Wie Algorithmen lügen

Es sind nicht mehr Spione oder Pamphlete, die wir im Wahlkampf fürchten müssen. Likes , Klicks und 30-Sekunden-Videos genügen. Durch unvorsichtiges Scrollen kann eine Wahl manipuliert, Meinungen geprägt und die Gesellschaft gespalten werden. Politische Manipulation durch Algorithmen ist weder Fiktion noch Zukunftsforschung: Sie ist die digitale Gegenwart der Demokratie.
Die Algorithmen, die soziale Medien und Content-Plattformen steuern, wurden entwickelt, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln, unsere Verweildauer dort zu verlängern und unsere Wünsche zu antizipieren. Das Problem? Was unsere Aufmerksamkeit fesselt, informiert uns nicht immer am besten. Im Gegenteil: Je emotionaler, polarisierender und provokanter der Inhalt, desto größer seine Reichweite. Der Algorithmus lernt von uns, prägt uns aber auch. Und wenn dieser Kreislauf von externen Interessen manipuliert wird, wird er zu einer Waffe der Einflussnahme.
Dies haben wir bei der russischen Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen, das Brexit-Referendum und mehrere Europawahlen erlebt. Gefälschte Profile, Bots, professionalisierte Desinformationskampagnen und digitale Strategien, die darauf abzielen, zu spalten, Misstrauen zu erzeugen und den öffentlichen Diskurs zu untergraben. Was noch schlimmer ist: Die meisten dieser Kampagnen wären ohne die stillschweigende Mitwirkung von Algorithmen wirkungslos, die das verstärken, was schockiert, was aufwühlt und was lügt.
Die Wahrheit ist: Algorithmen sind nicht neutral. Sie folgen einer wirtschaftlichen Logik, haben definierte Prioritäten und Ziele. Und wenn ihnen Mechanismen für Transparenz, Rechenschaftspflicht oder externe Kontrolle fehlen, werden sie zu Blackboxen mit realer Macht über Meinungen, Verhalten und politische Entscheidungen. Wer den Algorithmus kontrolliert, kontrolliert teilweise auch die Öffentlichkeit.
China ist ein Paradebeispiel: Plattformen wie TikTok folgen einer Logik der Zensur und der Verbreitung von Inhalten im Sinne der Regimeinteressen. Die Gefahr besteht nicht nur für chinesische Nutzer, sondern für alle, die diese Plattformen als primäre Informationsquelle nutzen. Dasselbe gilt für Videos, die den Krieg in der Ukraine leugnen, für Geschichtsrevisionismus durch Fake-Accounts oder für Hassreden radikaler Teile der Netzwerke.
Portugal ist nicht immun. Die digitale Kompetenz ist nach wie vor gering, die Abhängigkeit von sozialen Medien hoch und eine Kontrolle der Plattformen findet praktisch nicht statt. Wir haben bereits Desinformationen über Impfstoffe, Einwanderung, Krieg und nationale Politik erlebt. Auch externe Einmischung durch informationelle Destabilisierung stellt eine echte Gefahr für die portugiesische Gesellschaft dar.
Europa reagiert. Mit dem Digital Services Act setzt sich ein System für mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht für Plattformen durch. Der KI-Act könnte diese Reaktion ergänzen, indem er generative künstliche Intelligenz einschränkt und Verifizierungssysteme vorschreibt.
Wenn Algorithmen unser Sehen prägen, kann nur Bildung unser Denken prägen. Die Reaktion kann nicht nur legislativer Natur sein – sie muss auch pädagogischer Natur sein. Ohne digitale Kompetenz werden wir immer leichte Beute auf einem unsichtbaren Schachbrett sein.
Dies ist auch die neue Form hybrider Kriegsführung: konstant und unsichtbar. Es geht nicht nur um den Schutz von Daten. Es geht um den Schutz der Demokratie. In einer Welt, in der Algorithmen lügen, ist die Verteidigung der Wahrheit eine politische Entscheidung. Und eine kollektive Pflicht.
observador