Majorin der russischen Armee darf bei Fecht-WM antreten

Russinnen und Russen mit direkten Verbindungen zum Militär dürfen bei den anstehenden Fecht-Weltmeisterschaften in der georgischen Hauptstadt Tiflis (22. bis 30. Juli) antreten. Der Fecht-Weltverband FIE beschloss, russische und belarussische Athletinnen und Athleten nicht mehr zu überprüfen, so wie es seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine üblich war.
Künftig ist die Zugehörigkeit zu Militärklubs kein Ausschlusskriterium mehr. Damit kann auch die russische Top-Fechterin Sofya Velikaya in Tiflis starten. Die 40 Jahre alte Säbelfechterin hatte bei den Olympischen Spielen 2012 in London, 2016 in Rio de Janeiro und 2021 in Tokio insgesamt zweimal Gold im Teamwettbewerb und dreimal Silber im Einzel gewonnen. Velikaya ist Mitglied im Armeeverein ZSKA Moskau und hat den Rang einer Majorin.
"Das ist für mich ein absolutes No-Go", sagte ein hochrangiger europäischer Fechtfunktionär, der anonym bleiben will, mit Blick auf die WM-Teilnahme Velikayas. Er sei "empört" über die Entscheidung der FEI, die unabhängigen Überprüfungen der Aktiven aus Russland und Belarus abzuschaffen, so der Funktionär gegenüber der DW.
"Von Anfang an eine Farce"Auch in der Ukraine, wo die Angriffe Russlands nach fast dreieinhalb Jahren Krieg unvermindert weitergehen, ist die Wut über die FEI groß. "Das ist ein Schlag ins Gesicht nicht nur der ukrainischen Sportler, sondern der gesamten internationalen Sportgemeinschaft", sagte Mykhailo Ilyashev, der Präsident des ukrainischen Fechtverbandes. "Wir haben von Anfang an betont, dass der ganze Prozess der Prüfung russischer Fechterinnen und Fechter auf Neutralität eine Farce ist."

Die FEI verlangt künftig nur noch, dass Aktive aus Russland und Belarus ein Formular unterschreiben, in dem sie ihre Neutralität bekunden. Sie dürfen weder öffentliche Erklärungen abgeben, in denen der Krieg befürwortet wird, noch an entsprechenden Kundgebungen teilnehmen. Die Erklärung der Fechterinnen und Fechter wird nicht mehr von unabhängiger dritter Seite kontrolliert.
Velikaya nicht bei den Olympischen Spielen in ParisDer Kurswechsel der FEI steht in Widerspruch zu den Neutralitätsregeln, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) für die Spiele 2024 in Paris aufgestellt hatte. Dort durften Athleten nicht starten, wenn sie "beim russischen oder belarussischen Militär oder bei nationalen Sicherheitsdiensten unter Vertrag stehen". Velikaya hatte wegen ihrer Militärzugehörigkeit nicht an den olympischen Wettkämpfen in der französischen Hauptstadt teilnehmen dürfen.
Im Juni hatte sich die Ukraine bereits darüber beschwert, dass Velikaya für die Athletenkommission der FEI nominiert worden war. Sie sei nicht nur Majorin, sondern auch "eine Vertraute" des russischen Präsidenten Wladimir Putin, erklärten das Nationale Olympische Komitee der Ukraine und der Fechtverband des Landes: "Eine solche Person kann nicht als neutral anerkannt werden und hat kein Recht, Teil der internationalen Sportwelt zu sein - und noch weniger, die Interessen von Athleten auf der ganzen Welt zu vertreten." Aggressor-Staaten, so hieß es weiter, "nutzen den Sport nicht für den Dialog und die Einheit, sondern als Mittel der Propaganda".
FIE: Prüfung zu "aufwendig und teuer"Ähnlich wie viele andere internationale Sportverbände hatte die FIE bislang, den Regeln des IOC folgend, ein Unternehmen für Cybersicherheit sowie einen unabhängigen Anwalt damit beauftragt, die von ihr gesammelten Informationen über russische und belarussische Fechterinnen und Fechter zu überprüfen. In einem Schreiben an die Mitgliedsverbände vom 7. Juli bezeichnete die FIE diesen Prozess nun als "aufwendig und besonders teuer" und erklärte, man wolle "den Prozess vereinfachen, um ihn schneller und kostengünstiger zu gestalten".

Es ist das zweite Mal innerhalb von drei Monaten, dass sich die FIE gegen die Linie des IOC stellt: Im April hatte der Weltverband beschossen, "neutrale" Athleten aus Russland und Belarus bei Teamwettbewerben zuzulassen. Das war bei den Spielen in Paris nicht erlaubt. Von der DW um eine Stellungnahme zur abweichenden Politik der FIE gebeten, antwortete das IOC, dass in allen Sportarten der jeweilige Weltverband "die alleinige Autorität für internationale Wettbewerbe außerhalb der Olympischen Spiele" sei. Die FIE reagierte bislang nicht auf eine Anfrage der DW.
Zieht ein russischer Milliardär weiter die Fäden?Nach Ansicht von Experten steht der Fechtsport schon lange unter starkem russischem Einfluss. Im März 2023 gehörte Fechten zu den ersten Sportarten, die Aktive aus Russland und Belarus wieder als "neutrale" Athletinnen und Athleten zuließ.
Im November 2024 wurde der russische Milliardär Alisher Usmanov für eine fünfte Amtszeit als FIE-Präsident wiedergewählt – und das, obwohl die Europäische Union ihn einst als "einen von Wladimir Putins Lieblingsoligarchen" bezeichnete und er in fast 40 Ländern mit Sanktionen belegt ist.

Usmanow, der die Bezeichnung Oligarch für sich ablehnt, hat den Fechtsport jahrelang im Alleingang finanziert. Nur wenige Tage nach seiner Wiederwahl trat er vom Amt des Präsidenten zurück. Es wird vermutet, dass er dennoch hinter den Kulissen weiter die Fäden zieht.
Eine weitere Quelle aus dem Fechtsport sagte der DW, Usmanovs Einfluss sei "offensichtlich", aber die Hauptschuld liege beim Exekutivkomitee der FIE. Die jüngsten Entscheidungen des Fecht-Weltverbands seien "schlichtweg inakzeptabel, während das IOC und der überwiegende Teil der Sportwelt angemessene Einschränkungen für das Startrecht russischer und belarussischer Aktiver aufrechterhalten."
Dieser Artikel wurde aus dem englischen Original "Russian army major to compete at fencing world championships" adaptiert.
dw