AKW-Rückbau: Merz' Atomkraft-Moratorium stößt auf wenig Begeisterung
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Wie komplex die Sache mit der Atomkraft ist, weiß auch Friedrich Merz. Jedenfalls viel komplexer als ein Lichtschalter. „Wir alle wissen, dass man ein Kernkraftwerk nicht wie eine Schreibtischlampe an- und ausschalten kann“, sagte der designierte Bundeskanzler am Montag bei seiner ersten großen Pressekonferenz. Aber: „Dass man hier zu einem Abbau-Moratorium kommt, ist aus meiner Sicht notwendig.“ Wenn er sich da mal nicht zu viel erhofft.
Seit Monaten fordern Unions-Politiker eine solche Unterbrechung der Rückbau-Arbeiten. Schließlich wurden die letzten drei Atomkraftwerke erst vor weniger als zwei Jahren abgeschaltet. Rein äußerlich sehen sie so aus, als ließen sie sich leicht wieder anschalten, wenn auch nicht so leicht wie eine Schreibtischlampe. Innen sieht die Sache freilich anders aus.
Schon Anfang des Monats hatte EnBW-Chef Georg Stamatelopoulos einen ersten Eindruck davon gegeben, worum es da geht. EnBW baut derzeit unter anderem das AKW Neckarwestheim 2 zurück, eine der drei zuletzt abgeschalteten Anlagen. Der Primärkreislauf des Kraftwerks sei schon dekontaminiert, führte er beim Führungstreffen Energie in Essen aus. Dabei seien die kontaminierten Schichten an der Innenseite der Rohre abgetragen worden. Das Kraftwerk wieder in Betrieb zu nehmen, koste nicht nur Unmengen an Geld, sondern auch Jahre an Zeit. Allein sieben Jahre, um etwa unbrauchbar gewordene Dampferzeuger zu ersetzen. Und Stamatelopoulos ist keiner, der Kernkraft rundweg ablehnt.
Entsprechend reserviert reagiert das Karlsruher Unternehmen nun auch auf den Moratoriums-Plan. „Unsere fünf Anlagen befinden sich alle im Rückbau, für alle haben wir die entsprechenden Genehmigungen erhalten und in Anspruch genommen“, sagt ein EnBW-Sprecher. Im Übrigen verpflichte das Atomgesetz die Betreiber zum unverzüglichen Rückbau ihrer Kernkraftwerke.
„Unverzüglich“ – genau so steht es in Paragraf 7 des Atomgesetzes. Eine künftige Koalition aus Union und SPD müsste also erst einmal dieses Gesetz ändern, damit so ein Moratorium greift. Allerdings steht die SPD fest zum Atomausstieg.
Auch die beiden anderen Betreiber verweisen darauf. „Möglich ist alles, das ist in erster Linie eine Entscheidung der Politik“, heißt es etwa bei Eon, dessen Tochter Preussen Elektra das Kraftwerk Isar 2 stilllegt. „Aber klar ist auch: Es wäre technisch und regulatorisch sehr anspruchsvoll und würde Jahre dauern.“ Ähnlich argumentiert RWE, bei dessen Anlage in Lingen auch schon der Primärkreislauf dekontaminiert wurde. Neben technischen Herausforderungen stünden „erhebliche regulatorische, finanzielle und personelle Hürden“ vor einer Inbetriebnahme.
Das ist noch freundlich formuliert. Der Analyst Mycle Schneider, der mit einem jährlichen Report Wohl und Wehe der – stagnierenden – globalen AKW-Flotte verfolgt, klingt da deutlich drastischer. Ein bereits dekontaminiertes Atomkraftwerk wieder in Gang zu setzen, komme vom Aufwand her schon fast einem Neubau gleich. Aber ja, technisch machbar sei vieles. „Man kann auch das Ford T-Modell wieder auf die Straße setzen.“ Nur ökonomisch mache das so wenig Sinn wie ein Revival der alten AKWs, sagt Schneider. „Irgendwann ist auch mal Schluss.“
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