Wie grüner Tee die Funktion der Schilddrüse beeinflusst

Für unsere Autorin schmeckt er nur nach Gras. Aber Grüntee hat ein gutes Image und ist angeblich sehr gesund. Allzu viel sollte man davon allerdings nicht trinken.
John S Lander / Light Rocket / Getty
Zwei Liter grünen Tee hat einer meiner Arbeitskollegen noch bis vor kurzem pro Tag getrunken. Er liebe das Getränk, sagte er. Ausserdem sei grüner Tee doch eigentlich total gesund. Eigentlich. Bei einem Check-up wurde ihm nun eine Schilddrüsenüberfunktion diagnostiziert. Dann hiess es: Der Tee sei schuld.
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In dieser Kolumne werfen Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin und Gesundheit.
Der Fall hinterliess bei mir mehrere Fragezeichen. Zunächst einmal: Wie schafft man es, zwei Liter grünen Tee pro Tag zu trinken? Ich hatte einmal eine Phase, in der ich diesen Tee lieben lernen wollte. Mehrere meiner Freunde tranken ihn täglich, eine Freundin handelte sogar damit. Aber sosehr ich mir das grasig schmeckende Getränk auch hinunterzwang, es half nichts. Am Ende kehrte ich zurück zum guten alten Kaffee. Ich fand das damals schade. Bei der Tee-Fachsimpelei konnte ich nicht mitreden. Und entging mir nicht vielleicht sogar ein Mehrwert? Schliesslich hatte ich – genau wie mein Kollege – gehört, dass grüner Tee angeblich die Gesundheit fördert.
Aber tut er das wirklich? Beim wissenschaftlichen Netzwerk Cochrane ist vor einigen Jahren eine Übersichtsstudie zu den potenziellen gesundheitlichen Vorteilen von grünem Tee erschienen. Konkret ging es darum, ob das Getränk tatsächlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugt. Das Urteil: Es gibt zwar Hinweise darauf, dass sich grüner (und schwarzer) Tee günstig auf Blutfettwerte und Blutdruck auswirkt. Aber die Studienlage ist schlecht. Ich würde das so interpretieren: Tee hat möglicherweise gewisse positive Wirkungen, ein Wundermittel ist er wohl eher nicht.
Bis vor kurzem hätte ich aber gesagt: Es kann zumindest nicht schaden, wenn man ihn trinkt. Dann erzählte mir mein Kollege von seinem Erlebnis. Hat das Getränk ihm eine Überfunktion der Schilddrüse beschert? Ich bin unsicher. Bei der Recherche bekomme ich den Eindruck, dass grüner Tee – wenn überhaupt – eher zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen könnte.
Zur Sicherheit frage ich bei Philipp Schütz nach. Der Ernährungsmediziner ist Präsident der Schweizerischen Ernährungskommission. Er weiss, welche Auswirkungen die verschiedenen Lebensmittel auf die Gesundheit haben. Er bestätigt mir: Trinkt man grünen Tee in enormen Mengen, sollte das eher eine Unterfunktion der Schilddrüse zur Folge haben. Grüner Tee enthält nämlich Stoffe, die die Aufnahme von Jod im Darm hemmen können. Die Schilddrüse braucht Jod, um Hormone zu produzieren.
Ganz ausschliessen kann er aber nicht, dass der grüne Tee etwas mit der Überfunktion zu tun hat. Neigt das Organ ohnehin zur Überfunktion, könnte es laut Philipp Schütz durch sehr hohe Mengen an Grüntee womöglich noch weiter aus dem hormonellen Gleichgewicht geraten. Er betont allerdings auch: «Tee-Dosierungen im üblichen Rahmen sind sicher und sogar gesundheitsfördernd.» Ich meine: Zwei Liter Grüntee pro Tag sind eine eher unübliche Menge.
Aber ich muss zugeben, auch ich habe merkwürdige Getränkevorlieben. Ich trinke seit Jahren ähnlich hohe Mengen an Getreidekaffee. Bis jetzt geht es mir gut damit.
Bereits erschienene Texte unserer Kolumne «Hauptsache, gesund» finden Sie hier.
nzz.ch