Pleite gegen Null-Bock-Franzosen: DFB-Elf verstolpert die beste Vorlage der Welt

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft verliert gegen Frankreich das nächste Spiel - und muss sich wichtige Fragen weiter stellen. Während der Vize-Weltmeister über den Urlaub nachdenkt, wird Bundestrainer Nagelsmann grundsätzlich.
Fix wurde noch Weltstar Kylian Mbappé in seinen Ein-Tages-Urlaub verabschiedet, dann gehörte die Bühne ganz Didier Deschamps. Der Trainer der französischen Fußball-Nationalmannschaft hatte im Pressesaal der Stuttgarter Arena viel zu erzählen. Über die "Mini-EM", über sein Team. Über seine Pläne für den Erholungsurlaub in diesem Sommer. Vielleicht würde er Mbappé bei der Klub-WM in den USA besuchen, vielleicht auch nicht. Ach ja, im September geht es mit der Qualifikation für die Weltmeisterschaft weiter. Das war ihm noch wichtig zu betonen.
Deschamps hat einen Luxus, den Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht hat. Die Lockerheit, über Urlaubspläne zu referieren, hat sich Deschamps redlich verdient. Schließlich ist sein Team schon lange dort, wo das DFB-Team längst wieder sein möchte: in der Weltspitze. Die französische Elf zeigte der Nagelsmannschaft in Stuttgart eiskalt auf, was das bedeutet. Anders lässt sich der 2:0 (1:0)-Erfolg im Spiel um Platz drei der Nations League nicht erklären.
Dabei hatte der Nachbar zunächst ein erstaunliches Freundschaftsangebot vorgelegt - darauf war zuletzt immer Verlass. Ein kleiner Rückblick: Immer, wenn es beim DFB-Team in den vergangenen zwei Jahren gebrannt hatte, boten sich die Franzosen als Aufbaugegner an. Nach der Entlassung von Hansi Flick im Herbst 2023 gewann Interimscoach Rudi Völler mit 2:1 gegen Frankreich. Wenige Monate später legte die DFB-Elf von Neu-Bundestrainer Nagelsmann mit einem 2:0-Erfolg in Lyon den Grundstein für die Heim-Europameisterschaft.
Woltemade, Füllkrug, AdeyemiAuch in Stuttgart lag dieses Angebot vor. Die DFB-Elf hatte es eigentlich bitter nötig: Unter der Woche hatte sie ihr Nations-League-Halbfinale gegen Portugal mit 1:2 verloren. Das Ergebnis las sich halbwegs vertretbar, das Problem war der "schläfrige" Auftritt, wie Bundestrainer Nagelsmann es formulierte. Es fühlte sich wie ein deutlicher Rückschritt an: ohne Spielkontrolle, ohne Kraft, andauernd zu spät. Was wäre das für ein Signal, wenn die DFB-Elf sich rehabilitiert und Frankreich schlägt?
Umso besser, dass Deschamps vor dem Duell gegen Deutschland schon angekündigt hatte, dass das Spiel um Platz drei jetzt nicht das Wichtigste in der jüngeren Länderspielgeschichte sein würde. Den Worten ließ er Taten folgen: Deschamps tauschte im Vergleich zum 4:5-Spektakel gegen Spanien auf acht (!) Positionen. Die kaum wiederzuerkennende Elf agierte zu Beginn konfus und apathisch. "Wenn man ehrlich ist, hatten die keinen Bock zu gewinnen", stellte Kapitän Joshua Kimmich nach dem Abpfiff ernüchtert bei RTL fest.

Da wunken sie.
(Foto: picture alliance / Pressefoto Baumann)
In der Anfangsphase konnte die deutsche Elf dadurch beweisen, dass sie etwas gutzumachen hatte. Die DFB-Fans hatten "Kopf hoch! Brust raus! Voran!" plakatiert, die Akteure auf dem Feld setzten die Anweisungen fachgemäß um. Alleine in den ersten fünf Minuten gab es Chancen für fünf Tore. Doch Nick Woltemade, Niclas Füllkrug und Karim Adeyemi schossen den Ball nicht ins Tor, sondern gegen den französischen Torwart Mike Maignan.
Und wie das im Fußball so ist, wenn ein Team nicht selbst die Tore macht, dann macht sie der Gegner. Dabei spielten die Franzosen ihre Konter zunächst so schlecht aus, als wären sie mit dem Kopf längst im Urlaubsmodus. Kurz vor der Halbzeit zeigten sie jedoch, wie Weltspitze aussieht - und schon stand es 0:1. Aurélien Tchouaméni flankte den Ball aus dem Halbfeld auf Mbappé. Kimmich sprang unter der Flanke hindurch und der Weltstar von Real Madrid verwandelte nach feinem Übersteiger.
Nagelsmann muss grundsätzlich werdenDann war Halbzeitpause, und danach schaffte es das DFB-Team kaum noch, sich gefährliche Torchancen zu erarbeiten. Für den endgültigen Bruch sorgte zehn Minuten nach der Halbzeit ein vermeintlicher Treffer von Deniz Undav. Der wurde nach einer langen VAR-Unterbrechung wegen eines Füllkrug-Fouls zurückgenommen. Danach wurde es chaotisch im deutschen Offensivspiel, Nagelsmann sprach sogar von "Harakiri".
Und die Franzosen? Die zeigten dem DFB-Team weiter, was Weltklasse bedeutet - und das bei einem wirklich nicht guten Auftritt. Nicht nur verwandelten sie ihre Chancen eiskalt, sondern verfügten noch über Spitzenpersonal auf der Bank. Während Nagelsmann nach knapp einer Stunde den Debütanten Tom Bischof (der seine Sache wirklich gut machte) und Maxi Mittelstädt einwechselte, brachte Deschamps den Bayern-Star Michael Olise, PSG-Juwel Desire Doue und Manu Koné von der AS Rom. Die französischen Konter wurden wieder zielstrebiger und Marc-André ter Stegen im deutschen Tor konnte die Entscheidung nur bis zur 84. Minute verhindern. Dann stürmten Mbappé und Olise alleine auf ihn zu - und sorgten für das 2:0-Endergebnis.
Das ist auf mehreren Ebenen bitter. Zum einen, weil es statt des Titels bei der "Mini-EM" der letzte Platz im Finalturnier der Nations League wurde. Zum anderen, weil es das Team von Nagelsmann einen wichtigen Moment verpasst hat. Mit einem Sieg hätte sich die DFB-Elf mit Rückenwind in die Sommerpause und anschließend die WM-Qualifikation verabschieden können. Jetzt lodern grundsätzliche Fragen weiter bis zum September. Es ist fraglich, ob die Duelle mit Luxemburg, der Slowakei und Nordirland Antworten liefern.
So musste Bundestrainer Nagelsmann auf der abschließenden Pressekonferenz auch grundsätzlicher werden. Er konnte anders als Deschamps nicht über seinen Urlaub sinnieren. "Natürlich sind wir noch ein paar Prozentpunkte hinter den Topteams in der Welt", sagte er. Es sei völlig klar: "Wir können auch nicht in zwei Jahren die Welt einreißen und alles aufholen, was über mehrere Jahre nicht hundertprozentig gut lief."
Seine Altlasten schleppt das DFB-Team auch ein Jahr nach der Heim-EM mit sich herum. Dabei hatte der Bundestrainer in den vergangenen Monaten mühsam ein neues Selbstbewusstsein aufgebaut. Doch das hat mit den Auftritten gegen Frankreich und Portugal arg gelitten. Schließlich ist da die fehlende Kadertiefe, für die kein Bundestrainer etwas kann. Für die "Mini-EM" fehlten gleich fünf Stammkräfte: Jamal Musiala, Kai Havertz, Antonio Rüdiger, Angelo Stiller, Nico Schlotterbeck. Nagelsmann war dadurch zu Veränderungen gezwungen. So sehr, dass er sogar tat, was er noch kurz vor Anpfiff am RTL-Mikrofon zum wiederholten Male für unwahrscheinlich erklärt hatte: Kimmich rückte in der Schlussphase aus der Viererkette auf die Sechser-Position.
Von dem ambitionierten Ziel, das er an ebenjenem Ort, der Arena in Stuttgart, vor elf Monaten ausgerufen hatte, will Nagelsmann aber nicht abrücken. "Trotzdem spüre ich in der gesamten Gruppe, das betrifft nicht nur die Spieler, sondern den gesamten Staff drumherum, spüre ich etwas, da ist etwas Besonderes." Er habe trotz der beiden Niederlagen ein gutes Gefühl, "auch weil natürlich nach wie vor der Wille riesengroß ist, die WM zu gewinnen - wenn wir uns qualifizieren. Wir wissen trotzdem, dass es ein weiter Weg ist, aber das ist auch für die anderen ein weiter Weg, die gegen uns spielen." Frankreich und Didier Deschamps sind auf diesem Weg schon ein paar Schritte voraus.
Quelle: ntv.de
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