Die umfassendste Karte der menschlichen DNA ist fertig und eröffnet den Weg für maßgeschneiderte Medizin.

Die umfassendste Karte des menschlichen Genoms, die jemals erstellt wurde, eröffnet neue Wege für eine personalisierte Medizin und maßgeschneiderte Therapien. Sie entschlüsselt komplexe, bislang schwer fassbare DNA-Variationen, die eine große Bandbreite von Eigenschaften beeinflussen – von der Verdauung über die Immunreaktion bis hin zur Muskelkontrolle – und daher bei vielen Krankheiten eine entscheidende Rolle spielen.
Dieser bedeutende Fortschritt im Verständnis des menschlichen Genoms ist das Ergebnis zweier groß angelegter internationaler Studien, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht und vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf geleitet wurden. Die neue Karte baut auf zwei wichtigen Erfolgen der letzten Jahre auf: der ersten vollständigen Sequenzierung eines einzelnen menschlichen Genoms, die 2022 veröffentlicht wurde, und dem ersten Entwurf eines Pangenoms, das die globale genetische Vielfalt abbildet und 2023 von 47 Individuen gewonnen wurde.
Die neuen DatenDie neuen, öffentlich zugänglichen Daten erweitern beide Bemühungen erheblich und schließen 92 % der verbleibenden Lücken dank neuer Technologien, die es ermöglichen, viel längere DNA-Sequenzen – bis zu Zehntausende von Basen – auf einmal zu lesen und richtig zu interpretieren.
„Vor etwa 15 Jahren basierte die Sequenzierung des menschlichen Genoms meist auf dem Lesen kurzer DNA-Abschnitte, was für die Rekonstruktion eines vollständigen Genoms nicht ausreichte“, sagt Jan Korbel vom EMBL, der die Forscher zusammen mit Tobias Marschall von der Universität Berlin koordinierte. „Seit etwa fünf Jahren ist es jedoch dank neuer kommerziell verfügbarer Technologien möglich, menschliche Genome systematisch zu sequenzieren“, kommentiert Korbel. „Dank dieser Technologien können nun auch deutlich längere DNA-Abschnitte entschlüsselt werden.“
Genetische VariationenGenetische Variationen tragen dazu bei, jeden Menschen einzigartig zu machen. In ihrer ersten Arbeit untersuchte das Forschungsteam 1.019 Genome aus dem Datensatz des 1000-Genome-Projekts, die 26 Populationen auf fünf Kontinenten umfassen. Mithilfe von Langlese-Sequenzierungsmethoden erstellten die Forscher detaillierte Karten der strukturellen Variationen in den Genomen der Kohorte. „Die ursprüngliche Initiative“, sagt Sarah Hunt, Co-Autorin der Studie, „erstellte eine Karte variabler Genompositionen in der menschlichen Bevölkerung. Dies ermöglichte uns die systematische Suche nach Regionen, die mit häufigen Krankheiten assoziiert sind. Unsere Version ist präziser und detaillierter und wird uns die Suche nach neuen Krankheitszusammenhängen ermöglichen.“
Die zweite Forschungsgruppe stützte sich auf eine Stichprobe von 65 Individuen, kombinierte jedoch mehrere leistungsstarke Sequenzierungsmethoden, um vollständigere Genome zu erstellen als bisher möglich. „Diese Arbeit“, betont Hunt, „eröffnet neue biologische Erkenntnisse und wirft Licht auf Teile des Genoms, die wir bisher nicht sehen konnten.“
Genetische ErkrankungenDie Ergebnisse sind von enormer klinischer Bedeutung, da sie einen Maßstab für die Identifizierung und Verifizierung genetischer Variationen bei Krankheiten darstellen. In einem dritten Experiment zeigten die Forscher, dass die Verwendung des größeren Datensatzes, bestehend aus 1.019 Genomen, die Genauigkeit bei der Identifizierung krankheitsassoziierter Varianten im Vergleich zu früheren Methoden deutlich verbesserte. „Diese Studien“, so Marschall abschließend, „sind ein hervorragendes Beispiel für kollaborative Forschung, die neue Perspektiven in der Genomforschung eröffnet und einen Schritt hin zu einem vollständigeren menschlichen Pangenom darstellt.“
repubblica