Extreme Rechte | AfD-Stiftung hofft 2026 auf Millionenförderung
Parteien haben in Deutschland ihre Stiftungen. Die Linke hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die CDU die Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Stiftungen dienen der politischen Bildung und der Schärfung des inhaltlichen Profils der jeweiligen Partei, helfen bei der internationalen Vernetzung und der Förderung des Parteinachwuchses. Dafür bekommen die Stiftungen viel Geld. 562 Millionen Euro standen dafür im Haushaltsplan des vergangenen Jahres. Geld, von dem in Zukunft auch die AfD ihren Teil abbekommen möchte.
Seit 2018 hat die AfD eine parteinahe Stiftung. Die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), benannt nach Erasmus von Rotterdam und nicht zu verwechseln mit dem Erasmus-Austauschprogramm für Studierende in ganz Europa. Geleitet wird die DES von Erika Steinbach. Steinbach saß lange für die CDU im Bundestag und war Funktionärin des Bundes der Vertriebenen. Als Vorsitzende der AfD-Stiftung kämpft Steinbach schon lange für ihre finanzielle Förderung. Mit einem gewissen Erfolg. 2023 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Chancengleichheit der AfD verletzt wurde, weil ihre Stiftung nicht gefördert wurde. Das höchste deutsche Gericht stellte gleichzeitig fest, dass es an einer gesetzlichen Regelung für die Förderung von parteinahen Stiftungen fehle. Bislang wurden die Mittel im Rahmen der jährlichen Haushaltsverhandlungen verteilt, ohne dass es dafür ein spezielles Gesetz gab. Ende 2023 verabschiedete der Bundestag daraufhin das neue Stiftungsfinanzierungsgesetz (StiftFinG).
Zwar bekommt die AfD-Stiftung rückwirkend kein Geld, das hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Frühjahr entschieden. Ab 2026 könnte sie aber gefördert werden. Jüngst beanspruchte die DES-Vorsitzende 18 Millionen Euro Förderung im kommenden Jahr. Denn die AfD erfüllt seit der Bundestagswahl das wichtigste Kriterium für eine Förderung der Stiftung, die im Gesetz festgeschrieben wurde: Sie ist dreimal in Folge in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen. Andere Bedingungen sind etwa, dass die Stiftungen »für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv« eintreten und keine verfassungsfeindliche »Prägung« ihrer »politischen Grundströmung« vorliegt. Und genau wegen dieser Punkte gibt es Zweifel daran, ob die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung wirklich förderungswürdig ist.
Georg Gläser kann viele Gründe dafür aufzählen. Der Politikwissenschaftler forscht an der Universität Köln zur politischen Bildung und der extremen Rechten. »nd« trifft Gläser am Rand eines Vortrags in Wuppertal, wo Studierende nach zahlreichen rechten Vorfällen versuchen, auf rechte Einflussnahmen auf dem Campus aufmerksam zu machen. Georg Gläser ist sich sicher: »Die Desiderius-Erasmus-Stiftung kann ein wichtiger Player für eine rechte Zivilgesellschaft werden und eine Scharnierfunktion einnehmen.« In seinem Vortrag geht der Politikwissenschaftler auf die Geschichte und Struktur der DES ein, macht neben Erika Steinbach auf Karlheinz Weißmann aufmerksam. Der Historiker gehört zu den Vordenkern der Neuen Rechten in Deutschland, gründete zusammen mit Götz Kubitschek das »Institut für Staatspolitik« und ist heute Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-Stiftung. Auch andere Funktionäre der DES haben eine lange Biografie in der Neuen Rechten. Berührungsängste nach ganz rechts außen, wie sie Erika Steinbach nachgesagt wurden, scheint es auch nicht mehr zu geben. Jüngst gab es Berichte, dass Gernot Mörig eine Gartenparty bei Steinbach besuchte. Mörig gehörte zu den Organisatoren des Potsdamer »Geheimtreffens« und ist seit Jahrzehnten in der völkischen Rechten aktiv. Georg Gläser sieht in der DES einen Richtungsstreit zwischen extrem rechten und nationalkonservativen Akteuren, wie es ihn auch in der AfD gibt. In der AfD sind diese Streitigkeiten in aller Regel zugunsten der völkischen Rechten ausgegangen. Auch bei der DES spricht vieles dafür. Georg Gläser verweist etwa darauf, dass die Stiftung für ihre Bildungsarbeit und den Personalaufbau auf lokal verankerte Akteure der extremen Rechten angewiesen ist.
Der Politikwissenschaftler hat sich auch damit beschäftigt, wie die AfD-Stiftung bislang arbeitet. Einen Schwerpunkt hat er bei der Schulung von Parteimitgliedern ausgemacht, sei es in Rhetorikseminaren oder Veranstaltungen zu kommunaler Haushaltspolitik. Politische Bildungsveranstaltungen gibt es bislang seltener. Andere Tätigkeiten scheinen derzeit komplett brachzuliegen. Vom Magazin der Stiftung, »Faktum«, sind gerade einmal drei Ausgaben erschienen, die letzte im Jahr 2021. Auf dem Youtube-Kanal ist das aktuellste Video aus dem August 2024. Dort wettert Erika Steinbach gegen den Verfassungsschutz.
Trotzdem sei die DES potenziell ein politisches Schwergewicht, ist sich Georg Gläser sicher. Sollte sie finanziert werden, könnte sie einen »Staubsaugereffekt« haben, durch die Stiftung vergebene Stipendien könnten »für breite Spektren interessant sein«. Ein anderer nicht zu unterschätzender Aspekt: Die DES könnte die internationale Vernetzung der extremen Rechten enorm befeuern. Auslandsbüros, internationale Konferenzen, all das lässt sich mit Stiftungsgeldern finanzieren.
Die entscheidende Frage für den weiteren Strukturaufbau der DES bleibt, ob sie ab 2026 von der Stiftungsförderung profitiert. Georg Gläser sagt: »Wenn man den Wortlaut des Stiftungsfinanzierungsgesetzes ernst nimmt und bedenkt, dass der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem einstuft, dann müsste die Stiftung von der Finanzierung ausgeschlossen werden.« Ob es so kommt, bleibt abzuwarten. Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage des »nd« mit, dass am 2. April ein Antrag der DES auf Förderung eingegangen sei. »Über den Antrag der DES für das Haushaltsjahr 2026 wurde noch nicht entschieden«, heißt es weiter in der Antwort des Innenministeriums. Zu Details des Prüfverfahrens äußerte sich das Ministerium nicht.
Wer sich eingehender mit dem Themenfeld beschäftigen möchte, dem ist die Broschüre »Antidemokratie getarnt als politische Bildung« von der Heinrich-Böll-Stiftung zur weiteren Lektüre empfohlen. Sie kann hier heruntergeladen und bestellt werden.
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