Real Madrid möchte unbedingt mit Trent Alexander-Arnold an die Klub-WM – dafür zahlt der Klub sogar eine Ablöse für den eigentlich ablösefreien Verteidiger


Normalerweise sind die Sommer- und Winter-Transferperioden im Fussball auf die Zeiträume Juli und August sowie Januar beschränkt. Doch wegen der erstmaligen Durchführung der am 14. Juni beginnenden Klub-WM mit 32 Vereinen aus allen Kontinenten hat der Weltfussballverband (Fifa) eine zusätzliche Wechselphase für die ersten zehn Junitage eingeführt.
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Diese soll den Teilnehmern der Klub-WM die Gelegenheit bieten, neue Spieler für das Turnier zu registrieren. Der spanische Fussballverein Real Madrid, dem zurzeit viele Abwehrspieler verletzungsbedingt fehlen, hat diese Gelegenheit genutzt, indem er den eigentlich ablösefreien Wechsel des zum 1. Juli vertragslos werdenden Alexander-Arnold vorgezogen hat – für einen hohen einstelligen Millionenbetrag. Auf diese Ablöse hatte der Liverpool FC für eine vorzeitige Freigabe des Rechtsverteidigers beharrt. Und das, obwohl die Spielzeit für die Engländer bereits beendet ist. Zudem sparen sich die Reds noch sein Millionengehalt für den Juni.
Alexander-Arnold war zwanzig Jahre im gleichen KlubDie missliche Lage von Real Madrid ermöglichte es Liverpool also, noch eine finanzielle Entschädigung für den Abgang des Spielers zu erhalten. Der 26-Jährige hatte kurz vor dem Saisonende bekanntgegeben, den Vertrag nach zwanzig Jahren im Verein nicht zu verlängern.
Über diesen Schritt hatte er die Klubverantwortlichen bereits im März informiert, doch die Entscheidung hielt er geheim, um die Ziele des Klubs in der abgelaufenen Saison nicht zu gefährden. Als Grund gab Alexander-Arnold an, er wolle die Komfortzone verlassen und sich beruflich wie persönlich nochmals weiterentwickeln. Wegen seiner tiefen Verbundenheit mit Liverpool, mit der Stadt ebenso wie mit dem Klub, darf man ihm glauben, dass der Entscheid der «härteste Beschluss seines Lebens» war, wie er sagte.
Der Abschied des Eigengewächses war für den Klub und seine Fans besonders schmerzhaft. Denn in dem Jungen aus Liverpool sahen sie einen «one-club footballer» – einen, der seine ganze Karriere in nur einem einzigen Klub absolviert. Das Selbstverständnis der Anhänger in Bezug auf die aus der eigenen Stadt stammenden Spieler verdeutlicht ein altes geflügeltes Zitat von Jamie Carragher. «Was ist grösser als Liverpool?», hatte der Abwehrhaudegen einst einen Reporter angeblafft, der es wagte, ihn zu fragen, ob er nicht einmal zu einem anderen Verein wechseln wolle. Carragher verbrachte seine ganze Karriere als Profi-Fussballer in Liverpool.
Diese Hoffnung hegten die Fans auch bei Alexander-Arnold. Mit sechs Jahren war er in die Nachwuchsakademie des Klubs eingetreten, daran erinnerte bis zuletzt die ungewöhnliche Trikotnummer 66. Eigene Talente, die es ins Fanionteam schaffen, erhalten in Liverpool traditionsgemäss zunächst hohe Trikotnummern – Alexander-Arnold wechselte seine seither nie.
Seit 2016 bildete er knapp eine Dekade lang zusammen mit Mohamed Salah das Duo auf dem rechten Flügel. 23 Tore und 92 Assists gelangen dem Flankenspezialisten in 354 Pflichtspielen für die Reds. Zu Beginn seiner Karriere hatte er euphorisiert verlautbart, er wolle Titel gewinnen, es zum Liverpool-Captain schaffen und zu einer Klublegende werden. Dies sei «selbstverständlich» nicht realisierbar, wenn er den Fussballklub irgendwann verlasse, fügte er damals fachkundig an. Mittlerweile hat er mit dem Liverpool FC sämtliche Titel gewonnen. Und auch Vizecaptain war er. Doch von seinem Wunsch, für immer in Anfield zu bleiben, war zuletzt nicht mehr viel zu hören.
Die Fans fühlen sich brüskiert – und Klopp kritisiert sieDeshalb fühlte sich die LFC-Familie von Alexander-Arnold brüskiert und pfiff ihn im vorletzten Heimspiel verbittert aus – wie wohl noch keinen anderen eigenen Spieler. Auf einmal war er bei den Fans der Reds nicht mehr einer, sondern keiner von ihnen. Statt «You’ll never walk alone», wie von den Fans immerzu betont wird, schien für Alexander-Arnold auf dem Weg nach Madrid zu gelten: «He’ll walk alone.» Der Klub hatte ihn zuvor in einer Mitteilung trotz seinen Verdiensten kühl verabschiedet. Und der Trainer Arne Slot fand, das Gute an Europa sei, dass jeder eine eigene Meinung haben könne.
Die Trennung zwischen Alexander-Arnold und Liverpool schien zu einem unbarmherzigen Ende zu führen. Doch einer wollte das so nicht akzeptieren: der frühere Liverpool-Coach Jürgen Klopp, der ein Förderer Alexander-Arnolds war. Am Abend vor dem letzten Heimspiel massregelte der Säulenheilige des Vereins, der mittlerweile die Fussballambitionen des Red-Bull-Konzerns beaufsichtigt, auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung das Verhalten der Fans. Nach den Buhrufen gegen Alexander-Arnold habe er den Fernseher ausgeschaltet, er hätte nicht enttäuschter sein können, sagte Klopp, an die Liverpool-Fans gerichtet. «Eure Denkweise ist falsch! Das sind nicht wir, zu einhundert Prozent nicht.» Und tatsächlich, Klopps Rüge zeitigte Wirkung: An der Siegerehrung nach dem Spiel wurde kein Name euphorischer bejubelt als der von Trent Alexander-Arnold.
Die Versöhnung berührte den Spieler so sehr, dass ihm vor der Fankurve die Tränen kamen. Er wischte sie mit einem Taschentuch weg – was wiederum Klopp auf der Ehrentribüne berührte. Er habe sich «noch nie so geliebt und umsorgt gefühlt wie heute», sagte Alexander-Arnold.
Nach der Einigung mit Real Madrid verabschiedete sich dann auch der Liverpool FC in einem Statement wertschätzend. Bei den Königlichen hat Trent Alexander-Arnold einen Vertrag bis 2031 unterzeichnet. Auf seinen alten Klub wird er erst einmal nicht treffen. Denn die Reds fehlen an der Klub-WM.
nzz.ch