Marc-André ter Stegen: Bei Nagelsmann gesetzt, von Flick infrage gestellt

Sein 33. Lebensjahr hätte sich Marc-André ter Stegen sicher angenehmer vorstellen können. Kaum dass der Keeper von Bundestrainer Julian Nagelsmann nach zwölf Jahren des geduldigen Wartens im Schatten von Manuel Neuer zum Primus im deutschen Fußballtor befördert worden war, zog er sich einen Riss der Patellasehne zu. Der Kapitän des FC Barcelona fiel ein Dreivierteljahr lang aus. Von September 2024 bis Mai 2025.
Zwischendurch gab der Vater von zwei kleinen Söhnen via Instagram die Trennung von seiner Frau bekannt. Und kaum hat er sich jetzt wieder matchfit gemeldet, wird hartnäckig geraunt, sein Arbeitgeber bereite den Abschied des Keepers vor. Marc-André ter Stegen dürfte sich fühlen wie dereinst Sisyphus. Kaum hat er einen Hang erklommen, geht’s schon wieder bergab.
Wojciech Szczesny verlängert seinen Vertrag beim FC BarcelonaAm Mittwoch im Halbfinale der Nations League gegen Portugal (21 Uhr/ZDF) wird der gebürtige Mönchengladbacher zumindest für sein Land wieder die Nummer eins von Oliver Baumann übernehmen. Daran hat Julian Nagelsmann nicht den Deut eines Zweifels gelassen und begründet: „Marc ist in einem Alter, in dem er nicht diesen Mega-Rhythmus braucht.“
Dem Vernehmen nach ist das Vertrauen des Heimatlands in ter Stegen größer als jenes im Verein, für den er schon seit elf Jahren nicht nur Bälle hält, sondern auch mit sehr feinem Fuß Angriffe einleitet. Die gewöhnlich gut informierten spanischen Medien berichten, Barça sei stark an Joan Garcia, 24, vom Stadtrivalen Espanyol Barcelona interessiert.
Zudem hat auch der 84-fache polnische Nationaltorwart Wojciech Szczesny, 35, den der spanische Meister nach ter Stegens Verletzung bis Saisonende verpflichtet hatte, just seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert. Szczesny wusste so sehr zu überzeugen, dass ter Stegen auch nach seiner Genesung in den entscheidenden Spielen nicht zum Einsatz kam.
Um Gelassenheit bemühtEs wäre sicher interessant zu erfahren, was Barça-Chefcoach Hansi Flick jüngst am Telefon seinem Nachfolger Nagelsmann berichtete. Glaubt man Nagelsmann, dann wurde das Zukunftsthema ter Stegen, Vertrag bis 2028, gänzlich ausgespart: „Nicht meine Baustelle.“
Der Torwart selbst stellte sich am Sonntag nach dem Vormittagstraining in Herzogenaurach den drängenden Fragen der deutschen Presse. Er war dabei sichtbar um Gelassenheit bemüht: „Barça ist einer der größten Vereine der Welt. Da gibt es nun mal Konkurrenzsituationen.“
Eine solche Konkurrenzsituation ist nach 42 Einsätzen im DFB-Team allerdings dankenswerterweise ausgesetzt. Ter Stegen hört von Nagelsmann Worte, die er von Flick nicht vernimmt. Worte der Unterstützung, die ihm wichtig sind: „Die Rückendeckung ist spektakulär.“ Die Hierarchie ist mit ter Stegen als Nummer eins ähnlich zementiert, wie sie zuvor mit ihm als Nummer zwei betoniert war.
Er hat deshalb nie Stunk gemacht, auch nicht, als Übertorwart Neuer vor der WM 2018 und vor der EM 2024 jeweils aus langwierigen Verletzungen kam und direkt wieder bevorzugt wurde. Sein Stellvertreter zeigte Teamgeist, sagte vor der Heim-Europameisterschaft: „Die Entscheidung respektiere und akzeptiere ich, auch wenn ich nicht der gleichen Meinung bin.“
Lob vom AthletiktrainerEs steht nicht zu erwarten, dass er eine Degradierung im Verein ähnlich nüchtern zur Kenntnis nehmen würde. Mit Flick, mit dem ihn dem Vernehmen nach ein allenfalls professionelles Verhältnis verbindet, habe er zuletzt nicht gesprochen. „Ich wüsste auch nicht, warum.“ Er sei sicher, „dass ich nächstes Jahr in Barcelona bin und freu mich extrem auf die Saison“.
Wie stark diese Worte mit Wahrheit unterfüttert werden, muss sich erst noch zeigen. Ter Stegen wähnt sich laut Selbstauskunft physisch auf einem mindestens so guten Niveau wie vor der Verletzung.
Zur Pressekonferenz lehnte er den Limousinenservice des DFB ab und fuhr lieber zwei Kilometer Fahrrad. Barcelonas Athletiktrainer Pablo Merino erklärte jüngst: „Er ist stärker denn je zurückgekommen. Er ist ein sehr disziplinierter Deutscher.“ Worte, die in Barcelona gerade verhallen.
Berliner-zeitung