Shrinkflation unter der Lupe: Zwischen Transparenz und neuen Regeln

Shrinkflation ist ein viel diskutiertes Phänomen, insbesondere in Zeiten hoher Inflation. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern „to shrink“ (schrumpfen) und „inflation“ (Inflation) zusammen und bezeichnet die Praxis, bei der Hersteller die Produktmenge in einer Verpackung reduzieren, während der Preis unverändert bleibt.
Tatsächlich handelt es sich um eine „versteckte“ Erhöhung des Preises pro Maßeinheit. Diese Strategie ermöglicht es Unternehmen, den Anstieg der Rohstoff-, Energie- und Logistikkosten zu bewältigen, ohne den Nominalpreis zu erhöhen, was die Verbraucher abschrecken könnte. Im aktuellen inflationären Kontext ist die Schrumpfung häufiger geworden und wirft wichtige Fragen der Transparenz und des Verbraucherschutzes auf, auch angesichts der neuen italienischen Gesetzgebung, die auf europäischer Ebene kritisiert wurde. Im Folgenden veröffentlichen wir den Beitrag von Elena Varese und Federico Maria Di Vizio von der internationalen Anwaltskanzlei DLA Piper
Der Begriff „ Shrinkflation “ setzt sich aus dem englischen Verb „ to shrink“ und dem englischen Wort „ Inflation “ zusammen und bezeichnet allgemein die versteckte Mengenreduzierung eines Produkts bei gleichbleibendem Preis. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem angelsächsischen Kontext und verbreitete sich zunehmend auch in der europäischen und italienischen Debatte, bis er schließlich in den normativen und journalistischen Wortschatz Einzug hielt.
Shrinkflation bezeichnet die Praxis, dass einige Hersteller von Konsumgütern die Menge eines Produkts reduzieren, den Preis jedoch unverändert lassen und die Verbraucher nicht ausdrücklich auf die Mengenreduzierung aufmerksam machen. Dieses Phänomen hat im jüngsten inflationären Kontext, der durch steigende Rohstoff-, Energie- und Logistikkosten gekennzeichnet ist, einen fruchtbaren Boden gefunden und wirft heute zunehmend Fragen hinsichtlich der Transparenz gegenüber den Verbrauchern auf.
Das Hauptrisiko besteht darin, dass der Verbraucher nicht erkennt, dass er eine geringere Produktmenge zum üblichen Preis kauft, insbesondere weil die Produktverpackung in der Regel identisch bleibt. Gerade die Notwendigkeit, die Verbraucher zu schützen und Transparenz hinsichtlich der Verkaufsbedingungen zu gewährleisten, hat zu ersten Gesetzesinitiativen und in einigen Ländern zur Verabschiedung von Vorschriften zur Regulierung dieses Phänomens geführt.
Wie im kürzlich erschienenen Global Guide to Shrinkflation von DLA Piper dokumentiert, der unter dem folgenden Link verfügbar ist und einen hilfreichen Überblick über den rechtlichen Status des Shrinkflation -Phänomens in 26 europäischen und außereuropäischen Rechtsräumen bietet, ist die internationale Regulierungs- und Gesetzgebungslandschaft noch immer fragmentiert.
Viele Staaten prüfen derzeit Gesetzesvorschläge oder offizielle Empfehlungen, während bislang nur wenige EU-Länder – darunter Italien, Frankreich, Ungarn und Rumänien – konkrete Regelungen zu diesem Thema eingeführt haben.
In Frankreich beispielsweise sind Händler (mit Verkaufsflächen über 400 m²) dazu verpflichtet, in der Nähe von Produkten, bei denen eine Mengenreduzierung für die gleiche Verpackung gilt, einen sichtbaren Hinweis auf die Erhöhung des Stückpreises anzubringen.
In Spanien wird jedoch ein Gesetzesvorschlag diskutiert, der eine spezifische Informationspflicht für vorverpackte Produkte einführt, die der Schrumpfungsflation unterliegen, mit einem expliziten Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Mengenreduzierung und Preiserhöhung pro Maßeinheit.
In anderen Ländern wie Belgien, den Niederlanden, Österreich und Schweden wurde die Debatte durch parlamentarische Vorschläge oder Initiativen von Verbraucherverbänden angestoßen, führte aber bisher nicht zu verbindlichen Maßnahmen.
Wir weisen außerdem darauf hin, dass in einigen Staaten (darunter Deutschland, Österreich und Spanien) bereits Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Reduzierung der Produktmenge auf der Grundlage allgemeinerer Vorschriften zum Schutz der Verbraucher vor irreführenden Geschäftspraktiken entstanden sind. Mangels spezifischer Vorschriften kann Shrinkflation tatsächlich unter die Hypothese der Unterlassung oder irreführenden Information fallen, die die Verbraucherrechte beeinträchtigt, wie dies auch in Italien von der AGCM anerkannt wurde.
Wie bereits erwähnt, hat Italien eine der wenigen Bestimmungen in Europa eingeführt, die sich speziell mit der Schrumpfflation befassen.
Artikel 15- bis des Verbraucherschutzgesetzes, der am 1. Oktober 2025 in Kraft tritt, verpflichtet Hersteller, den Verbraucher zu informieren, wenn bei einem Produkt – bei Beibehaltung der Originalverpackung – eine Reduzierung der Nennmenge und eine damit verbundene Erhöhung des Preises pro Maßeinheit erfolgt. Diese Information muss sechs Monate lang ab dem Datum des Inverkehrbringens des Produkts im Hauptsichtfeld der Verpackung oder auf einem speziellen Klebeetikett mit dem Wortlaut „ Diese Verpackung enthält ein Produkt mit einer geringeren Menge als X (Maßeinheit) im Vergleich zur vorherigen Menge “ angebracht sein.
Obwohl die Bestimmung dem Verbraucherschutz dient, hat ihre Formulierung bei Wirtschaftsakteuren, Juristen und europäischen Institutionen Zweifel geweckt.
Im Rahmen des TRIS-Verfahrens (ein europäischer Mechanismus zur Vermeidung von Binnenmarkthemmnissen, indem er die Mitgliedstaaten verpflichtet, der EU-Kommission alle neuen technischen Vorschriften mitzuteilen, die den freien Warenverkehr behindern könnten) hat die EU-Kommission eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, in der sie erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Bestimmung mit EU-Recht äußert.
Die EU-Kommission hat insbesondere die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme im Hinblick auf das verfolgte Ziel (Verbraucherinformation) hervorgehoben, da Letzteres mit weniger belastenden Instrumenten wie Regalkennzeichnungssystemen oder Hinweisen an der Verkaufsstelle erreicht werden könnte, und dies mit geringeren Auswirkungen auf den freien Warenverkehr auf dem EU-Markt - einem Eckpfeiler der Wirtschaft der Europäischen Union - hätte. Tatsächlich hat die EU-Kommission darauf hingewiesen, dass Maßnahmen wie die italienische den Binnenmarkt fragmentieren und gegen grundlegende Regeln des gemeinsamen Marktes der EU verstoßen können, etwa gegen die Artikel 34 bis 36 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, die auch die Einführung mengenmäßiger Beschränkungen für Ein- und Ausfuhren oder Maßnahmen gleicher Wirkung verhindern. Darüber hinaus haben auch EU-Mitgliedstaaten (Österreich, Schweden und Spanien) negative Kommentare zum italienischen Gesetzesvorschlag abgegeben.
Italien nahm die endgültige Genehmigung der Verordnung vor, woraufhin die Kommission am 12. März 2025 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einleitete.
Angesichts dieser Umstände besteht die reale Gefahr, dass Artikel 15- bis des Verbraucherschutzgesetzes zwar in Kraft tritt, aber seine praktische Wirksamkeit verliert, wenn er von den Gerichten als Verstoß gegen europäisches Recht beurteilt wird. All dies führt zu Unsicherheit bei Herstellern, Händlern und Verbrauchern – genau das, was eine Transparenzregel verhindern sollte.
Der italienische Fall hat eine Debatte über einen zentralen Punkt ausgelöst: das Fehlen einer harmonisierten Reaktion auf europäischer Ebene. Derzeit gibt es keine europäischen Gesetzesinitiativen, die der Schrumpfflation rechtlich begegnen, sondern lediglich erste Konsultationen und Analysen des wirtschaftlichen Phänomens.
Eine mögliche Lösung für die regulatorische Fragmentierung, die den EU-Markt charakterisieren könnte, wäre vermutlich die Verabschiedung einer europäischen Richtlinie, die Mindestkriterien für die Verbraucherinformation und die Art und Weise der Preisangabe pro Einheit definiert und sowohl Herstellern als auch Verbrauchern Sicherheit sowie gleiche Regeln für alle bietet.
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