Friedensbewegung | »Rheinmetall-Entwaffnen«-Camp in Köln droht ein Verbot
Jahr für Jahr veranstaltet die Gruppe »Rheinmetall Entwaffnen« ein Camp mit einem vielfältigen Programm rund um Rüstungspolitik und Antikriegs-Aktivismus. Parallel dazu ruft das antimilitaristische Bündnis für gewöhnlich zu Aktionen des zivilen Ungehorsams auf. So auch in diesem Jahr vom 26. bis 31. August in Köln. Doch nun ist unklar, ob die Aktionswoche dieses Jahr wie geplant stattfinden kann.
Wie Rheinmetall Entwaffnen mitteilte, prüft die Kölner Versammlungsbehörde derzeit ein Verbot des Camps. Die bei der Polizei angedockte Behörde führe als Grund die »Unfriedlichkeit« der Teilnehmenden an, so das Bündnis. Das Camp und die damit zusammenhängenden Aktionen würden eine »Gefahr für die öffentliche Sicherheit« darstellen. Auf eine Anfrage des »nd« reagierte die Behörde bis zum Redaktionsschluss nicht.
Die Veranstaltenden sehen in dem Schritt einen politischen Angriff »in rechtlicher Form«. Nach Angaben von »Rheinmetall Entwaffnen« ist neben Aktionen aus den Vorjahren auch der Inhalt eines Aufrufs dafür verantwortlich, dass die Kölner Behörden ein Verbot für angemessen erachten. In dem entsprechenden Text kündigt die antimilitaristische Gruppe »ungehorsame Demonstrationen« und »direkte Aktionen« an. »Der Phantasie sind in diesen Tagen keine Grenzen gesetzt«, heißt es darin. Und weiter: »Wir werden nicht gehorchen. Wir werden kommen, um ungehorsam zu sein. Wir fügen uns nicht ein. Wir widersprechen. Wir stören. Wir greifen an.«
»Wir werden nicht gehorchen. Wir werden kommen, um ungehorsam zu sein. Wir fügen uns nicht ein. Wir widersprechen. Wir stören. Wir greifen an.«
Aus einem Aufruf von Rheinmetall Entwaffnen
Rheinmetall Entwaffnen wendet ein: Der Aufruf sei »poetisch verfasst«. Zudem betreffe er gar nicht das Camp, sondern die zeitgleich stattfindende Aktionswoche. Auf Nachfrage des »nd« heißt es außerdem: »Wir halten diese Konstruktionen allesamt für weit hergeholt und sind zuversichtlich, dass das vor Gericht auch so gesehen wird.« Den Rechtsanwalt Nils Spörkel zitiert das Bündnis mit den Worten: »Das angedrohte Verbot des Camps entbehrt einer ernsthaften, durch Tatsachen gedeckten Grundlage und ist eher ein Zeichen der aktuellen Erosion der Grundrechte, der es deutlich entgegenzuhalten gilt.«
In dem drohenden Verbot sieht Rheinmetall Entwaffnen ein Symptom der zunehmenden Militarisierung und des Rechtsrucks. »Die Polizei Köln versucht, unseren legitimen Protest zu kriminalisieren und konstruiert dazu ein absurdes Bedrohungsszenario«, sagt Aktivist Jonah Fischer. Die Aktionen von Rheinmetall Entwaffnen würden sich nicht gegen einzelne Menschen richten, »sondern gegen die Politik der Militarisierung als Ganzes«. Außerdem sei die Gewalt in den vergangenen Jahren vonseiten der Polizei ausgegangen, so Fischer.
Seit 2018 organisiert Rheinmetall Entwaffnen regelmäßig Aktionen gegen Aufrüstung, Abschottung, Waffenproduktion und Rüstungsexporte. 2022 blockierte das Bündnis für einige Stunden den Betrieb Krauss-Maffei Wegmann in Kassel. Im Zuge dessen setzte die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Die Beamten seien mit Baustellengegenständen beworfen worden, hieß es vonseiten der Polizei Kassel.
2024 veranstaltete das Bündnis sein bisher größtes Camp in Kiel. Auch bei dem Versuch, ein Werk der Kieler Rüstungsindustrie zu blockieren, kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Beide Seiten sprachen infolgedessen von Verletzten und machten sich gegenseitig für die Eskalation verantwortlich.
In diesem Jahr ist zum Abschluss der Aktionswoche eine »große Parade« mit Motivwägen zu einem Rekrutierungscenter der Bundeswehr geplant. Dort wollten die Teilnehmenden nicht nur Soldaten zum Desertieren aufrufen, es sei auch der passende Ort, »um unser Nein zur Wehrpflicht, zum Werben fürs Töten und Sterben und zur militaristischen Propaganda laut kundzutun«, schreibt das Bündnis. Neben Einzelpersonen wie Politiker*innen der Linkspartei rufen zu der Parade mehrere Organisationen auf, darunter der Verein demokratischer Ärzt*innen, der linksradikale Zusammenschluss Interventionistische Linke sowie der Online-Informationsdienst für Nachrichten aus den Bereichen Gewerkschaften und Arbeitswelt, LabourNet Germany.
Rheinmetall Entwaffnen spricht in seiner Ankündigung zum diesjährigen Camp in Köln von der »Rüstungsmetropolregion Rhein-Ruhr«. Mit den beiden Unternehmen Rheinmetall (Düsseldorf) und Thyssen Krupp (Essen) sitzen zwei Rüstungsriesen im Ruhrgebiet. Auch die Stadt Köln gewinnt für die wachsende Rüstungsbranche an Bedeutung. Dort entsteht derzeit eines der bedeutendsten europäischen Rüstungsprojekte: Das deutsch-französische Projekt Main Ground Combat System (MGCS) soll das neue Kampfpanzer-System der Bundeswehr entwickeln. Zudem will der Kölner Motorenbauer Deutz seinen Rüstungsbereich ausbauen. »Für uns ist Defence ein sehr wichtiger und interessanter Markt mit großem Wachstumspotenzial«, zitiert der »Kölner Stadt-Anzeiger« Vorstandschef Sebastian Schulte.
All das sind für die Antimilitarismus-Aktivist*innen Gründe, warum sie Ende August mitten in der bevölkerungsreichsten Stadt Nordrhein-Westfalens ihre Zelte aufschlagen wollen. Von dem drohenden Verbot zeigt sich Jonah Fischer unbeeindruckt: »Für uns ist klar: Das Camp wird stattfinden!«
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten → Themen sichtbar machen, die sonst untergehen → Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden → Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
nd-aktuell