Worldline-Debakel: Das Milliardenloch bei der Schweizer Börsenbetreiberin SIX wird immer grösser

Die SIX-Gruppe muss erneut einen Abschreiber in dreistelliger Millionenhöhe auf ihre Beteiligung an dem französischen Zahlungsdienstleister vornehmen. Bei der geplanten Kapitalerhöhung zieht sie nicht mehr mit.

Zum vierten Mal nimmt die Schweizer Börsenbetreiberin einen Abschreiber auf ihre Beteiligung an Worldline vor. Diesmal sind es 550 Millionen Franken, die sie auf ihre Beteiligung an dem französischen Zahlungsdienstleister abschreibt. Das gab die SIX am Donnerstag bekannt. Der französische Konzern ist Marktführer im Schweizer Zahlungsgeschäft.
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Damit summieren sich die Worldline-Abschreiber auf rund 1,6 Milliarden Franken. Bereits 2023 senkte die SIX den Beteiligungswert um 862 Millionen Franken. 2024 kamen weitere 168 Millionen dazu und zuletzt im Sommer 69,3 Millionen Franken.
Wegen der wiederholten Abschreiber rechnet die Börsenbetreiberin 2025 mit einem Verlust von rund 300 Millionen Franken, wie sie in einer Mitteilung schreibt. Mit einem Anteil von 10,5 Prozent ist die Schweizer Börsenbetreiberin einer der grössten Aktionäre von Worldline.
Zum Halbjahr bewertete sie das Aktienpaket mit 326,8 Millionen Franken. Den nächsten Wert will sie im März 2026 mit den Jahreszahlen ausweisen.
Worldline kämpft ums ÜberlebenWorldline steckt schon länger in einer tiefen Krise und gilt inzwischen als Übernahmekandidat. Andere Zahlungsdienstleister sind technologisch besser aufgestellt, und trotz mehreren Übernahmen konnte Worldline kaum mehr wachsen.
Dazu kamen Medienberichte, wonach Worldline Zahlungen für zweifelhafte Unternehmen abgewickelt hat. Diese sollen Nutzer systematisch um ihr Geld gebracht haben. Eine Untersuchung hat in der Zwischenzeit ergeben, dass die Vorwürfe zwar nicht ganz unberechtigt sind, die beanstandeten Transaktionen jedoch nur einen kleinen Teil der Umsätze des Zahlungsdienstleisters betreffen. All dies hat dazu geführt, dass die Worldline-Aktien von ihrem Höchststand von rund 80 Euro 2021 auf einen Wert von unter 2 Euro gefallen sind.
Mit einem Sparprogramm und einer Kapitalerhöhung von 500 Millionen Euro versucht Worldline, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzubringen. Bei der SIX hat die vertrauensbildende Massnahme nicht verfangen. Die Börsenbetreiberin wird sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligen. Ihr Anteil an Worldline wird damit verwässert.
«Weil der Anteil der SIX an Worldline infolge der Kapitalerhöhung unter 10 Prozent fällt, verliert sie den signifikanten Einfluss und muss die Beteiligung neu zum Marktwert bilanzieren», sagt Marc Meili, Partner bei Independent Credit View. Sämtliche bisher im Wert der Beteiligung enthaltenen immateriellen Werte würden dabei ausgebucht. Laut Meili erklärt dies die jüngste Wertberichtigung.
Damit kontrolliert die Schweizer Börsenbetreiberin Worldline künftig weniger stark. Sie verwaltet die Beteiligung künftig als reine Finanzinvestition und gibt einen ihrer beiden Sitze im Verwaltungsrat ab.
Gelingt Worldline der Neustart nicht, so ist auch ein Totalausfall des Zahlungsdienstleisters nicht ausgeschlossen. Schwierig würde die Lage dann laut Meili vor allem für kleinere Händler, die ihre Zahlungen über eine einzige Firma abwickeln.
Können diese keine Kartenzahlungen mehr annehmen, hätte das für sie schon schwerwiegende Konsequenzen. «Zahlungsdienstleister sind wichtig, aber nicht unersetzbar», sagt er. Daher geht Meili davon aus, dass Worldline übernommen werden könnte. Die SIX weist Spekulationen über einen möglichen Konkurs von Worldline zurück. Sie betont, der Zahlungsdienstleister bleibe ein wichtiger Partner im Bereich Zahlungsverkehr.
Hoffnungen haben sich zerschlagenDie SIX hielt Worldline lange die Treue. Noch Ende Mai bezeichnete der SIX-Präsident Thomas Wellauer im Interview mit der NZZ den Zahlungsdienstleister als strategischen Partner der Schweizer Börse. Die SIX setzte grosse Hoffnungen in ihre Beteiligung an Worldline. 2018 hatte die Schweizer Börsenbetreiberin ihr eigenes Kreditkartengeschäft an den französischen Zahlungsdienstleister verkauft.
Einen Grossteil des Verkaufspreises von 2,7 Milliarden Franken liess sich die SIX damals in Form von Worldline-Aktien auszahlen. Seither reduzierte sie ihren Anteil mehrfach von ursprünglich 27 Prozent auf 10,5 Prozent.
«Es ist ein starkes Misstrauenssignal, dass das Management der SIX nicht an der Kapitalerhöhung teilnimmt», sagt Meili. Laut ihm hätte die Börsenbetreiberin ihre Beteiligung an Worldline schon lange verkaufen sollen – am besten 2018, gleich nachdem sie die Transaktion getätigt hat.
Dass sie an der Kapitalerhöhung nicht teilnehme, habe nicht mit ihrer Einschätzung von Worldline zu tun, schreibt die Börsenbetreiberin auf Anfrage. Es zeige vielmehr die Prioritäten der SIX bei der Kapitalallokation sowie ihre Verantwortung gegenüber ihren Aktionären.
Einen Verkauf ihrer Beteiligung plane sie nicht, schreibt die SIX weiter. Sie habe sich mit der Investition nicht verrechnet. Den Erlös aus der ursprünglichen Worldline-Transaktion 2018 beziffert sie auf 1,38 Milliarden Franken bis zum heutigen Zeitpunkt.
Die Eigentümer geben sich zugeknöpftDie Aktionäre dürften mit der SIX nicht zufrieden sein. Die Börsenbetreiberin gehört rund 120 Schweizer Banken. Offen kritisieren will die SIX niemand. Die Zürcher Kantonalbank, Raiffeisen Schweiz und die UBS als grösste Aktionärin lehnten eine Stellungnahme zu den jüngsten Wertberichtigungen ab.
Der UBS-Chef Sergio Ermotti hat die SIX in der Vergangenheit jedoch bereits öffentlich kritisiert. Der 550-Millionen-Abschreiber dürfte seine Einschätzung nicht verbessert haben. In den vergangenen beiden Quartalen hat die Grossbank wegen ihrer Beteiligung an der Börsenbetreiberin Verluste verbucht.
Im ersten Halbjahr waren es rund 26 Millionen Franken in ihrem Schweiz-Geschäft (Personal & Corporate) sowie der globalen Vermögensverwaltung. Im dritten Quartal kamen noch einmal 81 Millionen Franken im Bereich Personal & Corporate und 38 Millionen Dollar in der globalen Vermögensverwaltung hinzu.
Trotz ihrem prognostizierten Verlust von 300 Millionen Franken stellt die Börsenbetreiberin ihren Eigentümern eine stabile Dividende für 2025 in Aussicht. Sie rechtfertigt dies auf Anfrage mit dem positiven Trend im operativen Geschäft. Dieses sei auch massgebend für die Berechnung der Dividenden.
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