach einzigartig. Leider konnten wir danach nicht mit Iman sprechen, weil sie zur Dopingkontrolle musste.

Cleo: Es war ein besonderer Tag, wir haben lange auf ihn gewartet. Ich war sehr stolz auf Iman.

«Wir teilen ein grosses Abenteuer, dank dem Fussball», sagt Cleo Beney.
«Wir teilen ein grosses Abenteuer, dank dem Fussball», sagt Cleo Beney.

Nicolas, Sie kennen die Welt des Fussballs, haben erlebt, dass sie schwierig sein kann – welche Gefühle löst es bei Ihnen aus, dass zwei Ihrer drei Kinder diesen Weg jetzt auch einschlagen?

Nicolas: Ich habe mich früher öfter gefragt, ob ich ihnen raten, sie ermutigen soll, Fussballer zu werden. Denn es ist nicht einfach. Es ist kein stabiles Leben. Man kann nirgends Wurzeln schlagen. Hier, in Savièse, hätten sie Komfort, sie könnten zur Schule gehen, leben.

Und trotzdem hat Ihre Antwort gelautet: Ja, probiert es.

Cleo: Ja, denn wenn man einen Traum hat, dann muss man versuchen, ihn zu verwirklichen. Ich wollte eigentlich, dass Iman tanzt. Aber sie wollte immer Fussball spielen. Es ist ihre Leidenschaft und die von Roméo.

Nicolas: Die Art, wie wir gelebt haben, hat diese Liebe geweckt. Wir unterstützen, aber wir forcieren nicht. Ich habe immer gesagt, dass es schwer ist, Profi zu werden, aber auch, dass es möglich ist, wenn man alles dafür tut. Mir war es wichtig, die Kinder darauf vorzubereiten, dass es Rückschläge geben wird. Dass es darauf ankommt, danach wieder aufzustehen. So wie ich das auch immer wieder musste.

Links: Iman Beney. Rechts: Roméo Beney.

Rückschläge haben beide erlebt. Roméo spielte in Basel letzte Saison kaum und wurde dann zu Stade Lausanne-Ouchy verliehen, Iman riss sich vor zwei Jahren das Kreuzband, mit 16 Jahren, kurz vor der WM-Teilnahme.

Nicolas: Es hat mir sehr geholfen, dass ich diese Erfahrung selbst machte, als ich einst den Cup-Final mit Wil verpasste, wegen der gleichen Verletzung. Ich konnte ihr sagen: Ich weiss, welche Gefühle du hast. Ich konnte sie dadurch besser begleiten. Es heisst ja, alles im Leben passiere aus einem Grund. Dank meiner Erfahrung war ich gelassener. Ich sagte Iman: Das kommt gut. Geduld. Ich kann dir nicht sagen, dass du stärker zurückkommst, weil das niemand weiss. Aber du wirst wachsen.

Wie war das für Sie, Cleo, als sich Iman das Kreuzband gerissen hat?

Cleo: Es war das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Am einen Tag ist Iman überglücklich, sie bekommt das WM-Aufgebot. Am nächsten Tag reisst das Kreuzband im Knie. Ein Jahr Pause. Wenn sich das eigene Kind so schwer verletzt, wenn sein Traum einfach so zerplatzt, ist das sehr schwierig.

Nicolas: Dir hat es vor allem weh getan, wie sehr Iman gelitten hat.

Cleo: Ja, und wir durften ihr nicht zeigen, dass wir auch traurig sind, weil sie positive Energie brauchte. Sie musste alles neu lernen, sogar das Laufen. Ich merkte zuletzt, in den Tagen vor der EM, wie ich dieses Mal vorsichtiger war, weil diese Erfahrung immer noch nachwirkte. Wie wir versucht haben, Iman zu beschützen. Sie nicht zu überlasten.

Das Heim der Familie Beney steht in Savièse hoch über dem Rhonetal. Dort leben Vater Nicolas, 44, und Mutter Cleo,47, die beide im Waadtland aufgewachsen sind, mit Sohn Pablo. Iman, 18, wurde jüngst Schweizer Meisterin mit YB und wechselt nun zu Manchester City. Sie kommt auf 12 A-Länderspiele. Roméo, 20, ging 2021 von Sitten nach Basel und spielte bisher 20 Mal für die erste Mannschaft. Er ist U-21-Nationalspieler. Vater Nicolas lief 90 Mal in der Super League auf; mit Wil und Sitten gewann er den Cup. (dow.)

Man glaubt ja immer, dass Eltern vor allem stolz sind, wenn ihre Kinder Fussballprofis werden. Aber es gibt noch viele andere Emotionen.

Cleo: Ich habe seit Imans Kreuzbandriss immer Angst vor einer Verletzung. Es ist nicht gerade ein Trauma, aber die Angst ist stets da.

In der Schweiz läuft die Frauen-EM, sie könnte dem Frauenfussball einen Schub geben. Haben Sie grosse Unterschiede erlebt zwischen der Förderung von Iman und Roméo?

Nicolas: Ich kann nicht sagen, dass Iman weniger gut gefördert wurde, weil sie ein Mädchen war. Sie durfte lange mit den Jungs mitspielen, das war sehr wichtig für ihre Entwicklung. In Biel wurde sie vom Verband sehr gut gefördert, bei YB auch. Wobei es natürlich auch davon abhängt, wo man spielt, was für Leute dort sind.

Vor der EM wurde viel über das 1:7 der Schweizerinnen in einem Testspiel gegen ein Nachwuchsteam des FC Luzern diskutiert.

Nicolas: Ich verstehe diese Vergleiche nicht, man macht das bei Skirennen nicht, bei 100-Meter-Läufen nicht. Die physischen Unterschiede sind irgendwann einfach zu gross. Iman ist ein gutes Beispiel: Bis in die U 15 hielt sie problemlos mit. Dann kamen die Jungs in die Pubertät, und sie hatten plötzlich viel mehr Kraft.

Iman spielte letzte Saison bei YB, Roméo wurde vom FC Basel zu Stade Lausanne-Ouchy verliehen. Wie sehen die Wochenenden der Eltern Beney aus?

Nicolas: Cleo fängt im Juli an, ins Stadion zu gehen, und im September hört sie wieder auf, weil sie das Wetter nicht mehr adäquat findet.

Cleo: Nicolas ist mehr unterwegs, ich verfolge die Spiele eher im Fernsehen. Wir haben noch ein drittes Kind, Pablo, er wird bald 15 Jahre alt, und ihn interessiert Fussball nicht. Er will Tänzer werden.

Nicolas: Bei mir kommen schon viele Kilometer im Auto zusammen. Einmal hatte Roméo am Nachmittag ein Spiel in Lugano und Iman am Abend eines in Zürich. Das Wetter war schön, ich bin über den Nufenen ins Tessin gefahren, dann nach Zürich. Es wurde spät an jenem Abend.

Und jetzt geht Iman nach England, zu Manchester City.

Cleo: Ja, das ist unglaublich.

Nicolas: Wir waren zwei Mal in Manchester mit Iman. Manchester City, das ist wie ein anderer Planet. Die Frauen nutzen dort die gleiche Trainingsinfrastruktur wie die Männer.

Im Frauenfussball fliesst bekanntlich viel weniger Geld als in jenem der Männer. Wer verdient nun eigentlich mehr, Tochter Iman beim Weltklub Manchester City oder Sohn Roméo beim Schweizer Dominator Basel?

Nicolas: Iman hat jetzt Top-Bedingungen, sie ist sportlich voraus, Roméo wird seinen Weg auch machen.

Das eine Kind in Manchester, das andere in Basel . . .

Nicolas: . . . und das dritte bald in Lausanne, an der Tanzschule.

Cleo: Für uns stellt sich nun eine grosse Frage: Wo werden wir leben? In Savièse haben wir Wurzeln geschlagen, aber die Kinder sind bald alle weg, nur wir und der Hund sind noch übrig. Ich will nicht gehen, aber ich werde meine Kinder nicht mehr sehen. Es ist kompliziert.

Nicolas: Für die Kinder ist das hier ihr Zuhause. Wenn sie nach Savièse kommen, gehen sie nicht gross raus, sie bleiben daheim, suchen die Ruhe, die Zeit mit der Familie.

Wie viele Wochenenden verbringt die ganze Familie gemeinsam?

Nicolas: Als ich Cleo erzählt habe, dass die «NZZ am Sonntag» ein Interview mit der ganzen Familie machen will, hat sie nur gelacht.

Cleo: Dass alle fünf da sind, gemeinsam, das ist selten geworden, wegen des Fussballs. Manchmal kommt Roméo vorbei, ein anderes Mal Iman. Letztes Jahr haben sich die beiden gewünscht, dass wir im Winter Familienferien machen, weil es im Sommer zum ersten Mal nicht geklappt hat. Wir sind eng, ein Clan.

Wenn die Kinder weggehen, ist es nicht einfach für die Eltern, das beginnt eigentlich ja schon im Kindergarten . . .

Cleo: . . . ja, und es hört nicht auf. Wie heisst es doch: kleine Kinder, kleine Sorgen, grosse Kinder, grosse Sorgen.

Wie halten Sie Kontakt, emotional, wie spüren Sie die Kinder aus der Ferne?

Nicolas: Per Video-Call, mit Nachrichten.

Cleo: Iman ist sehr introvertiert, es ist manchmal schwierig, in sie reinzuschauen. Als sie sich verletzt hat, haben wir oft gefragt: Geht es dir gut? Sie hat stets gesagt: Jaja. Aber sie ist in letzter Zeit offener geworden.

Nicolas: Auch Roméo war in schwierigen Phasen oft zurückhaltend. Vielleicht wollten beide uns Eltern beschützen.

Was machen Sie, wenn die Kinder Rat wollen – und Sie sich nicht einig sind?

Cleo: Wir sind uns nie einig . . .

Nicolas: . . . nein, nie.

Cleo: Im Ernst: Wir haben unsere Rollen gefunden. Nicolas hat mehr Erfahrung in der Fussballbranche, und seine Erfahrung hilft uns dabei, sie anzuleiten. Er weiss, was es braucht, damit man Profi sein kann. Aber es gibt ja nicht nur den Fussball, sondern auch das Leben.

Kommen Iman und Roméo mit Fussballthemen eher zum Vater und mit Lebensthemen eher zur Mutter?

Nicolas: Nicht immer, aber tendenziell stimmt das schon. Früher habe ich mich um die Karriere gekümmert, um die Verträge. Heute haben beide Berater. Für mich ist das schön, weil ich jetzt mehr der Vater sein kann. Sie brauchen mich weniger, aber natürlich schaue ich genau hin, und wenn mir etwas auffällt, teile ich das auch mit. Aber ich habe ihnen immer gesagt, dass unsere Vater-Kind-Beziehung das Wichtigste ist und sie es mir sagen sollen, wenn sie nicht mit mir über Fussball reden wollen.

Cleo: Für mich ist es einfacher, ich bin da, um sie zum Lachen zu bringen. Nicolas analysiert viel, manchmal wird das den Kindern zu viel.

Nicolas: Zuweilen haben auch wir zwei Diskussionen, wenn einmal etwas nicht so gut läuft in der Karriere unserer Kinder.

Warum?

Nicolas: Cleo ist impulsiv, sie will dann, dass etwas passiert, sich etwas ändert. Dass ich mit dem Trainer rede, mit dem Sportchef.

Ihr erster Impuls ist es, die Kinder zu beschützen?

Cleo: Ja, sehr.

Nicolas: Und meiner ist es, zu analysieren. Wir ergänzen . . .

Cleo: . . . ja, wir ergänzen uns gut.

Nicolas: Wir haben nicht den gleichen Charakter, aber wir haben die gleichen Werte: Familie, Respekt, Engagement, Teilen.

Cleo: Wir teilen ein Leben, das ein grosses Abenteuer ist, wegen des Fussballs, dank dem Fussball. Und ich mag Abenteuer.

Das hilft, wenn man die Mutter zweier Fussballprofis und die Frau eines ehemaligen Super-League-Goalies ist. Es wird wenig darüber gesprochen, wie viel da an den Frauen hängenbleibt.

Cleo: Ja, es ist schon ein spezielles Leben. Man lebt an Orten, an denen man sonst nicht leben würde. Wir waren in Vaduz, Wil, Aarau, und ich war oft allein mit den Kindern, am Wochenende sowieso, weil Nicolas irgendwo Fussball spielte.

Die Beneys posieren in Basel mit Fans ihrer Tochter.
Die Beneys posieren in Basel mit Fans ihrer Tochter.

Nicolas, Ihre Karriere begann vielversprechend, mit 16 spielten Sie für Yverdon in der NLB, waren später Goalie der U-21-Nationalmannschaft an der Heim-EM 2002, standen im Wiler Team, das den Cup-Final erreichte . . .

Nicolas: Ja, aber dann riss ich mir vor dem Cup-Final das Kreuzband, und es blieb nicht meine letzte Verletzung. Es war für mich deshalb immer wieder schwierig, einen Vertrag zu bekommen. Als Roméo, unser erstes Kind, im Jahr 2005 zur Welt kam, hatte ich gerade keinen Verein.

Cleo: Ein paar Tage nach der Geburt ging plötzlich in Vaduz eine Türe auf.

Nicolas: Genau. Und sechs Monate später stand ich wieder ohne Vertrag da. Wir zogen bei meinen Eltern ein, so wie ein Jahr später, im Juli 2006, als Iman gerade geboren war. Zwei Kinder. Zurück bei den Eltern. So stellt man sich das nicht vor. Aber ich habe immer weitertrainiert, weil ich dachte, dass ich bereit sein muss, wenn sich irgendwo eine Chance bietet. Und 2009 stand ich mit Sion im Cup-Halbfinal gegen Luzern und hielt zwei Penaltys. Da wusste ich: Es hat sich gelohnt.

Hatten Sie während Ihrer Fussballkarriere Geldsorgen?

Nicolas: Ja, ja. Einmal sollte es in die Ligue 2 gehen, ich hatte die Wohnung schon geräumt, den Pass in der Tasche, die Fussballtasche im Auto. Es hat dann nicht geklappt. Immer wieder nicht zu wissen, wie es weitergeht, das war schon sehr anstrengend.

Cleo: Aber wir haben immer eine Lösung gefunden. Als Nicolas dann 2010 aufgehört hat, war es schwierig für mich. Plötzlich hatten wir ein Haus, eine Routine. Das mochte ich nicht. Es war überhaupt für alle schwierig, auch für Nicolas, weil man sich als Profi ja über den Fussball definiert. Und dann hat man das plötzlich nicht mehr.

Wie ist es weitergegangen?

Nicolas: Ich hatte keine Ausbildung, weil ich früh alles auf den Fussball gesetzt hatte, konnte aber in einem Callcenter einer Grossbank eine Art Lehre machen. Heute bin ich Vermögensverwalter bei einer Bank. Eigentlich dachte ich nach meinem Karriereende ja, dass es jetzt vorbei sei mit dem Fussball. Es ist anders gekommen.

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»

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