Auch Top-Sportler stoßen an natürliche Grenzen: Studie deckt Limit der Ultra-Ausdauer auf

Weit, weiter, am weitesten: Wenn Ultraläufer ihre Schuhe schnüren, laufen sie meist für viele Stunden, teilweise sogar über Tage und Wochen hinweg. Für Körper und Geist ist das eine absolute Höchstleistung, die die Grenze der Ausdauer- und Leistungsfähigkeit immer wieder neu auslotet. Ein Team des Massachusetts College of Liberal Arts und der Duke University hat diese Grenzen nun in einer im Fachmagazin „Cell Press“ veröffentlichten Studie genauer definiert.
Dafür untersuchte das Team die Obergrenze des Stoffwechsels der Sportlerinnen und Sportler: Wie viele Kalorien kann der Körper während der Wettkampfphase und im Durchschnitt über einen längerfristigen Zeitraum von bis zu einem Jahr verbrennen? „Wir wollten wissen, ob eine Gruppe von wirklich wettbewerbsfähigen Ultra-Sportlern in der Lage ist, die Stoffwechselgrenze zu durchbrechen“, erklärt Studienautor Andrew Best. Für die Studie hat der Anthropologe insgesamt 14 Wettkampf-Ausdauerathletinnen und -athleten untersucht – vor allem aus dem Bereich des Ultra-Laufens, aber auch Radfahren und Triathlon.

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Bereits bekannt ist: Über einen kurzen Zeitraum hinweg können Menschen teilweise das Zehnfache von dem verbrennen, was ihr Stoffwechsel im Ruhezustand verbraucht. Und auch hoch trainierte Ultra-Athletinnen und -Athleten verbrennen während der mehrtägigen Rennen das Sechs- bis Siebenfache ihres Grundumsatzes – teils deutlich mehr als 7000 Kalorien pro Tag.
Das funktioniere aber nicht unendlich lange, erklärt Andrew Best vom Massachusetts College of Liberal Arts. Würde der Kalorienverbrauch auch nach einem Wettkampf so hoch bleiben, hätte es schwerwiegende Folgen für die Athletinnen und Athleten: „Wenn man die Obergrenze für kurze Zeit überschreitet, ist das in Ordnung und man kann es später wieder ausgleichen. Aber auf lange Sicht ist das nicht nachhaltig, weil der Körper beginnen würde, Gewebe abzubauen.“
Deshalb versuchten die Forschenden herauszufinden, wo die durchschnittliche Obergrenze über einen Zeitraum von bis zu 52 Wochen liegt und schlossen so auch Trainings- und Erholungszeiten in die Untersuchung ein. Ihre Erkenntnis: „Der maximale tägliche Energieverbrauch des Menschen ist in der Regel durch eine metabolische Obergrenze begrenzt. Innerhalb des Untersuchungszeitraums von 52 Wochen überschreitet der Energieverbrauch der Ultrasportler durchschnittlich das 2,4- bis 2,5-fache des Grundumsatzes nicht.“ Auch extreme Ausdauerleistungen haben also eine natürliche biologische Grenze.

Kein Messwert aus der Fitnesswelt hängt so stark mit der Lebenserwartung zusammen wie der VO₂max. Die gute Nachricht ist: Sie können ihn durch richtiges Training deutlich erhöhen – und damit das eigene Sterberisiko senken.
Zur Verdeutlichung: Bei erwachsenen Frauen geht man der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zufolge von einem durchschnittlichen Energiebedarf von etwa 1800 bis 2500 Kalorien aus, bei Männern um die 500 Kalorien mehr, jeweils abhängig von der körperlichen Aktivität.
Ultraläufer und andere hochtrainierte Ausdauersportlerinnen und -sportler verbrauchen der Studie zufolge im Schnitt aufs Jahr gerechnet pro Tag 2,5-mal so viel. Das können, je nach Geschlecht, Alter und Gewicht des Sportlers, deutlich mehr als 4000 Kalorien sein. Um diese Energiemenge zu sich zu nehmen, müsste man beispielsweise etwa zehn große Bananen, drei Teller Pasta, zwei Tafeln Schokolade und fünf belegte Brötchen essen – jeden einzelnen Tag.
Wie genau sich die Werte entwickeln, hinge aber auch vom individuellen Körperbau der Sportlerinnen und Sportler ab. Generell gilt: Um den Energiebedarf zu decken, spart der Körper in solchen Situationen an anderen Stellen, erklären die Studienautoren: „Wir fanden Hinweise darauf, dass alle nicht mit dem Laufen verbundenen Aktivitäten während Wettkämpfen stark reduziert sind.“ Auch andere Körperfunktionen können davon betroffen sein, beispielsweise habe man bei einigen Ultraläuferinnen und Ultraläufern einen niedrigeren Testosteronspiegel festgestellt, so das Team weiter.
Und Andrew Brest ergänzt: „All diese Ermüdungserscheinungen, die wir spüren, sparen Kalorien.“ Das Team hofft, dass die Erkenntnisse helfen, körperliche Grenzen besser zu verstehen und langfristig die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Ausdauersportlerinnen und Ausdauersportlern zu fördern.
Für Freizeitsportlerinnen und -sportler bieten die Ergebnisse übrigens keine Ausrede: Die Angst, der Körper würde nach einem kurzen Besuch im Fitnessstudio wichtige andere Prozesse herunterfahren, sei unbegründet: „Um das 2,5-fache des Grundumsatzes des Stoffwechsels zu erreichen, müsste man ein Jahr lang durchschnittlich rund 18 Kilometer pro Tag laufen. Die meisten Menschen, mich eingeschlossen, würden sich verletzen, bevor irgendeine Art von Energiegrenze zum Tragen kommt“, so Best.
RND/dpa
rnd