Richard David Precht hält Angst vor Russland für unberechtigt: „Keine allzu große Gefahr“

In einem Interview hat sich der Philosoph Richard David Precht kritisch über Aufrüstung und die Wahrnehmung Russlands in Deutschland geäußert. In einem am Dienstag erschienenen Gespräch mit der taz sagte der 60-Jährige, die Angst vor dem Klimawandel sei durch die Angst vor Russland ersetzt worden. Es sei „irre“, dass „aufgeklärte Menschen im Jahr 2025 mehr Angst vor Russen haben als vor dem Klimatod“.
Er selbst habe sich nie vor den Russen gefürchtet, selbst wenn russische Atomraketen nur wenige Flugminuten von Berlin stationiert seien. Precht bedauert, dass es keine „ernsthaften diplomatischen Offensiven vonseiten Deutschlands“ gegeben hat, um den Ukrainekrieg zu beenden. Den Angriff Russlands auf die Ukraine nennt er eine „Reaktion“ auf die „expansive“ Strategie der Nato.
Die russische Armee habe sich im Ukrainekrieg als schwach erwiesen, sagte der Schriftsteller weiter. Dass Russland ein Nato-Land angreifen könnte, hält er für unwahrscheinlich. Schließlich wollte das Land nicht mit dem Dritten Weltkrieg zündeln. Neuere Nato-Staaten wie Finnland oder Schweden seien durch ihre Nato-Mitgliedschaft nun „safe“. Precht schlussfolgert: „Ich sehe, was Russland anbelangt, keine allzu große Gefahr.“
Auch die Rolle von Militärexperten, die sich auf Worst-Case-Szenarien vorbereiten, sieht Precht kritisch. Sie liefen Gefahr, pessimistische Prognosen für die Realität zu halten. In diesem Kontext spricht er von einer „Panik der Militärexperten“. Diese sei durch die Unsicherheit darüber begründet, ob Nato-Staaten im Ernstfall tatsächlich füreinander einstünden. Die „normative Kraft des Fiktiven“ der gegenseitigen Verteidigung sei brüchig geworden.
Berliner-zeitung