Sterbeurkunde: Chaos in Standesämtern verzögert Bestattungen

Es klingt ziemlich gruselig: Wer heute stirbt, ist amtlich noch lange nicht tot. In manchen Kommunen müssen Angehörige wochenlang auf die Sterbeurkunde ihres Verstorbenen warten. Zuständig für die Ausstellung des Dokuments sind die Standesämter – und die klagen zurzeit über Personalsorgen und aufwendige Verfahren.
Das Chaos in den Standesämtern macht sich unter anderem im Krematorium Meißen bemerkbar. Dort stapeln sich im Moment die Särge, weil ohne Sterbeurkunden keine Einäscherungen stattfinden können. Wie die Sächsische Zeitung schreibt, liege das an der Digitalisierung. Denn seit einiger Zeit gibt es die elektronische Sammelakte und bald soll die digitale Sterbeurkunde hinzukommen. Für die Verwaltungen bedeutet das, dass sie hybrid arbeiten müssen, also mit Papier und Computer. Somit dauert alles länger.
Besonders zeitraubend sei die elektronische Sammelakte, bei der in Papierform vorliegende Dokumente gescannt und gespeichert werden müssen, sagt Jörg Schaldach, Chef des Krematoriums Meißen. Dauerte die Bearbeitung eines Falls früher 20 Minuten, seien es heute 40. Und dann seien die Daten oft auch noch unvollständig.

Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Warten auf die Sterbeurkunde – vor allem in den Großstädten sind drei bis vier Wochen keine Ausnahme. „In manchen Berliner Bürgerbüros ist man gar nicht mehr in der Lage, die ganzen Anträge vernünftig abzuarbeiten“, sagt Hans-Joachim Möller, Geschäftsführer vom Verband unabhängiger Bestatter. „Im Ausnahmefall kann das schon mal drei Monate dauern.“
Möller sieht in den unterschiedlichen Bearbeitungsverfahren in den Kommunen einen Hauptgrund für die Verzögerungen. „Wir brauchen eine sichere digitale Lösung, die das Arbeiten erleichtert und kompatibel macht“, fordert er. „Der unkomplizierte Austausch von Dokumenten wäre eine riesige Erleichterung. Allerdings ist die Umstellung auf die digitale Ausstattung häufig ein finanzielles Problem der Kommunen.“
Auch Christian Jäger, Geschäftsführer des Bestatterverbandes und der Bestatterinnung Nordrhein-Westfalen, ärgert sich über das komplizierte Verfahren: „Es ist im 21. Jahrhundert nicht mehr nachvollziehbar, dass es eine elektronische Krankenakte, elektronische Krankschreibungen, eine elektronische Lohnsteuererklärung gibt und viele weitere Aspekte des menschlichen Lebens mittlerweile in digitaler Form ermöglicht werden, beim Tod eines Menschen aber der Weg nicht umständlicher sein kann.“
„Hier muss ein mehrseitiger Formularsatz durch den Arzt handschriftlich ausgefüllt und vor Ort gestempelt werden, nur um dann durch den Bestatter zu einem Standesamt gebracht zu werden, wo dann Teile des Formularsatzes analog an das Gesundheitsamt weitergeleitet werden, damit danach beide Ämter diese Daten unabhängig voneinander wiederum in ein digitales System einpflegen“, beschreibt Jäger. „Durch das Standesamt wird schließlich eine Sterbeurkunde auf Papier ausgefertigt, die dann bei Krematorium und Friedhofsverwaltung vorgelegt werden muss.“

Umgebung, Atmosphäre, Finanzierung: Eine gute Pflegeeinrichtung zu finden, ist für Angehörige nicht immer leicht. Worauf man achten und welche Fragen man stellen sollte.
Der Personalmangel in den Standesämtern verschärft die Situation zusätzlich. „Jeder Sterbefall ist auch ein Verwaltungsakt – und wenn die Leute fehlen, wächst die Wartezeit“, erklärt Möller. „Nicht zuletzt ist die Sterberate in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen – auch das trägt zu den Engpässen bei.“ Man rechne in den kommenden Jahren mit 1,2 Millionen Todesfällen pro Jahr in Deutschland. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 waren es rund 868.000 Tote.
All das wirkt sich auf die Bestattungen aus. „Um die Beisetzungsfristen vor allem für die Erdbestattung überhaupt einhalten zu können – sie beträgt je nach Bundesland vier bis zehn Tage – geben die Standesämter immer häufiger sogenannte Rückstellungen aus“, sagt Möller. „Damit ist dokumentiert, dass die Anzeige des Todesfalles bereits bei der zuständigen Behörde eingereicht wurde. Die Beurkundung wird dann nachgeholt.“
Mithilfe der Rückstellung hätten die Angehörigen zwar einen Schein in der Hand, der die Bestattung möglich macht, nicht aber bei den anderen Formalitäten hilft. Ohne Sterbeurkunde gewähren Banken keinen Zugang zu Konten, eröffnen Amtsgerichte kein Testament, entlassen Vereine kein Mitglied.
Auch wer bei der Rentenversicherung eine Übergangsrente beantragen will, braucht das Dokument – ansonsten lehnt die Rentenstelle diese Zahlung ab. „Gezahlt wird dieser Vorschuss, wenn er innerhalb von 30 Tagen nach dem Tod des Rentners beim Renten-Service der Deutschen Post beantragt wird“, heißt es auf der Website der Deutschen Rentenversicherung. Ansonsten werde das Geld später mit der noch zu berechnenden Hinterbliebenenrente nachgezahlt. Es dauert also länger.
Übrigens: Mindestens genauso wichtig ist der Totenschein, den in der Regel ein Arzt ausstellt. Er muss spätestens am dritten Werktag nach dem Ableben beim Standesamt vorliegen, das dann auf Antrag die Sterbeurkunde ausstellt. Die zuständige Behörde ist das Standesamt des Sterbeortes, nicht das des Wohnortes.
Um die Anzeige des Sterbefalls kümmern sich oft die Bestattungsunternehmen. Man kann den Antrag aber auch selbst stellen – bei vielen Standesämtern funktioniert das zumindest schon online. Antragsberechtigt sind außerdem der Ehepartner beziehungsweise die Ehepartnerin und alle, die mit der verstorbenen Person in gerader Linie verwandt waren, also Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern, Enkel.
rnd