Sprache auswählen

German

Down Icon

Land auswählen

Germany

Down Icon

Riola Xhemaili wurde einst verschmäht – jetzt rettet sie das Schweizer Team

Riola Xhemaili wurde einst verschmäht – jetzt rettet sie das Schweizer Team
Riola Xhemaili kürt sich in Genf zur Schweizer Matchwinnerin.

«Gopfertami, wir wollen doch in den Viertelfinal», denkt sich Riola Xhemaili ein paar Minuten vor Schluss des EM-Spiels gegen Finnland, als die Schweiz 0:1 hinten liegt. Genau in diesen Worten erzählt sie das später in der Mixed Zone, nachdem das Happy End eingetroffen ist, in Form ihres Tores. Es ist ein typischer Xhemaili-Moment: Sie sagt immer geradeheraus, was sie denkt. Sie ist laut, selbstbewusst, charismatisch.

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Dass Riola Xhemaili die Schweiz an dieser Heim-EM in den Viertelfinal schiesst, ist auf eine Weise logisch, auf eine andere ganz und gar nicht selbstverständlich. Vor ein paar Jahren galt die Solothurnerin als eines der grössten Schweizer Talente, doch dann verlief die Karriere nicht so gradlinig wie erwartet. Xhemaili musste mit diversen Enttäuschungen umgehen, obwohl sie erst 22 Jahre alt ist.

Für die WM 2023 in Australien und Neuseeland wurde sie aussortiert, als Grund nannte die damalige Schweizer Nationaltrainerin Inka Grings physische Mängel. «Sie muss verstehen, dass es mehr braucht», sagte Grings. Mehr Einsatz, das ganze Jahr über, nicht nur kurz vor einem wichtigen Turnier.

Auch unter der heutigen Trainerin Pia Sundhage wurde Xhemaili nicht immer aufgeboten. Die Schwedin erklärte der Spielerin am Telefon, was sie von ihr verlange: Tore. Denn die technisch starke Mittelfeldspielerin, die in mehreren Klubs auf der Zehner-Position spielte, ist auch torgefährlich und hat vor dem Tor eine gute Intuition.

Beim FC Basel wurde sie früh Captain

Diese Qualitäten zeichnen Xhemaili schon ihre ganze Karriere über aus. Zwar spielte sie als Kind zuerst Volleyball, begann dann aber als Elfjährige im FC Solothurn mit Fussball, wo ihr Zwillingsbruder Rion spielte. Danach wechselte sie in die Nachwuchsabteilung des FC Basel, als einziges Mädchen.

Mit erst 15 Jahren debütiert sie für die FCB-Frauen in der Super League, schiesst im ersten Spiel ein Tor und übernimmt auch neben dem Platz Verantwortung, sie wird Captain. Nach drei Jahren wechselt sie zum SC Freiburg, dann innerhalb der Bundesliga zum VfL Wolfsburg. Als sie dort im ersten Jahr nicht auf so viel Einsatzzeit kommt wie erhofft, lässt sie sich mit der Heim-EM im Hinterkopf zur PSV Eindhoven ausleihen.

Beim niederländischen Cup-Sieger, der sie ab der kommenden Saison fix übernimmt, erlebt sie eine phantastische Saison. Sie mag den technischen Fussball, der in der Liga gespielt wird, sie trifft in 26 Saisonspielen 14 Mal und liefert 6 Assists. Und überzeugt damit auch die Nationaltrainerin Sundhage, die von Xhemailis Fortschritten und deren regelmässigen Treffern im Training bei jeglichen Spielformen schwärmt.

Historisches geschafft: Das Team um Riola Xhemaili (Nummer 7) erreicht erstmals einen EM-Viertelfinal.

Kurz vor der EM reflektiert Xhemaili ihren Weg. «Ich musste jeden Tag unter Druck leisten, vor allem, weil früh von Talent geschrieben wurde», sagte sie. «Dieses Jahr geniesse ich es, dass ich liefern kann, wenn ich das Vertrauen bekomme. Ich habe gezeigt, dass ich eine gute Fussballerin bin.»

Sie ist nicht nur das, sondern auch eine, die vorangeht, wenn es um Themen geht, die viele Menschen im Land beschäftigen. Es war im letzten August, als sich Xhemaili, deren Eltern aus Kosovo stammen, in einem emotionalen Beitrag in den sozialen Netzwerken äusserte. Sie hatte erfahren, was auch die männlichen Nationalspieler mit Migrationshintergrund beklagen. Nachdem sie in einem Interview gesagt hatte, sie sei aus der Schweiz, war Xhemaili mit Hassnachrichten eingedeckt worden.

Angefeindet wurde sie, weil sie sich mit dem Land ihrer Wurzeln nicht genug identifiziere. Sie entgegnete darauf: «Ich fliege mindestens zweimal pro Jahr nach Kosovo, ich investiere ins Land, damit ich nie vergesse, woher ich komme, und dass ich ein Heim habe in Kosovo, das ich immer besuchen kann.» Dazu zeigte sie Bilder von einer Wohnung im Bau. Und fuhr fort: «Ich bin glücklich, dass ich in einem so grossartigen Land wie der Schweiz aufwachsen durfte. Ich liebe die Schweiz, darum wollte ich auch immer meine Dankbarkeit zeigen und für die Schweiz spielen.» Es sei nie eine Entscheidung gegen jemanden gewesen.

Auch ihr früherer Nationaltrainer Nils Nielsen meldete sich

Es war das erste Mal, dass sie öffentlich machte, was ihr offenbar über Jahre widerfahren war. Ihre Familie werde Woche für Woche beleidigt und bedroht. Sie schloss mit den Worten: «Wir sollten alle die gleichen Werte teilen und keinen unnötigen Hass verbreiten gegenüber Menschen, die wir nicht kennen!»

Es war eine Botschaft, die weit über den Fussball hinausging. Und im Nachhinein erwies sich als prophetisch, was sie damals schon zu wissen glaubte: «Dass ich alle in der Schweiz stolz machen würde und natürlich auch das Land, wo meine Wurzeln sind, Kosovo.» Spätestens am Donnerstagabend ist ihr das gelungen. Ihr Siegtor hat aber noch weitere Kreise gezogen.

«Gut gemacht, Girls», schrieb Nils Nielsen, der frühere Nationaltrainer, auf Instagram unter ein Bild des glücklichen Schweizer Teams – mit dem Zusatz: «. . . und Rio, hat es sich gelohnt, zu warten und zu arbeiten? Ich bin stolz auf dich.»

Sie würde seine Fragen wohl unumwunden bejahen, gopfertami.

nzz.ch

nzz.ch

Ähnliche Nachrichten

Alle News
Animated ArrowAnimated ArrowAnimated Arrow