Sind wir allein im Universum? Die Suche nach ausserirdischem Leben in vier Stufen


Visualisierung A. Smith und N. Madhusudhan / Imago
Kleine grüne Männchen in einer fliegenden Untertasse, der nach Hause telefonierende E. T., abscheuliche Monster, die Menschen aus der Brust platzen: Die Pop-Kultur kennt unzählige Aliens. Die Wissenschaft hingegen kennt bis jetzt keine. Doch die Suche nach ihnen ist in vollem Gange.
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Das Forschungsfeld, das sich mit der Existenz von ausserirdischem Leben auseinandersetzt, ist die Astrobiologie. Und die sorgt immer wieder für Schlagzeilen.
In diesem Frühjahr erregte eine Mitteilung von Forschern der Universität Cambridge weltweit Aufmerksamkeit. Mithilfe des James-Webb-Teleskops hatten sie den Exoplaneten K2-18b untersucht. Ein Exoplanet ist ein Planet, der um einen anderen Stern als die Sonne kreist. Von K2-18b empfingen die Forscher ein ungewöhnliches Signal. In der Atmosphäre des Exoplaneten fanden sie eine Schwefelverbindung, die auf der Erde nur von Lebewesen produziert wird. K2-18b könnte eine Wasserwelt voller Leben sein, spekulierte der Hauptautor der Studie.
In den darauffolgenden Wochen haben andere Forschergruppen diese spektakuläre Ankündigung jedoch deutlich zurückgestutzt. Das Signal könne auch auf ein ganz anderes Molekül hindeuten, meinten manche. Andere fanden in den Daten sogar nur bedeutungsloses Rauschen.
Die Beobachtungen der Forscher aus Cambridge sind also noch weit davon entfernt, den Beweis für ausserirdisches Leben zu erbringen.
Wie weit genau? Und was müsste passieren, damit eine Beobachtung als Beweis für Leben auf anderen Planeten taugt? Dazu hat die Nasa 2021 eine Skala entworfen. Sie ähnelt einer Treppe. Je weiter man die Treppe hinaufklettert, umso sicherer hat man Leben entdeckt.
Gegenwärtig steht die Menschheit noch am Fusse der Treppe. Um von Aliens sprechen zu können, müssten wir mindestens die ersten vier Stufen erklimmen. Wie das konkret aussehen könnte, kann man gut am Beispiel des umstrittenen Lebenszeichens vom Exoplaneten K2-18b illustrieren.
Stufe 1: Ein robustes Signal empfangenDer Exoplanet K2-18b ist 124 Lichtjahre von der Erde entfernt und umkreist einen Stern im Sternzeichen Löwe. Falls es auf seiner Oberfläche tatsächlich Leben gibt, könnten wir es nur indirekt nachweisen: durch die Spuren, die es in der Atmosphäre des Planeten hinterlässt.
Jedes Mal, wenn K2-18b auf seiner Kreisbahn genau zwischen seinem Stern und der Erde hindurchzieht, scheint das Licht seines Sterns durch die Atmosphäre des Planeten hindurch zu uns. Die Gase in der Atmosphäre hinterlassen dann in diesem Licht eine Art Fingerabdruck.
Das James-Webb-Teleskop hat das Licht von K2-18b aufgefangen. Doch das Signal ist sehr schwach. Je nachdem, wie man es analysiert, erkennt man darin einen Fingerabdruck – oder nur einen statistischen Ausreisser. Um die Daten eindeutiger interpretieren zu können, sind noch mehr Beobachtungen des Planeten nötig.
Noch besser wären Daten von einer neuen Generation von Teleskopen. Im Gegensatz zum James-Webb-Teleskop ist beispielsweise das Extremely Large Telescope explizit darauf ausgelegt, nach Zeichen von Leben auf fernen Planeten zu suchen. Es soll bis 2030 in Chile gebaut werden.
Solche neuen Teleskope könnten viel mehr Planeten auf Anzeichen von Leben hin untersuchen als bisher. Und sie würden deutlich bessere Daten liefern, in denen die Fingerabdrücke von Gasen klarer erkennbar wären. Würde uns ein solch klares Signal erreichen, wäre die erste Treppenstufe zum Erkennen ausserirdischen Lebens erklommen.
Stufe 2: Das Signal richtig zuordnenHat man ein robustes Signal entdeckt, gilt es, den Fingerabdruck korrekt zuzuordnen. Denn wie bei Menschen sind die Fingerabdrücke von Gasen zwar alle unterschiedlich, können einander aber ähnlich sehen.
Für die Astrobiologen sind besonders solche Gase interessant, die auf die Präsenz von Lebensformen hindeuten. Man nennt sie Biosignaturen. Eine mögliche Biosignatur ist die Schwefelverbindung Dimethylsulfid (DMS). Auf der Erde wird sie ausschliesslich von Lebewesen wie Phytoplankton hergestellt. Genau dieses Molekül glauben die Forscher aus Cambridge auf dem Exoplaneten K2-18b gefunden zu haben. Doch bis jetzt ist das Signal so unklar, dass man es nicht eindeutig DMS zuordnen kann.
Es gibt viele weitere Gase, die prinzipiell als Biosignatur infrage kommen. In der Atmosphäre der Erde zum Beispiel stäche wohl besonders die Kombination von Sauerstoff und Methan hervor. Die Astrophysikerin Sara Seager forscht als Professorin am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ist eine Vorreiterin in der Untersuchung von Exoplaneten. Sie sagt: «Wir sind uns noch nicht einig, was gute Biosignaturen sind. Aber es ist doch aufregend, die erste Generation zu sein, die sich darüber streiten kann.»
Könnten wir den Fingerabdruck im Licht des Exoplaneten K2-18b eindeutig einem Biosignaturgas zuordnen, würde das den Schritt auf die zweite Treppenstufe bedeuten.
Stufe 3: Untersuchen, ob Biologie auf dem Planeten realistisch istNicht zu heiss, nicht zu kalt, eine steinige Oberfläche und eine gasförmige Hülle: Die Bedingungen auf der Erde eignen sich offenbar gut für die Entwicklung von Leben.
Doch ist Leben auch auf K2-18b möglich? Der Exoplanet ist sieben- bis zehnmal so schwer wie die Erde und umkreist seinen Stern in viel geringerem Abstand. Am ehesten ähnelt K2-18b einem kleinen Neptun.
Entsprechend schwierig ist es, gesicherte Aussagen über seine Bewohnbarkeit zu treffen. Zwar gibt es Berechnungen, laut denen die Oberfläche von K2-18b von Ozeanen voll Wasser bedeckt sein könnte. Doch ebenso wäre es möglich, dass der Boden aus flüssiger Lava besteht oder es sogar gar keine feste Oberfläche gibt. Auf so einem Planeten wäre Leben nur schwer vorstellbar. Anhand der wenigen Daten von K2-18b lässt sich bis anhin keines der Szenarien beweisen.
Einige geplante Missionen fokussieren daher auf die Suche nach Planeten, die der Erde sehr ähnlich sind. «Bei einem Zwilling der Erde können wir uns über die Bewohnbarkeit viel sicherer sein», sagt Seager. Bei solchen Planeten wäre die dritte Treppenstufe ein Klacks.
Stufe 4: Nichtbiologische Prozesse ausschliessenBloss weil ein bestimmter Stoff auf der Erde nur durch Lebewesen produziert wird, heisst das noch nicht, dass das die einzige Möglichkeit ist. Auf fremden Planeten können ganz andere Bedingungen herrschen als auf der Erde. Womöglich könnten die gleichen Gase auch ganz ohne das Zutun von Lebewesen entstehen.
Genau das könnte bei DMS der Fall sein, der Schwefelverbindung, die die Forscher auf K2-18b entdeckt haben. Denn die Substanz wurde auch schon auf einem Kometen in unserem Sonnensystem gefunden. «Es ist ziemlich klar, dass es auf diesem Kometen kein Leben geben kann», sagt Susanne Wampfler. Sie ist Assistenzprofessorin für Astrophysik an der Universität Bern und war an der Studie zu dem Kometen beteiligt. «Im Universum können diese Moleküle also auf nichtbiologischem Weg entstehen.»
Bis anhin wissen wir noch extrem wenig über die Chemie auf fremden Planeten. Der Schritt auf die vierte Stufe ist deshalb besonders schwer.
Was die Treppenstufen überspringen könnteDer Weg die Treppenstufen hinauf ist lang und mühsam. Doch es gibt Situationen, in denen ein Signal theoretisch gleich mehrere oder gar alle Stufen auf einmal nehmen könnte. Das wäre der Fall, wenn wir Spuren einer technologisierten Gesellschaft fänden: Radiosignale zum Beispiel oder Überreste eines Raumschiffs.
Die Experten nennen so etwas Technosignaturen. «Die sind natürlich noch viel unwahrscheinlicher zu finden», sagt Wampfler. «Aber dafür wären sie relativ eindeutig.»
Statt auf solche extrem unwahrscheinlichen Szenarien zu hoffen, hat die Astrophysikerin Sara Seager einen anderen Plan: Sie setzt darauf, Leben in unserem eigenen Sonnensystem zu finden. «Nur wenn wir eine Probe von einem Planeten oder einem Mond nehmen und darin direkt Zellen sehen, haben wir sicher Leben entdeckt», sagt sie. Solche direkten Proben sind bei Exoplaneten in vielen Lichtjahren Entfernung nicht möglich.
Deswegen leitet Seager nun eine Mission, um ein unbemanntes Raumschiff zur Venus zu schicken. Auch in der dortigen Atmosphäre haben die Forscher bereits ein schwaches Signal einer möglichen Biosignatur wahrgenommen. Seager und ihr Team vermuten, dass in den Wolken der Venus Bakterien leben könnten – obwohl die Wolken aus giftiger Schwefelsäure bestehen. Nun sollen detailliertere Untersuchungen vor Ort zeigen, ob es sich um falschen Alarm handelt.
Das Ergebnis dieser Forschung könnte auch die Suche nach Leben ausserhalb des Sonnensystems beeinflussen. Denn wenn unter den scheinbar lebensfeindlichen Bedingungen auf der Venus Bakterien existieren, kommen noch viel mehr Exoplaneten als Kandidaten für ausserirdisches Leben infrage. Womöglich wäre es auch ein Anzeichen dafür, dass Leben im Universum weitaus häufiger vorkommt als bisher gedacht.
Eine Mikrobe auf der Venus zu finden, klingt zwar weniger spektakulär als die Begegnungen mit Aliens in den meisten Science-Fiction-Filmen. Doch ein Nachweis dafür, dass Leben nicht auf die Erde beschränkt ist, würde unser Weltbild revolutionieren.
Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»
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