EURO 2025: Riola Xhemaili versetzt Schweiz in Freudentaumel

"Ich kann noch gar nicht richtig realisieren, wie es genau passiert ist. Der Puls war sicher bei 200", sagte Riola Xhemaili nach dem Abpfiff. "Es ist ein Träumli." Mit ihrem Treffer zum 1:1 gegen Finnland in der Nachspielzeit (90. Minute+2) verhinderte die Schweizerin mit kosovarischen Wurzeln, dass die Gastgeberinnen bei der Heim-Europameisterschaft nach der Gruppenphase ausschieden. Stattdessen stehen die Schweizer Fußballerinnen nun erstmals unter den besten Acht einer EM. Im Viertelfinale treffen sie entweder auf Spanien oder Italien. "Es ist historisch", freute sich die Nationaltrainerin der Schweiz, die Schwedin Pia Sundhage.
Xhemaili gelingt Joker-Tor"Beim Warm-up habe ich schon gedacht: 'Pia, mach mich rein, ich fühle mich gut'", sagte Xhemaili. "Ich wusste, dass ich dieses Tor machen werde." Sundhage wechselte die 22-Jährige in der 82. Minute ein. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Schweizerinnen gegen Finnland durch ein Elfmetertor von Natalia Kuikka (79.) mit 0:1 hinten, eine Niederlage hätte das EM-Aus bedeutet.

Zehn Minuten, nachdem sie den Platz betreten hatte, versetzte Xhemaili nicht nur die 26.388 Zuschauer im Stadion in Genf in Euphorie, sondern die ganze Schweiz: Nach einer scharfen Hereingabe von Géraldine Reuteler stand sie goldrichtig und drückte den Ball aus vier Metern über die Linie ins finnische Tor.
In Wolfsburg nicht durchgesetztAuch für Xhemaili dürfte es wie ein Fußballmärchen wirken, denn sie hat eine schwierige Zeit hinter sich. Nach zwei guten Jahren beim deutschen Bundesligisten SC Freiburg war die Schweizerin 2023 zum Topklub VfL Wolfsburg gewechselt. Dort hatte sie sich allerdings nicht durchsetzen können.
2024 verlieh Wolfsburg Xhemaili an den niederländischen Verein PSV Eindhoven. Sie startete durch: Mit 14 Treffern und sechs Torvorlagen trug sie maßgeblich dazu bei, dass die PSV in der abgelaufenen Saison hinter dem FC Twente Vizemeister wurde. Der Lohn: Eindhoven wandelte die Leihe in einen festen Vertrag für Xhemaili bis 2028 um.

In der "Nati", der Schweizer Nationalmannschaft, zeigte ihr Trainerin Sundhage dennoch lange die kalte Schulter. Erst Anfang Juni, im Nations-League-Spiel gegen Norwegen (0:1), stand die Offensivspielerin erstmals in diesem Jahr für das Nationalteam auf dem Platz - und schaffte es schließlich doch noch in den EM-Kader.
Mit dem Zwillingsbruder in einer MannschaftRiola Xhemaili wurde 2003 in Solothurn geboren, ihre Eltern waren aus dem Kosovo in die Schweiz eingewandert - wie viele Kosovo-Albaner. Auch in der Schweizer Männer-Nationalmannschaft haben und hatten viele Leistungsträger kosovarische Wurzeln, unter anderen die aus der Bundesliga bekannten Stars Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka.
"Meine Karriere begann mit Volleyball, und es war ein Zufall, dass ich Fußball von ganzem Herzen liebe", sagt Xhemaili. "Das passierte, als ich meinen Zwillingsbruder [Rion Xhemaili - Anm. d. Red.] beobachtete. Ich habe ihn mit seiner guten Technik und seinem Kampfgeist spielen sehen." Zunächst trainierten die Zwillinge gemeinsam in einer Solothurner Kinder-Mannschaft. Dann trennten sich ihre fußballerischen Wege. Bruder Rion spielt inzwischen für das Juniorenteam des Schweizer Erstligisten FC Winterthur.
Hasskommentare in den sozialen Medien2020 feierte Riola Xhemaili ihr Debüt für die Schweizer Nationalmannschaft. Weil sie sich für ihr Geburtsland und nicht für das Team Kosovos entschied, wird die Fußballerin in den sozialen Medien noch immer häufig angefeindet.
Sie werde regelmäßig bedroht, ihre Familie beleidigt, schrieb Xhemaili im August 2024 auf Instagram: "Ich spiele für die Schweiz, um zu zeigen, dass ich dankbar bin, in solch einem tollen Land aufgewachsen zu sein." Und die Schweizer Nationalspielerin ergänzte: "Meine Wurzeln kommen aus dem Kosovo. Das wird immer so bleiben und wird sich auch nie ändern. Wir sollten alle die gleichen Werte teilen und keinen unnötigen Hass verbreiten."
dw