Ich war zum ersten Mal auf der Art Basel – das spielt sich auf der Kunstmesse ab
Art Basel in Basel: Das habe ich bei meinem ersten Besuch auf der Kunstmesse erlebt.
Katharina Grosse steht in einem strahlend weißen Zweiteiler inmitten ihres monumentalen Kunstwerks auf dem Basler Messeplatz und gibt eine Führung. Es ist Mittwochmorgen, kurz nach zehn Uhr und die Sonne reflektiert bei jetzt schon 24 Grad das magentafarbene Graffiti der deutschen Künstlerin. Die Farbschwaden, die sich über das Gelände erstrecken, verdecken die letzten drei Buchstaben des Art-Basel-Logos an der Fassade der Messehalle 2, hinter deren Mauern Kunst im Wert von vielen Millionen Euro ausgestellt wird.
Das Messeplatzprojekt ist wie das Aushängeschild, das auch Passant:innen zu sehen bekommen, die kein Ticket haben. Der Anblick ist ziemlich einmalig, denn nach den sieben Messetagen wird die Farbe restlos vom Asphalt entfernt. Eigentlich bin ich bereits late to the party, denn die wichtigsten Besucher:innen sind schon am Montag und Dienstag auf der Art – so wird die Messe gerne abgekürzt – unterwegs. Wie früh einem der Zugang gewährt wird, ist entscheidend. Das werde ich in den kommenden Tagen noch öfter hören. Geregelt werden die exklusiven Preview-Days durch ein gestaffeltes VIP-System, an dessen Spitze der sogenannte "First View Pass" steht. Der heutige Mittwoch ist der "Vernissage Day", bevor die Messe am Donnerstag ihre Tore für alle Besuchenden öffnet. Auch das "normale" Tagesticket hat übrigens einen stolzen Preis von umgerechnet ca. 73 Euro.
Harte Tür: Auf die Art Basel kommt nur, wer das richtige (VIP-)Ticket hat.
Vor dem Haupteingang herrscht am Mittwochmorgen geschäftiges Treiben. Alte und Junge sind unterwegs, Anzüge, Leinenhemden und Sommerkleider flattern im Wind, amerikanisches Englisch hallt über den Platz. Es wird telefoniert, Menschen haben einen Laptop auf dem Schoß oder einen Kaffeebecher in der Hand. Hinter dem Haupteingang der Messe gelangt man direkt in die Sektion "Unlimited", die vor allem großformatige Positionen versammelt, die in den Galerie-Booths keinen Platz finden. Die imposanten Arbeiten finden auch ihren Weg in die sozialen Medien, auf Instagram sehe ich "Unlimited"-Kunstwerke wie Martin Kippenbergers "METRO-Net" U-Bahn-Eingang immer wieder aufploppen.
Nachdem ich die Sicherheits- und Ticketkontrolle passiert habe und sich die gigantische Halle vor mir erhebt, muss ich dann doch kurz innehalten. Als Erstes springt mir Marinella Senatores festlicher Schriftzug "We Rise by Lifting Others" entgegen und ich finde, das ist ein gutes Motto für die Woche. Darüber hängen stählerne Rauschgoldengel von Thomas Schütte. Ich komme mit einer jungen Künstlerin aus New York ins Gespräch, die wie ich über die Messe schreibt, und mit einer 87-jährigen Zürcherin, die noch immer jeden Tag malt. Die Art Basel scheint für alle ein Pflichttermin zu sein.
Um den Claraplatz tummeln sich mehrere Positionen des "Parcours" – zum Beispiel im Gebäude der UBS.
Beim Verlassen der Halle kommt mir ein junger Mann entgegen, der nur mit einem silbernen Slip bekleidet ist. Erst später lese ich, dass er zu Félix González-Torres' Performance-Arbeit "Untitled" (Go-Go Dancing Platform) gehört. Preispunkt bei der Galerie Hauser & Wirth: 16 Millionen Euro. Draußen ist es nun noch heißer und meine Augen müssen sich an das grelle Sonnenlicht gewöhnen, bevor ich mich in Richtung Halle 2 bewege. Hier befinden sich die Galerien und weitere Sektoren wie die Statements und Premiere, durch deren verwinkelte Schauflächen täglich mehrere tausend Menschen wuseln.
Wie im Auge eines Sturms befindet sich in der Mitte ein Rundhof mit frischer Luft, Champagnerbar und kleinen Essensgelegenheiten. Unter hochgewachsenen Bäumen sitzt man selbst bei 30 Grad angenehm, eine Flasche Wasser gibt es hier für sechs Franken. Schon aufgrund der Architektur ist das hier ein Ort für Begegnungen – ob flüchtiger Natur oder für ganz große Deals. Ein Gesprächsfetzen, der sich hier immer wiederholt, lautet: "Warst du schon bei XY?" Auch ich entdecke in der Menge bekannte Gesichter, führe eine ähnliche Unterhaltung und genehmige mir ein Glas Champagner. Ich muss heute schließlich nichts verkaufen. Die ersten Tage der Messe sind die wichtigsten und bereits rum. In diesem Jahr, so erzählt mir eine Kölner Galeristin, läuft es so lala. Käufer:innen aus den USA bleiben fern, auch aus Asien kommen weniger Besucher:innen als sonst. Eine gewisse Anspannung liegt in der Luft, immerhin gehen die Galerien mit der Messe ein finanzielles Risiko ein.
Die eigentliche Messe ist nur die Spitze des Eisbergs. Drumherum gibt es sieben Satellit-Messen und Dutzende Veranstaltungen in und um Basel. Die "Liste", ehemals "The Young Art Fair", gibt es seit 1996 und präsentiert junge Positionen von aufstrebenden Galerien. Für alle, die neu im Kunst-Business sind, können gerade diese Formate abseits der großen Messe interessant sein, da sie leichter zugänglich sind und die Tickets erschwinglicher.
Hier gehts zur "Liste": Die junge Kunstmesse feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen.
Schon nach Tag eins lautet meine Bilanz: Ich habe neben Katharina Grosse gefrühstückt und stand in der Fondation Beyeler hinter Yayoi Kusama in der Einlassschlange. Auch hier war ich zum ersten Mal und da ich zu spät zu einem Artist-Talk kam, hatte ich die permanente Sammlung und die neue Ausstellung der lettischen Künstlerin Vija Celmins fast ganz für mich alleine. Ein magischer Moment, mit dem ich nicht gerechnet hatte.
Wo feiert die Kunstwelt?Das wohl exklusivste Hotel Basels ist das "Les Trois Rois" direkt am Rheinufer. Auf der großen Terrasse und unten am Kai stehen rauchende Menschen in Cocktailkleidern. Auch der "Basel Social Club", der in diesem Jahr in der Ritterstraße Station macht, soll spätabends eine gute Adresse sein. Hier werde ich es nicht hinschaffen, da ich mich an meinem letzten Abend für die Party dreier junger Galerien entscheide, die am Rheinufer im Hinterhof eines architektonisch beeindruckenden Mehrfamilienhauses stattfindet. Ohne Champagnerflöten, dafür mit Bier und Wein aus Eiskübeln. Danach geht es in eine Tanzbar in Kleinbasel, an deren Tresen ich viele Gesichter, die mir über die letzten Tage begegnet sind, wiedererkenne.
Am Mittwochabend findet die Summer Night auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein statt. Zahllose Gäst:innen versammeln sich auf dem weitläufigen Gelände um die ikonische Tankstelle von Jean Prouvé, wir beobachten den Sonnenuntergang von einer Anhöhe und blicken über die Gartenanlage des Landschaftsarchitekten Piet Oudolf – ein weiterer Punkt, den ich von meiner Bucket-Liste streichen kann. Von einer großen Bühne tanzt die Kunst- (und Design-)Meute zu mehreren DJ-Sets in die laue Sommernacht.
Die Messe Basel befindet sich mitten in der Stadt. Von außen beeindruckt die neue Messehalle von Herzog & de Meuron.
An Tag zwei wird es voll. Es ist der erste offene Publikumstag. Ich sehe mir zwei weitere Nebenschauplätze – die Photo Basel und die Africa Basel – an und besuche am Abend den Empfang der Art Basel Awards im Kunstmuseum, ein Format, das in diesem Jahr zum ersten Mal stattfindet und visionäre Köpfe der Kunstwelt ehren will. Auf der Bühne spricht unter anderem der Art-Basel-CEO Noah Horowitz, im Publikum sind viele hochkarätige Akteure – wie etwa die Basler Messedirektorin Maike Cruse, die Berliner Sammlerin Karen Boros oder Hans Ulrich Obrist, der künstlerische Direktor der Serpentine Gallery in London. Die Veranstaltung zeigt, dass die Art Basel nur noch wenig mit der kleinen Messe zu tun hat, die vor 55 Jahren von Schweizer Galerist:innen ins Leben gerufen wurde, sondern als internationaler Konzern agiert, der neben Editionen in Paris, Miami und Hongkong vor wenigen Wochen eine neue Messe in Katar angekündigt hat.
Nur einmal gerate ich am Messehaupteingang in eine Gegendemonstration. Eine kleine Gruppe an Aktivist:innen tanzen mit Masken zu Lady Gagas Bad Romance und wirbeln Papiergeld durch die Luft. Ansonsten nehme ich überraschend wenig Gegenwind in der Stadt wahr, obwohl die soziale Ungerechtigkeit wohl auch in der Schweiz ein Thema sein dürfte. Nachdenklich stimmt mich, dass einige meiner Bekannten für die Messewoche Wohnungen von Einheimischen mieten, die ihr Zuhause vorübergehend verlassen, um die lukrativen Einnahmen mitzunehmen – eine gängige Praxis, die ich vom Münchner Oktoberfest kenne.
Was in Erinnerung bleiben wirdEs ist eine echte Herausforderung, den Überblick über alle Veranstaltungen der Art Basel zu behalten und latente FOMO ist mein ständiger Begleiter. An Tag drei überwältigt mich dann endgültig die Masse an Eindrücken und ich merke, dass ich kaum noch etwas aufnehmen kann. Ich entscheide mich dazu, die Messe Messe sein zu lassen und mit einer Freundin in den Rhein zu springen. Es hat mittlerweile über 30 Grad. Wir lassen uns wie die Basler:innen einen guten Kilometer flussabwärts treiben, die Kleidung in einem wasserdichten Sack verstaut. In Berlin lebend kann ich mein Glück der innerstädtischen Abkühlung kaum fassen.
Und: Überrascht hat mich auch, dass man auf der Art Basel auch als "Normalsterbliche" so schnell ins Gespräch kommt – mit Künstler:innen, Händler:innen oder Kurator:innen. Auch wenn die Mitarbeitenden der Galerien einen geschulten Blick haben und im Zweifel schnell erkennen, ob ernsthaftes Interesse an einer Marmorskulptur für 800.000 Euro vorliegt, kann man sich austauschen, Kontakte knüpfen oder einfach einen netten Plausch mitnehmen. Die kurzen Begegnungen und kleinen Entdeckungen werde ich freudig in Erinnerung behalten. Zur Stimmung trägt ebenfalls bei, dass man in Basel fast alles erlaufen kann. In drei Tagen lege ich insgesamt 60.000 Schritte zurück und bin sehr erleichtert, dass ich gar nicht erst daran gedacht habe, mich für unbequeme Schuhe zu entscheiden.
Geschäftiges Treiben: Viele Messebesucher:innen sind zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit der Tram unterwegs.
War ebenfalls zum ersten Mal auf der Art Basel in Basel: die Influencerin und Modejournalistin Brenda Hashtag.
Kunst für alle: Der "Parcours" erstreckt sich über die Innenstadt von Basel. Auf der Mittleren Brücke flattert eine Arbeit der US-amerikanischen Künstlerin Finnegan Shannon durch die Luft (Galerie Deborah Schamoni).
Vor dem Betreten der "Unlimited" führt der Weg in den Art Basel Shop.
Die Künstlerin Rosie Ding ist zur Art Basel von New York in die Schweiz gereist.
Die Liste ist mit rund 100 Galerien aus 32 Ländern die etablierteste Newcomer-Veranstaltung im Rahmen der Art Basel.
Die 87-jährige Künstlerin Margrit Fischer-Hotz ist aus Zürich zur Art Basel angereist.
Die Messekoje der N/A Galerie aus Seoul.
Kleine Pause vom Messemarathon: Ich bin nicht die einzige Besucherin, die Abkühlung im Rhein sucht.
vogue