Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain: Seit vielen Jahren hat es kein vollkommeneres Team mehr gegeben


Was ist perfekter Fussball? Wer eine rasche Antwort auf diese Frage haben möchte, der braucht sich nur den Champions-League-Final von München anzuschauen: dieses 5:0 von Paris Saint-Germain gegen Inter. Ein Sieg, der in der Höhe wohl von niemandem prognostiziert worden wäre, ein Spiel, das vom Sieger nahezu bedingungslos offensiv geführt wurde. Ideal der Rhythmus, ebenso die Balance.
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Perfektion ist auch eine Frage der Details. Beispielsweise gingen erstaunlich viele Versuche der Pariser auf die sogenannte kurze Ecke des Inter-Goalies Yann Sommer. PSG hatte offenbar ausgekundschaftet, dass Sommer in den letzten Spielen häufig auf die von ihm entfernte Seite spekuliert hatte. Doch erschöpft sich diese Suche nach Vollendung nicht allein darin. Nach dem Abpfiff rühmte der PSG-Trainer Luis Enrique seine Offensivkraft Ousmane Dembélé. Er sei für ihn der Kandidat für den Ballon d’Or, weil Dembélé nicht nur offensiv, sondern auch defensiv meisterlich gearbeitet habe.
Diese Aussage hat Gewicht. Denn sie zeigt, wie es um die Balance eines wirklich grossen Teams bestellt sein soll, wie genau Defensive und Offensive austariert sein müssen. Keine Mannschaft der letzten Jahre beherrschte dies besser als PSG, und es ist gewiss nicht zu hoch gegriffen, dieses Team zu den grössten in der Geschichte der Champions League zu zählen. Nie wurde ein Gegner mit einer grösseren Differenz im Final deklassiert.
Augenblicke solcher Dominanz ereignen sich selten. Der letzte, der einen perfektionistischen Anspruch hegte und auch einlöste, war Josep Guardiola mit dem FC Barcelona, dem prägenden Team vor anderthalb Jahrzehnten; zuvor, 1995, war es Ajax Amsterdam mit dem Trainer Louis van Gaal, das selbst grosse Konkurrenten scheinbar mühelos dominierte. Auch die AC Milan mit dem Coach Arrigo Sacchi war Ende der 1980er Jahre ähnlich furchteinflössend.
Kylian Mbappé schaut in die RöhreGemeinsam hatten diese Teams eines: Ihre Trainer hatten eine glasklare Idee vom Fussball, und sie brauchten auch gar nicht lange, um diese umzusetzen. Selbiges gilt auch für den Trainer Luis Enrique. Er verschaffte dem Team in relativ kurzer Zeit Stabilität. Zwei Spielzeiten genügten ihm, um eine Mannschaft zu formen, die gewiss nicht auf Jahre hinaus unschlagbar sein wird, aber auch auf europäischer Ebene als Favorit in die kommende Saison gehen wird. Dass er dabei auf den Spieler verzichten musste, der als einer der besten Angreifer der Welt angesehen wird, ist eine besondere Pointe: Kylian Mbappé verliess PSG zum für ihn ungünstigsten Zeitpunkt Richtung Madrid.
Stattdessen zeigte Luis Enrique, wie kreativ er als Coach ist. Es ist keine Mannschaft der Stars mehr, die einst mit Neymar, Mbappé und Lionel Messi angriff und deren Spiel von Marco Verratti orchestriert wurde. Mit dem Portugiesen Vitinha und dem Spanier Fabián Ruiz verfügt PSG über zwei exzellente Strategen im Mittelfeld, mit dem jungen Désiré Doué und Dembélé über einen phänomenal guten Angriff. Wobei Luis Enrique den Fussballer Dembélé in gewisser Weise neu erfunden hat: Er ist nun nicht mehr Aussenstürmer, sondern zentrale Figur im offensiven Aufbauspiel. Der Franzose, der jahrelang als extrem kapriziöse Figur galt, wuchs an der ihm übertragenen Verantwortung.
Bloss ist der Blick auf diese Mannschaft und ihren Trainer nicht vollständig, ohne einen Blick auf die enormen finanziellen Möglichkeiten zu werfen, über die PSG dank der grosszügigen Alimentierung aus Katar verfügt. Zwar erleichtert Geld das Vorhaben, hervorragenden Fussball spielen zu lassen, es ist allerdings keine Garantie, wie in den letzten Jahren in Paris selbst immer wieder zu sehen war.
Es liegt nicht am Geld alleinWas den Klub inzwischen auszeichnet, ist eine hervorragende Kaderplanung, die sich nicht mehr an den grossen Namen orientiert und zudem über eine hervorragende Talentsichtung verfügt. Das Projekt der neuen Galácticos, wie einst das legendäre Team von Real Madrid zum Beginn des neuen Jahrtausends genannt wurde, überlässt man mittlerweile dem spanischen Konkurrenten.
Diese Methode zeugt von strategischer Intelligenz. Einen neuen Weg zu probieren, wenn der alte nicht mehr funktioniert: Daran scheitern etliche Klubs, erst recht, wenn sie nicht über die Mittel verfügen wie der französische Serienmeister. Doch auch Vereine mit grossen finanziellen Möglichkeiten haben ihre Mühe. Der Final fand in der Arena des FC Bayern statt. Und der tut sich seit Jahren mit einem Umbruch auf höchstem Niveau schwer.
nzz.ch