An keinem anderen deutschen Bahnhof gibt es so viele Waffendelikte wie an diesem Berliner Drehkreuz

Das Ostkreuz in Berlin ist längst mehr als ein Verkehrsknoten. Der Pendlerbahnhof ist zu einem der gefährlichsten Bahnhöfe des Landes geworden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 verzeichnete die Bundespolizei dort mehr Waffendelikte als an jedem anderen Bahnhof der Republik. Kaum zu glauben, aber wahr: Auf dem zweiten und dritten Platz folgen zwei weitere Berliner Bahnhöfe – der Alexanderplatz und der Hauptbahnhof. Die Hauptstadt liegt somit an der Spitze einer Liste, die niemand anführen möchte.
An diesen Bahnhöfen wurden insgesamt 87 Fälle registriert, in denen Waffen nicht nur mitgeführt, sondern tatsächlich eingesetzt oder deren Einsatz angedroht wurde. Zahlen und Erkenntnisse, die aus einer Kleinen Anfrage des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hess an die Bundesregierung hervorgehen. Alle Angaben basieren auf Daten der Polizeilichen Eingangsstatistik (PES) der Bundespolizei. Betrachtet wurde der Zeitraum Januar bis Juni 2025.
„Sicherheit im öffentlichen Verkehr ist ein Gradmesser für Stabilität“Berlin ist trauriger Spitzenreiter, wenn es um den Einsatz von Waffen in Bahnhöfen geht. Nirgendwo sonst wird häufiger gedroht, geschlagen oder geschossen. Der ehemalige Polizist Martin Hess, der seit Jahren vor einer sicherheitspolitischen Erosion warnt, sieht sich bestätigt. „Bahnhöfe und Züge entwickeln sich zunehmend zu Brennpunkten der Kriminalität“, sagt er der Berliner Zeitung.
Die Entwicklung sei kein Zufall, sondern das Resultat „jahrzehntelanger sicherheitspolitischer Versäumnisse“, gepaart mit dem, was er eine „verfehlte Migrations- und Integrationspolitik“ nennt. Während Bürger durch die sogenannte Mobilitätswende der Ampelkoalition „in Busse und Züge gezwungen“ würden, bleibe der Schutz an diesen Orten aus. „Das ist fahrlässig“, so Hess.
An den drei genannten Berliner Bahnhöfen ist der Einsatz von Waffen zum Teil Alltag geworden. Das umfasst laut Definition nicht nur Schusswaffen, sondern auch Hieb-, Stich- und Schreckschusswaffen, Reizgas und verbotene Gegenstände – nur eines nicht: Messerangriffe. Diese werden – und das ist entscheidend – gesondert unter „Gewaltdelikte mit Messereinsatz“ erfasst. Auch davon gab es im Berichtszeitraum bundesweit Dutzende: 68 Vorfälle in Zügen, 244 an Bahnhöfen.
Die Einrichtung von Waffenverbotszonen, wie es sie in Berlin bereits an vielen Orten gibt, hält Hess für wirkungslos und realitätsfern. Für ihn ist die Sicherheitslage im öffentlichen Raum kein Randthema, sondern ein Maßstab: „Die Sicherheit im öffentlichen Verkehr ist ein Gradmesser für die Stabilität unseres Rechtsstaats und dieser Rechtsstaat darf nicht länger versagen.“
Während immer mehr Straftaten registriert werden, stagniert die Aufklärungsquote. Die polizeiliche Kriminalstatistik für 2024, die im März dieses Jahres in Berlin vorgestellt wurde, zeigt: Im vergangenen Jahr wurden allein in Berlin rund 539.000 Straftaten registriert – ein erneuter Anstieg. Die Quote der aufgeklärten Fälle liegt bei 45,5 Prozent. Mit anderen Worten: Mehr als jede zweite Tat bleibt ungeklärt, somit ungesühnt.Auch jenseits der Waffendelikte ist die Kriminalität in und um Bahnhöfe alarmierend hoch – nicht nur in Berlin. Das zeigen weitere Zahlen, die im Zusammenhang mit der von Martin Hess gestellten Anfrage an die Bundesregierung veröffentlicht wurden.

Bundesweit wurden im ersten Halbjahr 2025 über 14.000 Gewaltdelikte an Bahnhöfen und in Zügen erfasst. Die Mehrheit der nicht deutschen Tatverdächtigen stammt aus Polen (585), gefolgt von Syrern (529) und Ukrainern (368). Die meisten Gewalttaten ereigneten sich in Leipzig, Dortmund und Köln. Eine Zahl sticht dabei besonders hervor – und bleibt zugleich unscharf: In 101 Fällen ist die Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen ungeklärt. Was bedeutet das konkret?
Eine Staatsangehörigkeit gilt als „ungeklärt“, sofern sie einer Person nicht zweifelsfrei zugeordnet werden kann, etwa wegen fehlender Dokumente. Nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung lebten im Jahr 2022 rund 29.500 staatenlose Personen und rund 97.000 Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit in Deutschland – doppelt so viele wie noch 2014. Derzeit ist nicht bekannt, wie viele Menschen in Berlin eine ungeklärte Staatsangehörigkeit haben. Der Anteil nicht deutscher Staatsangehöriger liegt in der Hauptstadt laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg bei 24,4 Prozent (Stand: 31.12.2023).
Eine ebenfalls dramatische Entwicklung: Binnen sechs Monaten wurden 35 Personen an Bahnhöfen ins Gleisbett gestoßen. In 15 Fällen sind die Täter unbekannt. 13 Tatverdächtige sind deutsche Staatsbürger, neun haben eine andere Staatsangehörigkeit.
Bei Sexualdelikten wiederum überwiegt der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger. Ein besonders hoher Anteil entfällt auf Täter, die gänzlich unbekannt sind, weil sie bislang nicht ermittelt werden konnten. Auch Einsatzkräfte geraten zunehmend ins Visier. Zwischen Januar und Mai 2025 wurden laut Bundesregierung 174 Bundespolizisten bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Bahnhöfen und Zügen verletzt, 27 von ihnen so schwer, dass sie nach der Auseinandersetzung dienstunfähig waren.
Die Mehrheit der Tatverdächtigen ist deutsch (81). Unter den nicht deutschen Verdächtigen (61) liegen türkische Staatsbürger (neun), Afghanen (sechs) und Polen (sechs) vorn. Noch häufiger trifft es das Personal der Deutschen Bahn: Im ersten Halbjahr registrierte die Bundespolizei 1336 Gewaltdelikte gegen Bahnmitarbeiter. Auf Fragen nach den Ursachen der Kriminalitätsverteilung nach Staatsangehörigkeit verweist die Bundesregierung auf ausstehende Bundeslagebilder. Weder zum Thema Organisierte Kriminalität noch zur Rolle der Zuwanderung im Kontext der Bahnhofsgewalt liegen veröffentlichte Bewertungen vor.
Berliner-zeitung