Tariftreue und Schwarzarbeit | Für etwas mehr Tarifbindung
Unternehmen in Deutschland sollen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge wahrscheinlich künftig Löhne in Tarifhöhe zahlen müssen. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf, den Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) und Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vorgelegt hatten. So würden »die Nachteile tarifgebundener Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und Konzessionen des Bundes beseitigt«, erklärte das Arbeitsministerium.
Mit dem Tariftreuegesetz werden die Unternehmen verpflichtet, im Rahmen der Auftragserfüllung auch weitere in branchenüblichen Tarifverträgen geregelte Arbeitsbedingungen einzuhalten – etwa bei Höchstarbeitszeiten und Pausen sowie Weihnachtsgeld und Urlauben.
»Gerade in Zeiten großer öffentlicher Investitionen ist das ein wichtiges Signal: Das Tariftreuegesetz sorgt für fairen Wettbewerb, schützt gute Arbeitsbedingungen und stärkt die Tarifbindung«, erklärte Bas. Die Vorschriften gelten allerdings erst ab einem Auftragsvolumen von 50 000 Euro. Das Gesetz soll nach der parlamentarischen Sommerpause im Bundestag beraten und noch 2025 verabschiedet werden. Der Bundesrat muss zustimmen.
Kritik kommt vor allem aus den Unternehmerverbänden. So klagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger, es handle sich um ein »Tarifzwangsgesetz« und dürfe so nicht kommen. »Mit echter Tariftreue hat das nichts zu tun, denn Treue setzt Freiwilligkeit voraus, nicht staatlichen Zwang«, so der Lobbyist.
Wie er monierte auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen angeblich mit dem Gesetz verbundenen erhöhten bürokratischen Aufwand. »Das Tariftreuegesetz geht in die völlig falsche Richtung, es konterkariert das gemeinsame Ziel der wirtschaftlichen Erholung«, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Bei den Milliardeninvestitionen in die Infrastruktur müsse die öffentliche Hand »kostengünstig« vorgehen. Das Gesetz verhindere einen effizienten Einsatz der Mittel.
Die IG Metall dagegen berüßte das Vorhaben und forderte eine Umsetzung ohne Schlupflöcher. Gewerkschaftschefin Christiane Benner erklärte: »Es ist gut und richtig, dass das Tariftreuegesetz kommt. Aber es muss konsequent sein. Das bedeutet, es darf keine Ausnahmen, Verzögerungen oder Schwellenwerte geben, die es Arbeitgebern möglich machen, sich dem Gesetz zu entziehen.« Angesichts der geplanten Milliardeninvestitionen des Bundes in die Infrastruktur sei es »nur anständig und sorgt zudem für einen fairen Wettbewerb, wenn es klare Regeln zur Bezahlung der Menschen gibt, die unsere Brücken instand setzen, unsere Schienen ausbauen, unsere Schulen und Kitas ausstatten, die Materialien dafür liefern«. Benner kritisierte zugleich, dass das Gesetz nicht für die Beschaffung der Bundeswehr gelten soll.
Der Ko-Fraktionschef der Linken im Bundestag, Sören Pellmann, begrüßte das Gesetz grundsätzlich ebenfalls: »Lohndumping darf nicht länger auch noch mit öffentlicher Auftragsvergabe belohnt werden.« Allerdings hätten die vorgesehenen Prüfstellen kaum Kontrollmöglichkeiten. Zudem bleibe durch die »viel zu hoch angesetzten Schwellenwerte« ein großer Teil der Auftragsvergabe vom Gesetz unberührt.
Ebenfalls am Mittwoch brachte das Kabinett das »Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung« aus dem Haus von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) auf den Weg. Davon erhofft man sich unter anderem »erhebliche Mehreinnahmen«. Laut einer Prognose geht es allerdings lediglich um rund zwei Milliarden Euro für Bund, Länder und Sozialversicherungen bis zum Jahr 2029. Klingbeil erklärte, er wolle Beschäftigte besser »vor Ausbeutung und widrigen Arbeitsbedingungen« schützen, um »fairere Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu schaffen, die sich an die Regeln halten«.
Vorgesehen ist eine bessere digitale Vernetzung und ein besserer Datenaustausch mit Polizei und Zoll. So soll die FKS in den polizeilichen Informationsverbund aufgenommen werden und dort illegal Beschäftigte und Kriminelle künftig selbst identifizieren können. Außerdem soll die FKS Betrugsfälle künftig selbstständig ahnden können.
Auch die personelle Ausstattung soll sich verbessern. Auf »nd«-Anfrage teilte BMF-Dietmar Zwengel, Pressesprecher des Finanzministeriums, mit, die FKS sei bereits jetzt »gut aufgestellt«, werde aber »weiter gestärkt«. Die Personalausstattung der FKS sei bereits auf 9500 Beschäftigte angewachsen und werde »bis 2029 auf rund 11 000 Beschäftigte weiter steigen«. Seit Monatsbeginn seien zudem »mit Zuführung von über 700 hochqualifizierten Nachwuchskräften in die FKS rund 93 Prozent aller Dienstposten besetzt«.
Die FKS soll nach Angaben von Klingbeil zudem den Fokus auf neue »Brennpunkte« der Schwarzarbeit legen, die der Minister insbesondere bei Barbershops sowie in Kosmetik- und Nagelstudios sieht. Dort seien häufig illegale Beschäftigung und »teilweise« ausbeuterische Arbeitsbedingungen anzutreffen. Diese Kleinunternehmen seien zudem vielfach in »Strukturen der Clankriminalität« eingebunden. Die Friseur- und Kosmetikbranche soll daher in den Katalog der von Schwarzarbeit besonders betroffenen Branchen aufgenommen werden. Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks unterstütze dies ausdrücklich.
Lob für das Vorhaben kam von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Ihr Chef Robert Feiger betonte, es sei gerade für die Baubranche »enorm wichtig«. Dort würden »mit hoher krimineller Energie ganze Konstrukte von Schein-Subunternehmen mit dem Ziel gegründet, illegale Beschäftigung zu verschleiern und legale Arbeit vorzutäuschen«. Zugleich kritisierte Feiger, dass der Agrarsektor weiter nicht in den Katalog der Risikobranchen für Schwarzarbeit aufgenommen wird. Dabei seien in der Landwirtschaft »illegale Machenschaften an der Tagesordnung«.
nd-aktuell