Nach dem Treffen der Spitzenpolitiker: Die Koalition besteht weiter. Doch Szymon Hołownia gilt als Verräter
Steht die Regierung vor einer Revolution? Einer der wichtigsten Politiker von Polen 2050, Michał Kobosko, betonte am Freitagmorgen in einem Interview mit „Rzeczpospolita“, der Regierungseintritt der beiden verbleibenden Parteichefs Szymon Hołownia und Włodzimierz Czarzasty wäre das beste Signal für einen „Neuanfang“. Das wenige Stunden später stattfindende Treffen der Parteichefs änderte jedoch nichts an der grundsätzlichen Lage. Für Hołownia ist eine solche Variante nur unter der Bedingung möglich, dass auch Włodzimierz Czarzasty der Regierung beitritt. Dies würde jedoch bedeuten, dass Czarzasty ab November nicht mehr Sejmmarschall sein wird, wie es der aktuelle Koalitionsvertrag vorsieht.
Nach Recherchen der „Rzeczpospolita“ gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Czarzasty dem zustimmen würde. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs verlief jedoch fruchtbar. Donald Tusk sollte Vorschläge für Regierungsänderungen auf den Tisch legen. Das wichtigste Fazit der Gespräche am Freitag ist, dass die Koalition vom 15. Oktober weiterhin besteht und höchstwahrscheinlich einen Umbau durchführen wird – nicht so radikal wie der Beitritt aller Staats- und Regierungschefs und wahrscheinlich auch nicht so tiefgreifend wie viele erwartet hatten. Es wird jedoch ein Wandel sein, der zumindest theoretisch die Chance auf einen Neuanfang bietet, den die Regierung und alle Koalitionspartner dringend benötigen. Die einzige Alternative sind grundsätzlich vorgezogene Neuwahlen.
Szymon Hołownia bei Adam Bielan. Er ist erneut ein „Verräter“ an der harten Wählerschaft der PO. Donald Tusk ist aus dem Fadenkreuz verschwunden.Hintergrund des rund vierstündigen Treffens, das der bereits erwähnten Regierungsumbildung gewidmet war, waren die sensationellen Informationen von Radio ZET und „Newsweek“, wonach in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ein Treffen im Haus des Europaabgeordneten Adam Bielan stattgefunden habe, an dem auch Sejm-Sprecher Szymon Hołownia teilnahm. Hołownia selbst erklärte in einer nach den Gesprächen veröffentlichten Erklärung, er treffe sich regelmäßig mit Oppositionspolitikern. Wie er im selben Beitrag berichtete, sei das Treffen selbst „sehr gut“ verlaufen.
Der Hintergrund dieser Geschichte ist, dass Premierminister Donald Tusk, nachdem er seine Meinung zum angeblichen Wahlbetrug bei der Wahl vom 1. Juni geändert hatte, von den härtesten Online-Wählern der Bürgerplattform heftig kritisiert wurde. Bei seinen glühendsten Anhängern herrschte ein Gefühl der Enttäuschung, ja sogar des Verrats über die Leistung des Premierministers.
Das ist gefährlich für den PO-Chef. Und so etwas ist seit Donald Tusks Rückkehr in die polnische Politik noch nie in diesem Ausmaß geschehen. Am Freitag jedoch normalisierte sich die Lage wieder: Der „Verräter“ der PO-Kernwählerschaft im Internet heißt wieder Hołownia, und seine Vertreter beeilten sich, ihre Unterstützung für Premierminister Tusk zu bekunden. Auch einige Politiker der KO selbst und der Linken schlossen sich der Kritik an.
Regierungsumbau: Koalitionspartner sitzen aneinander festBemerkenswert ist, dass eine CBOS-Umfrage diese Woche ein Rekordtief für die Regierung in dieser Amtszeit ergab: 47 Prozent der Wähler sind Gegner, 32 Prozent sind Befürworter. Diesen Wert erreichte beispielsweise die PiS-Regierung erst am Ende ihrer zweiten Amtszeit. Die Führung der aktuellen Koalition hat daher keinen Handlungsspielraum.
Auch Premierminister Donald Tusk selbst ist äußerst unbeliebt. Der Wiederaufbau – auch wenn er nicht zu radikal oder tiefgreifend ist – muss gelingen, damit die Regierung im Herbst überhaupt eine Chance auf einen Neuanfang hat. Derzeit gibt es im Sejm keine alternative Mehrheit. Es ist schwer vorstellbar, dass die KO beispielsweise beschließen würde, Polen 2050 aus der Koalition zu werfen und sich selbst zu einer Minderheitsregierung zu verdammen. Dies wäre ein weiterer Schritt in Richtung einer weiteren Abdrift und würde Neuwahlen beschleunigen.
Die Koalitionsführer sind daher sich selbst zum Verhängnis: sowohl bei den Verhandlungen über den Wiederaufbau und die Personalsituation als auch bei der effektiven Umsetzung dieser Veränderungen. Je mehr die Internet-Emotionen der Radikalen in dieser Koalition geschürt werden, desto geringer sind die Überlebenschancen aller ihrer Mitglieder. Und zwar unabhängig davon, wer wen gesehen hat und wann – Tag oder Nacht. Daher lautet die wichtigste Schlussfolgerung nach dem Treffen der Koalitionsführer: Sie existiert noch. Oder: Sie existiert noch.
RP