Nach der enttäuschenden letzten Saison will YB sein XXL-Kader verschlanken – noch wirkt das Team unfertig


Vielleicht vermittelt diese Zahl einen groben Eindruck davon, wie viel Arbeit bei den Young Boys in den nächsten Wochen in der Kaderplanung ansteht: Gleich zwölf Fussballer werden mit einem Wechsel in Verbindung gebracht, mindestens die Hälfte von ihnen dürfte Mitte September nicht mehr in Bern weilen. Aber Christoph Spycher sagt: «Wir sind zufrieden, wie es läuft, haben wichtige Pflöcke eingeschlagen und verfolgen den Markt weiterhin sehr aufmerksam.»
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Spycher ist Mitbesitzer und Verwaltungsrat bei YB, und er ist nach der enttäuschenden letzten Saison wieder näher ans Alltagsgeschäft gerückt. Er trägt jetzt den Titel Chief Sports Officer, was eine ziemlich präzise Beschreibung ist, selbst wenn Spycher sagt, bei den Young Boys sei «nach wie vor alles Teamarbeit».
Der 47-Jährige ist der Chef im radikal umgebauten Sportbereich. Langjährige, verdienstvolle Mitarbeiter wie der Konditionstrainer Martin Fryand verliessen YB, neu sind unter anderem der Athletiktrainer, der Teammanager, der Materialwart sowie der frühere Profifussballer Christian Schneuwly als Entwicklungs-Coach – und natürlich der ehemalige Berater Mathieu Béda als Nachfolger des Sportchefs Steve von Bergen. «Wir wollten frischen Wind und neue Ideen», sagt Spycher.
Die Erfolgsjahre zwischen 2018 und 2024 mit sechs Meistertiteln, zwei Cup-Siegen und drei Champions-League-Teilnahmen haben die Young Boys ein wenig träge und satt gemacht, personelle Fehlentscheidungen häuften sich. Jetzt treibt Spycher den markanten Umbruch voran. Auch er geriet letzte Saison in die Kritik.
Die zwölf Spieler, die noch als mögliche Abgänge gehandelt werden, würden ein Team ergeben, das um den Super-League-Titel mitspielen könnte. Vielleicht in dieser Aufstellung: von Ballmoos; Athekame, Blum, Lauper, Hadjam; Ugrinic, Lakomy, Imeri; Rrudhani, Monteiro, Elia. Plus Persson. Das XXL-Kader der Young Boys muss jedenfalls noch entscheidend verschlankt werden, wobei sich Spycher einen Ruf als unerbittlicher Verhandler erarbeitet hat, der keine Spieler abgibt, wenn der Preis nicht den Vorstellungen von YB entspricht.
In diesem Jahr wirken im August besonders viele Super-League-Teams noch unfertig. «Das ist nicht ideal», sagt Spycher. «Aber wir können in der Schweiz die globalen Marktmechanismen nicht beeinflussen.» Die erstmals ausgetragene Klub-WM hat dazu geführt, dass viele Vereine in den grossen Ligen noch später mit ihren Planungen begonnen haben.
Alessandro Della Valle / Keystone
Bei YB steht die letzte Etappe einer Generalüberholung des Teams an. Silvère Ganvoula (Monza), Cheikh Niasse (Hellas Verona), Anel Husic (Rijeka), Mohamed Camara (Maccabi Tel Aviv) und Cedric Itten (Fortuna Düsseldorf) haben den Klub in den letzten Monaten verlassen, bereits im Winter reagierte YB zudem auf Fehlplanungen und verpflichtete mit Christian Fassnacht, Rayan Raveloson und Chris Bedia Leadership und Klasse.
Dieser Prozess ging in diesem Sommer weiter. «Unser Ziel war es, die Achse zu stärken», sagt Spycher. «Und das ist uns gelungen.» Als neue Nummer zwei im Tor wurde der routinierte Heinz Lindner (FC Sion) geholt, für die Abwehr und das Mittelfeld sind Gregory Wüthrich (Sturm Graz) und Edimilson Fernandes (Mainz) nach Jahren im Ausland in die Schweiz zurückgekehrt. Sie bewegen sich im Dunstkreis des Nationalteams und sind zwar keine lauten Leaderfiguren, aber mit ihrer Erfahrung in der Lage, das Team zu stabilisieren.
Zuweilen erhält man das Gefühl, die Young Boys seien im Vergleich zum FC Basel zu wenig mutig. Spieler wie Ardon Jashari oder Alvyn Sanches für 6, 7, vielleicht 8 Millionen Franken Ablösesumme zu verpflichten, hat YB in der Vergangenheit unterlassen. «Wir sind schon bereit, zu investieren», sagt Spycher. «Aber bei solchen Transfers muss alles passen.»
Peter Klaunzer / Keystone
Jüngst wurde der überzeugende St. Galler Angreifer Willem Geubbels mit den Young Boys in Verbindung gebracht. Es wäre ein Statement-Transfer gewesen. Mit Geubbels ist es kompliziert, Berater und der Vater reden mit, er dürfte ins Ausland gehen.
Die Young Boys holten derweil vor wenigen Tagen mit Sergio Córdova von Alanyaspor einen Stürmer, der in seiner wechselhaften Karriere nicht als Goalgetter aufgefallen ist. Der Venezolaner spielte etwa bei Augsburg und Bielefeld, in der MLS, beim FC Sotschi und in der Türkei. Spycher sagt, Córdova entspreche exakt dem Profil des kräftigen, kopfballstarken Angreifers, den YB gesucht habe.
Córdova ist bestimmt nicht der letzte Zugang, einige der bevorstehenden Abgänge werden die Young Boys ersetzen. Die Schweizer Nationalspieler Filip Ugrinic und Joël Monteiro sowie der spektakuläre Linksverteidiger Jaouen Hadjam möchten den nächsten Schritt in ihrer Karriere machen. Andere wie der teure Fehltransfer Kastriot Imeri oder Meschack Elia sowie Donat Rrudhani haben wie der sechsfache Meistergoalie David von Ballmoos keine Zukunft bei YB. Lewin Blum, Lukasz Lakomy, Noah Persson oder auch Sandro Lauper wiederum sind abhängig von der Entwicklung bei anderen Spielern auf ihren Positionen.
Zahlt Milan für das Talent Athekame über 10 Millionen?Am meisten Geld einbringen dürfte YB der 20-jährige Rechtsverteidiger Zachary Athekame. Italienische Medien melden, dass Milan jüngst mit einem Angebot von rund 8 Millionen Franken plus Boni gescheitert ist, die Young Boys wollen mehr als 10 Millionen Ablöse. Wobei der dynamische Athekame nach nur einer Super-League-Saison womöglich besser beraten wäre, mit einem Wechsel zu einem Grossklub wie Milan noch zu warten.
🚨🔴⚫️ AC Milan expect to get Zachary Athekame deal done by the end of this week.After €7m bid rejected, €8m plus add-ons on the table and deal can get done after Young Boys vs Basel game.
Almost there. 🏁🔜 pic.twitter.com/7bbVah4B3B
— Fabrizio Romano (@FabrizioRomano) August 4, 2025
Geblieben sind bei YB die hohen Ansprüche, Titelgewinne sind das Ziel sowie die Teilnahme an der Europa League – im Play-off Ende August heisst der Gegner Kairat Almaty oder Slovan Bratislava. Der Start in die Saison war ordentlich (3:1 gegen Servette, 1:1 in Winterthur), die Auftritte jedoch nicht berauschend. Die Defensive wirkte zuweilen behäbig, in der Offensive fehlte es noch an Automatismen, die Wechsel während der Begegnungen führten zu einem Leistungsabfall.
Der Anfang Jahr engagierte Trainer Giorgio Contini arbeitet erstmals bei einem Spitzenteam, der nächste Härtetest für ihn und YB wartet am Mittwochabend beim Meister und Rivalen FC Basel. Im verwöhnten Umfeld der Young Boys könnten bald wieder kritische Stimmen aufkommen, wenn es erneut nicht wunschgemäss läuft.
nzz.ch