Autokraten dürfen sich freuen: Die Trump-Regierung will die Demokratie nicht mehr fördern
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In den Medien hat die Finanzsperre gegen die Stiftung National Endowment for Democracy (NED) wenig Wellen geschlagen – doch in geopolitischen Kreisen in Washington rumort es. Prominente Experten, hochrangige Diplomaten und Politiker beider Parteien sind mit der Stiftung eng verbunden. «Absolut selbstzerstörerisch» nannte der bekannte liberale Politologe Francis Fukuyama die Sparmassnahme durch Elon Musks Effizienzbehörde.
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Über vierzig Jahre lang hat die überparteiliche Institution prodemokratische Bewegungen unterstützt. Wo immer die Zivilbevölkerung gegen ein autoritäres Regime mobilisierte, spielte das Endowment im Hintergrund mit: Es stützte Lech Walesas Solidarnosc im polnischen Untergrund, die Proteste im Arabischen Frühling und ukrainische Gruppen während der Maidan-Revolution. In Russland wurde die Stiftung 2015 verboten, als Putin gegen «unerwünschte» ausländische Organisationen vorging. Aber auch der antiimperialistischen Linken war der «Regime-Change-Turbo» ein Dorn im Auge.
Demokratieförderung als «soft power»Keine Organisation verkörpert das amerikanische Sendungsbewusstsein so sehr wie das National Endowment for Democracy. Ronald Reagan rief 1982 im Kalten Krieg in der Westminster-Rede zur Gründung einer Organisation auf, welche die «Infrastruktur für Demokratie» fördere – namentlich die freie Presse, Gewerkschaften, Parteien und Universitäten. Ein Jahr später gründete der Kongress die unabhängige, aber staatlich finanzierte Stiftung zur Förderung «von freien und demokratischen Institutionen in der ganzen Welt». Historiker gestehen ihr eine wichtige Rolle bei der Beendigung des Kalten Kriegs zu.
Zunächst diente die Organisation vor allem antikommunistischen Zielen. Nach dem Fall der Sowjetunion weitete sich ihre Mission auf Länder aus, «wo der demokratische Durchbruch noch auf sich warten lässt». Die Stiftung verfügte 2023 über ein – im Vergleich zur insgesamt fast 70 Milliarden Dollar umfassenden Auslandhilfe der USA – kleines Budget von rund 320 Millionen Dollar. Mit dem Geld wurden unter anderem prodemokratische Gruppen in Iran, Kuba und China unterstützt.
Der Stiftungsrat ist ein Tummelfeld für prominente Republikaner und Demokraten, die sich gern mit dem Ehrenamt schmücken. So sass Trumps designierte Uno-Botschafterin Elise Stefanik im NED-Stiftungsrat, Aussenminister Marco Rubio bis vor kurzem in demjenigen des affiliierten International Republican Institute. Wer auf dessen Website gelangen will, stösst nun auf eine Fehlermeldung. Was geht da vor sich in Washington?
Vorwurf der Politisierung gegen TrumpDas Trump-Lager hat die international tätige Stiftung schon seit Jahren im Visier. Doch nun rühren einflussreiche Denkfabriken wie die Heritage-Stiftung oder das Center for Renewing America die Trommel gegen die traditionelle Demokratieförderung. Die Hauptkritik lautet, dass das NED in den vergangenen acht Jahren von linken Kreisen unterwandert worden sei. Es habe sich zu einem «radikalen Kampfmittel» gegen rechtspopulistische Bewegungen im Ausland, aber auch in den USA entwickelt.
In einem Kongressbericht mit dem dramatischen Titel «Instrumente und Todesopfer des Zensur-industriellen Komplexes» erhoben Republikaner ähnliche Vorwürfe der Parteilichkeit: Die Stiftung habe die britische Faktencheck-Gruppe Global Disinformation Index finanziell unterstützt, die sich für die Zensur konservativer Meinungsportale eingesetzt hat. Daraufhin beendete die Stiftung die Zusammenarbeit mit der Gruppe.
Der Demokratie-Experte Thomas Carothers von der Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace weist die Vorwürfe einer Politisierung dennoch zurück. «Die Demokratie zu verteidigen, bedeutet keine parteiische Einmischung.» Die Stiftung schütze die Integrität von Wahlen, ohne das Resultat beeinflussen zu wollen. Auch würden keine Kandidaten oder Parteien finanziert. Der derzeitige NED-Vorsitzende ist der Republikaner Peter Roskam, während der CEO Damon Wilson seine Karriere als Nato- und Ukraine-Experte im Stab des Rats für Nationale Sicherheit unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush begann.
Carothers vermutet, dass der eigentliche Grund für die Kampagne in Trump-kritischen Äusserungen einiger Stiftungsräte liegt – etwa durch den konservativen Politologen Robert Kagan, Herausgeber des «Journal of Democracy», oder die Journalistin Anne Applebaum, ein früheres NED-Vorstandsmitglied. Beide warnten in drastischen Tönen vor der Gefahr, die Donald Trump für die amerikanische Demokratie darstelle.
China dürfte sich freuenAnfang Februar begann Trumps Effizienzbeauftragter Elon Musk, das National Endowment for Democracy auf seiner Plattform X zu attackieren: Die «korrupte» und «kriminelle» Stiftung sei eine «Organisation des Bösen» und müsse aufgelöst werden. Musk löschte einige der Tweets später – sie erinnerten stark an die Rhetorik des chinesischen Aussenministeriums: «Die unzähligen bösen Taten der Organisation haben grossen Schaden angerichtet und die Kritik der internationalen Gemeinschaft auf sich gezogen.» Peking versucht seit längerem, die Organisation als Arm der CIA darzustellen.
Im Februar stoppten die Zahlungen aus dem Finanzdepartement an das NED, wie die Plattform The Free Press enthüllte. Der chinesische Menschenrechtsanwalt Teng Biao warnte im Magazin «The Wire China» vor schwerwiegenden Folgen für Bürgerrechtsorganisationen: «Viele Dissidenten und Aktivisten in China machen es nicht öffentlich, aber beziehen Geld vom NED.»
Auch wenn die Reaktionen unter den Republikanern verhalten blieben, zeigt die Tatsache, dass Musk mehrere seiner aggressiven Tweets zum Thema löschte, das Tauziehen hinter den Kulissen. Ob das National Endowment for Democracy bald wieder alimentiert wird, wie das Gesetz es vorsieht, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die Idee der Demokratieförderung an Popularität verloren hat und sich Trumps Partei weit von Reagans Vision einer freien, demokratischen Welt entfernt hat.
nzz.ch