Trumps KI: Macht, Biosicherheit und Nullregulierung

Die Bedeutung des gerade vom Weißen Haus veröffentlichten Dokuments zur amerikanischen KI-Strategie liegt im Titel: „Das Rennen gewinnen“.
Offen gesagt geht die Trump-Administration über die KI-Dekrete der Biden-Präsidentschaft vom 14. Januar 2025 hinaus, die später von der aktuellen Regierung wieder aufgehoben wurde. Diese hatte lediglich von einer „wachsenden Führungsrolle der USA in der KI-Infrastruktur“ gesprochen und Ziele und Instrumente zur Erzielung von „Siegen“ klar definiert.
Die Autonomie der ProduktionsketteOffensichtlich im Bewusstsein der Chipkrise, der Seltenerdmetallkrise und des wiedererwachten Bewusstseins für die Herausforderungen langer Lieferketten konzentrieren sich die US-Politiker vor allem auf die Schaffung einer „kurzen“ Produktionskette, lokaler Arbeitskräfte und Forschung, die ausländische Talente anzieht. Dies unterscheidet sich daher nicht von dem, was bereits in anderen Industriezweigen etabliert wurde, nämlich den Import ausländischer Produktion und Expertise in die USA zu forcieren.
Datensouveränität und die Rolle der WissenschaftÄhnlich wie die chinesische Regierung vor einigen Jahren legt auch die USA besonderen Wert auf Datensätze, insbesondere solche, die für die wissenschaftliche Forschung bestimmt sind.
In diesem Sinne ist die instrumentelle Funktion der KI klar, deren Entwicklung kein Selbstzweck ist, sondern auch (und vor allem) der Unterstützung anderer für die US-Regierung wichtiger Sektoren dient, von der wissenschaftlichen Forschung über staatliche Verwaltungsmaßnahmen bis hin zur Verteidigung.
Die Verschmelzung von KI, genetischer Manipulation und BiosicherheitFast geistesabwesend verweist das Dokument ausdrücklich auf die Bedeutung der Stärkung der Biosicherheitsforschung. Dies könnte – wie es im Dokument heißt – bedeuten, KI in den Dienst der Genetik zu stellen, um Krankheiten zu heilen, aber auch – so lässt sich folgern – KI zur Entwicklung von Gegenmaßnahmen gegen biologische Kampfstoffe einzusetzen, also die Büchse der Pandora für Biowaffen wieder zu öffnen. Man kann in dieser Entscheidung unweigerlich ein Echo der Fragen nach den Ursachen der Pandemie erkennen.
Marktschutz und WissenskontrolleIm Anschluss an eine recht konsolidierte Technologiepolitik, insbesondere im Waffensektor, stellt das Dokument einerseits unmissverständlich fest, dass US-Technologien nicht wahllos verfügbar gemacht werden dürfen (tatsächlich müssen sie sogar vor inländischer Industriespionage gewissenhaft geschützt werden), und stärkt andererseits die Allianz mit den großen Technologiekonzernen, die ihre Rolle als strategische Partner der Regierung ausbauen.
Regulatorische VereinfachungDie treibende Kraft hinter der Strategie der Trump-Regierung ist eine klare Regulierungshaltung: wenige, leicht anwendbare Regeln.
Im Gegensatz zum Ansatz der EU mit der KI-Verordnung und ihren Durchführungsrechtsakten, wie etwa den Leitlinien zum Umfang der Verpflichtungen für allgemeine KI-Modelle , sind sich die USA der Notwendigkeit bewusst, hinsichtlich der Rolle von KI-Unternehmen eine Entscheidung zu treffen: Sie geben der Fähigkeit, immer effizientere Werkzeuge zu entwickeln, ohne die Last unnötiger regulatorischer Hürden auf sich zu nehmen, den Vorrang.
„KI ist zu wichtig“, heißt es in dem Dokument, „um sich schon in diesen frühen Phasen in der Bürokratie der Bundesstaaten oder des Bundes zu verzetteln. Die Bundesregierung darf nicht zulassen, dass öffentliche Gelder an Bundesstaaten umgeleitet werden, die Gesetze verabschieden, die hohe Belastungen mit sich bringen, ohne dabei das Recht der Bundesstaaten zu beeinträchtigen, umsichtige Gesetze zu verabschieden, die Innovationen nicht unnötig einschränken.“
Vergleich mit der EUEs mag ein Zufall sein, dass die neue KI-Strategie der USA im Zusammenhang mit den Zollverhandlungen veröffentlicht wurde, doch ist dieses Dokument mit Sicherheit auch in den laufenden diplomatischen Verhandlungen eine Rolle spielen.
Tatsächlich besteht nach der DSGVO auch bei der KI-Verordnung die Gefahr, dass es zu Konflikten kommt, da sie aus US-amerikanischer Sicht die Verbreitung amerikanischer Technologien verhindert oder stark einschränkt.
Diese Beschränkungen sind nicht nur im Hinblick auf den Handel oder die Aufrechterhaltung der technologischen Kontrolle über die Mitgliedsstaaten relevant, sondern wirken sich auch auf die allgemeine Strategie zur Abwehr chinesischer Technologien aus.
Die EU hat in mehreren Fragen, darunter auch in Bezug auf KI und die Technologien, die diese ermöglichen, noch keine klare Haltung gegenüber Peking eingenommen. Daher ist es nicht abwegig anzunehmen, dass die USA auch in diesem Bereich ein Ultimatum an Brüssel stellen könnten, dessen oft beschworene „Bazooka“ – der „Angriff“ auf die großen Technologiekonzerne – offenbar immer seltener zum Einsatz kommt.
SchlussfolgerungenDie Entscheidung der US-Regierung ist klar: Einerseits drängt sie auf eine schnelle Deregulierung und Militarisierung der Innovation, andererseits drängt sie jegliche Berücksichtigung von Rechten in den Hintergrund. Geopolitisch gesehen ist die neue amerikanische Strategie für künstliche Intelligenz daher nicht nur ein gigantischer Industrieplan, sondern vor allem ein Machtkampf, um die Vereinigten Staaten wieder in den Mittelpunkt einer neuen Wissensgeographie zu rücken.
Wenn die Europäische Union angesichts dieser Haltung wirklich über digitale Souveränität sprechen will, ist es an der Zeit, die bürokratische und dirigistische Regulierungsphase hinter sich zu lassen und eine KI-Industriestrategie zu entwickeln, die in ihren Ambitionen mit der amerikanischen vergleichbar ist. Andernfalls werden Regulierungen lediglich die Verbreitung anderer Technologien verlangsamen, nicht aber neue Technologien in Europa hervorbringen.
La Repubblica