Kitt für die Gesellschaft: Immer mehr Deutsche engagieren sich ehrenamtlich

Die einen sind Retterinnen und Retter in der Not. Sie löschen Feuer, räumen nach Naturkatastrophen auf und leisten Erste Hilfe. Andere übernehmen Aufgaben im Sportverein, begleiten Menschen mit Beeinträchtigungen im Alltag und kümmern sich um Geflüchtete.
Ein Ehrenamt umfasst alle Tätigkeiten, die eine Person ohne Bezahlung ausübt, um sich für das Gemeinwohl zu engagieren. Das Ehrenamt findet sich in Bereichen wie Sport, Kultur, Bildung, Soziales und Umwelt, aber auch in der Nachbarschaftshilfe, Kommunalpolitik und in Hilfsorganisationen.
Am häufigsten findet das ehrenamtliche Engagement im Sportverein statt. Ohne Hobbytrainer und unbezahlte Kassenwarte könnten die meisten der fast 86.000 Sportvereine in Deutschland nicht überleben. Zudem waren mehr als eine Million Personen zuletzt bei der Freiwilligen Feuerwehr tätig, größtenteils Ehrenamtliche.
Auch die Kirchen bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu beteiligen, zum Beispiel im Kirchenchor und durch Besuche von kranken Menschen. Die Evangelische Kirche in Deutschland konnte zuletzt auf gut 900.000 Ehrenamtliche setzen.
Immer mehr Menschen in Deutschland nutzen die Essensspenden von Tafeln. Dadurch erhöht sich der Bedarf an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern – derzeit sind es mehr als 70.000. Ähnliches gilt für andere Wohltätigkeitsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, wo mehr als 400.000 Menschen ehrenamtlich arbeiten.
Insgesamt ist der Anteil der Engagierten in der Bevölkerung ab 17 Jahren seit 1990 von gut 27 Prozent auf mehr als 35 Prozent im Jahr 2021 gestiegen, so eine Langzeitbetrachtung auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).
Gerade in der Gruppe der Jüngeren im Alter von 17 bis 29 Jahren nimmt das freiwillige Engagement zu, denn in dieser Altersgruppe ist das Bewusstsein für gesellschaftliches und politisches Engagement gestiegen.
Dies spiegelt sich besonders im Bereich Umwelt- und Klimaschutz wider, so das Ergebnis einer Studie des Umweltbundesamts. Die Älteren ab 65 Jahren engagieren sich zwar ebenfalls mehr als früher, erreichen aber nicht das Niveau der Jüngeren.
Bemerkenswert ist die Entwicklung in Ost- und Westdeutschland. Von 1990 bis 2019 waren in den westdeutschen Bundesländern anteilig deutlich mehr Menschen engagiert als in Ostdeutschland. Im Jahr 2021 gab es erstmals kaum noch einen Unterschied zwischen den beiden Landesteilen.
Nach wie vor variiert das zivilgesellschaftliche Engagement allerdings zwischen Personen mit einem hohen Bildungsabschluss und gutem Einkommen auf der einen Seite und jenen mit geringem Einkommen und niedrigem Schulabschluss auf der anderen Seite.
Je höher das Einkommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person freiwillig engagiert, ergab eine Auswertung des Freiwilligensurvey, einer Befragung von fast 28.000 Personen ab 14 Jahren. Ebenso deutlich ist der Zusammenhang bei der Schulbildung: Personen mit hoher Schulbildung engagieren sich zu 51 Prozent, Personen mit niedriger Schulbildung zu 19 Prozent.
Die Gründe dafür können in den Einstellungen der Menschen, aber auch an den Lebensumständen liegen. Im Engagementbericht des Familienministeriums werden sogenannte Schwellen identifiziert, die den Zugang zum Ehrenamt erschweren.
Eine Hürde stellen etwa fehlende finanzielle Ressourcen dar, denn die Ausübung eines Engagements ist oft mit offenen und verdeckten Kosten verbunden. So können Mobilitätskosten anfallen für den Kauf einer Fahrkarte oder Geselligkeitskosten für die Tasse Kaffee bei einer Besprechung in der Gaststätte.
Auch die verfügbare Zeit ist eine entscheidende Voraussetzung für freiwilliges Engagement. Zeitmangel und fehlende Autonomie über die eigene Zeit können das bürgerschaftliche Engagement erschweren. Wie zeitintensiv das Ehrenamt häufig ist, zeigt die Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamts. Demnach investieren Ehrenamtler täglich im Durchschnitt fast drei Stunden in ihre Tätigkeit.
Der Aufwand könnte laut Engagementbericht geringer sein, wenn die bürokratischen Auflagen nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Die staatlichen Regeln erschweren insbesondere die Finanzierung von Organisationen, heißt es. Die Komplexität der Vorgaben und der hohe Verwaltungsaufwand gelten demnach als Hemmnisse für freiwilliges Engagement.
rnd