Kanichen werden als Haustiere am häufigsten falsch gehalten

Das Kind wünscht sich ein Haustier, aber den Eltern ist es für Hund und Katze noch zu früh? Dann entscheiden sich viele für ein Kaninchen. Rund 2,1 Millionen Kaninchen werden in Deutschland als Haustiere gehalten. Was viele nicht wissen: Kaninchen sind keine Einzelgänger, benötigen viel Bewegung, sind Fluchttiere, fressen am liebsten Grün und sind definitiv keine Haustiere für Kinder oder Beginner.
Viola Schillinger, Tierärztin und Kopf hinter dem Portal „Kaninchenwiese.de” räumt mit gängigen Fehlannahmen und Ausreden in der Kaninchenhaltung auf und erklärt, wie es besser geht.
Kaninchen sind klein und flauschig, aber alles andere als Anfängertiere. Sie sind teuer, zeitintensiv, benötigen viel Platz und sind keine Kuscheltiere. „Kaninchen haben komplexe Bedürfnisse, sind sensibel und anspruchsvoll in Haltung und Ernährung“, sagt Tierärztin Viola Schillinger. Hochnehmen mögen Kaninchen in der Regel nicht, ebenso sind sie von Natur aus eher scheu. Viele Kaninchen lehnen selbst am Boden Streicheleinheiten ab. Es braucht also viel Geduld und Zeit. Schillinger rät daher: Wer sich ein Haustier für sich und sein Kind zulegen möchte, sollte eher an beispielsweise Katzen denken, da diese menschenbezogener und pflegeleichter seien.
Es gibt kein Gesetz, das ausdrücklich die Einzelhaltung verbietet, dennoch spricht das Tierschutzgesetz davon, dass man sein Haustier dessen Bedürfnissen entsprechend unterbringen muss. 2017 urteilte daher das Verwaltungsgericht Göttingen, dass das artgemäße Sozialverhalten zu den Grundbedürfnissen von Kaninchen nach dem Tierschutzgesetz gehöre und daher nur eine Haltung mit mindestens einem Partnertier zulässig ist. Auch weitere Gerichte folgten dieser Interpretation.

„Kaninchen sind hochsoziale Tiere – über die Hälfte ihres Verhaltens besteht aus Sozialverhalten”, sagt Schillinger. Kaninchen, die alleine gehalten werden, würden unter Einsamkeit und Stress leiden, häufig Verhaltensstörungen entwickeln und auf Dauer körperlich krank werden. Immer wieder würden ihr Kaninchen vorgestellt, die die Besitzerinnen und Besitzer als unverträglich darstellten. „Bisher konnte ich jedes einzelne Tier erfolgreich vergesellschaften.“ Häufig liegt es nicht an den Kaninchen selbst, sondern an der Gruppenzusammensetzung (zwei dominante Tiere) oder der Art der Vergesellschaftung (neutrales Gebiet).
Punkt 1: Was fressen Kaninchen?
Kaninchen sollten rund um die Uhr frisches Grünfutter wie Bittersalate, Kräuter, Gräser, Kohl zur Verfügung haben. Außerdem Heu. Trockenfutter und Pellets sollten nicht verfüttert werden, Karotten (aufgrund der Stärke) nur als Leckerli.
Punkt 2: Wie viel Platz brauchen Kaninchen?
Kaninchen haben einen großen Bewegungsdrang und sind daher nicht für Käfighaltung geeignet. Laut Gerichtsurteilen sollten Kaninchen dauerhaft mindestens sechs Quadratmeter zur Verfügung haben.
Punkt 3: Kann ich ein Kaninchen alleine halten?
Nein, Kaninchen sind hochsoziale Wesen und benötigen mindestens ein weiteres Kaninchen als Partnertier. Am geeignetsten sind Kleingruppen. Meerschweinchen sind übrigens kein Partnerersatz für ein Kaninchen.
Kaninchen und Meerschweinchen können zwar zusammengehalten werden und miteinander kuscheln – doch einen Ersatz für einen Kaninchenpartner sind Meerschweinchen nicht. Beide Tierarten benötigen sozialen Kontakt zu ihresgleichen, denn Kaninchen und Meerschweinchen sprechen nicht die gleiche Sprache. „Meerschweinchen und Kaninchen kommen von unterschiedlichen Kontinenten, sie würden sich in der Natur nie begegnen“, sagt auch Schillinger. Meerschweinchen beispielsweise quieken, wenn sie Futter oder Aufmerksamkeit suchen, Kaninchen machen das nur in Todesangst.
Zugegeben: Wir alle lieben doch Schokolade und Chips, oder? Dennoch würden wir uns nicht dauerhaft von Süßem und Junk-Food ernähren. Genau das sind aber Karotten. Wie Wurzelgemüse insgesamt enthalten sie Stärke und Zucker und können, wenn sie zu oft verfüttert werden, zu Verdauungsstörungen, Übergewicht und Zahnerkrankungen führen.

Während Karottenstücke und Obst als Leckerli hin und wieder erlaubt sind, sollten Kaninchenhalterinnen und -halter ganz auf Trockenfutter und Pellets verzichten. Obwohl die Regale in Tierhandlungen damit voll stehen, ist Trockenfutter ein Krankmacher für Kaninchen. „Bereits eine geringe Menge wie zum Beispiel ein Teelöffel am Tag führt zu schweren Gesundheitsproblemen wie Verdauungsstörungen, Blasengrieß, Zahnerkrankungen und Übergewicht. Es verändert das natürliche Fressverhalten, weil es zu energiereich und zu wenig faserhaltig ist“, sagt Schillinger.
Stattdessen benötigen Kaninchen frisches Grünfutter, und das sollte rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Besonders geeignet sind Gräser, Wiesenkräuter, Zweige und Blätter, aber auch Bittersalate, Kohl, Küchenkräuter und Grünreste von Kohlrabi, Karotten, Blumenkohl. Dazu sollten Kaninchen immer Heu und Wasser in einem Napf (nicht Flasche) vorrätig haben.
Wer die Tierhandlung betritt, findet sie in allen möglichen Formen und Größen: Kleintierkäfige. Doch wie es Gerichtsurteile zur Einzelhaltung gibt, so gibt es sie auch zur Käfighaltung. Diese gilt in Deutschland nicht als artgerecht für Kaninchen.

Die Nager haben nämlich einen riesigen Bewegungsdrang, wollen springen, Haken schlagen, rennen. Können sie das nicht, kann das sowohl psychisch als auch mental schwierig für die Tiere werden: Sie können Gelenkprobleme und Wirbelsäulenverkrümmungen bekommen oder aggressiv oder apathisch werden. Laut Urteil aus Göttingen sollten Kaninchen mindestens sechs Quadratmeter Auslauf haben - dauerhaft. Vor allem früh morgens und spät abends sind die Tiere aktiv und wollen sich bewegen. Am besten hat das Gehege Spielmöglichkeiten wie eine Buddelbox oder eine spannende Einrichtung.
Kaninchen können sowohl drinnen als auch draußen leben - sie passen sich an. Schillinger glaubt, dass viele eine falsche Vorstellung von Wohnungshaltung bei Kaninchen haben. „Wir kennen sie drinnen nur im Käfig oder im Kinderzimmer“, sagt sie. Stattdessen sollte es Kaninchen ähnlich wie Katzen ergehen: Sie brauchen Platz und Abwechslung. Genau wie Katzen werden Kaninchen stubenrein und nutzen ihre Toilette.

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Wer übrigens einen Garten hat, die Kaninchen aber trotzdem drinnen hält, tut den Tieren keinen Gefallen damit, sie immer mal wieder draußen laufen zu lassen. „Der tägliche Transport bedeutet Stress“, sagt Schillinger. Dauerhaft drinnen oder dauerhaft draußen sei besser für die Nager. Kaninchen, die drinnen leben, sollten im Winter zum Schutz vor der Kälte zudem maximal 30 Minuten draußen sein - Wohnungskaninchen haben kein Winterfell wie Kaninchen, die draußen leben.
Für Kaninchen kann ein Garten das wahre Paradies und ein Abenteuerland sein. Dabei gilt es aber, einiges zu improvisieren, um das Leben angenehm und sicher zu gestalten. Das Gehege muss nämlich aus- und einbruchsicher sein. „Der Auslauf muss sicher vor Raubtieren, Wetter und Ausbruch sein, also überdacht und zu allen Seiten mit dicken, mardersicheren Volierendraht oder massivem Holz umbaut“, sagt Schillinger. Drei Seiten sollten wettergeschützt sein und es muss Möglichkeiten zum Unterschlupf geben - in den sie sich auch einkuscheln können.
Bei der Gartenhaltung ist außerdem zu bedenken, dass nicht jedes Grün dem Tier guttut. So gibt es einige Pflanzen wie Eibe, Eisenhut, Oleander, Engelstrompete oder Herbstzeitlose, die giftig für Kaninchen sind. Die Pflanzen dürfen nicht in Reichweite der Nager sein. Tierärztin Schillinger rät: „Am besten pflanzt man geeignete Wiesenkräuter und Sträucher wie Hasel, Löwenzahn oder Wegerich. Im Garten sollten zudem keine chemischen Dünger verwendet werden und Schneckenkorn ist tabu.“
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