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Kleinmarkthalle Frankfurt: Ein Traditionsmarkt im Wandel

Kleinmarkthalle Frankfurt: Ein Traditionsmarkt im Wandel

2025 sollen endlich die dringend nötigen Bauarbeiten in der Kleinmarkthalle beginnen. 1954 nach nur elf Monaten Bauzeit (!) eröffnet, steht sie seit 2000 unter Denkmalschutz. Vier Jahre soll saniert werden, bei laufendem Betrieb, der dann in Zelten und mobilen Verkaufswagen fortgesetzt werden soll – so richtig kann sich das noch keiner der Standbetreiber vorstellen. Wir sind davor noch einmal durch die geliebte Markthalle gestreift. Bei Ilse Schreiber, der bekanntesten Standbesitzerin, gerade 85 geworden und topfit, stehen Touristen wie eh und je für heiße Würste Schlange. Wir haben uns nach Händlern umgeschaut, die ihren Job ebenfalls mit viel Herzblut und die Kleinmarkthalle zu einem einmaligen Schlemmer-Kosmos machen.

Alles handgemacht
Antonino Masi (m.) mit seinen Eltern Nella und Carmelo (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Antonino Masi (m.) mit seinen Eltern Nella und Carmelo (Foto: Top Magazin Frankfurt)

„Ich finde es wichtig, dass man etwas macht, was man kann. Und nicht etwas macht, um Geld zu verdienen“, sagt Nella Masi. Und die muss es wissen: Seit vielen Jahren verwöhnt die gebürtige Sizilianerin die Kundschaft des „Alla Vita Buona“ mit herrlich frischen Pasta-Kreationen, leckersten Torten und ihrem legendären Tiramisu. Alles handgemacht, in ihrer winzigen Küche auf der Galerie, wo sie fast ihr ganzes erwachsenes Leben verbracht hat. Seit 1979 beim Vorbesitzer angestellt, hatte sie 1990 den Verkaufsstand italienischer Spezialitäten mit ihrem Mann Carmelo übernommen.

„Ich finde es wichtig, dass man etwas macht, was man kann. Und nicht etwas macht, um Geld zu verdienen.“ – Nella Masi, Alla Vita Buona

Nellas Sohn Antonino Masi hat 1997 mit zarten acht Tagen erstmals Kleinmarkthallenluft geschnuppert, ist hier quasi aufgewachsen und vor zehn Jahren mit ins Geschäft eingestiegen. Den ehemaligen Supermarkt ein paar Meter weiter, der nur noch als Lagerfläche genutzt wurde, verwandelte er kurzerhand in ein Bistro, und erweiterte die Weinkarte um einige besondere Tropfen. „Die Leute lieben die Geselligkeit, treffen sich hier, essen gut und trinken Wein. Von unseren Bistro-Tischen auf der Galerie kann man den Leuten wunderbar beim Einkaufen zusehen, und natürlich gibt’s alle unsere Gerichte auch zum Mitnehmen.“

Nella Masi (Alla Vita Buona) fertigt ihre Pasta nach altem Familienrezept (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Nella Masi (Alla Vita Buona) fertigt ihre Pasta nach altem Familienrezept (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Seitdem sind die Masis auch ins Catering-Geschäft eingestiegen und haben vor drei Jahren mit dem Alla Vita Buona im Westend ein Feinkostgeschäft mit Mittagstisch eröffnet. Letzten Sommer hat Antonino direkt gegenüber im ehemaligen Bistro Taboo den Familienbetrieb um das Ristorante Masi erweitert.

Alle sind per du

Was Nella an ihrem Herd zaubert, ist tatsächlich beste italienische Küche alla Mamma. Ob Ravioli mit Ricotta und Zitrone, Pasta mit Pistazien und Speck oder hausgemachte Linguine mit schwarzem Alba-Trüffel – jedes Gericht wird nach sizilianischer Hausfrauenart zubereitet, kommt verlockend duftend und dampfend auf den Tisch.

Hausgemachte Linguine bei Alla Vita Buona (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Hausgemachte Linguine bei Alla Vita Buona (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Wenn Kunden kommen, die hier seit vielen Jahren einkaufen und ihre Pasta oder Focaccia an den Hochtischen genießen, dann kommt Nella auch mal in ihrer Schürze aus ihrem kleinen Küchenreich heraus, hält das eine oder andere Schwätzchen, „Wir sind alle per du“, lächelt sie. Auch mit den Promis, die regelmäßig zum Schlemmen und Quatschen kommen, über deren Namen sie aber eisern schweigt. Die meiste Zeit des Tages aber bleibt sie unsichtbar in ihrem kleinen Küchenreich, knetet Pasta-Teig, schwingt den Kochlöffel und zaubert unwiderstehliche Soßen und Desserts.

Der Honig-Hohepriester

Nicht zu übersehen ist ein dünner, langer Mann voller Energie, der mitten im bunten Markttreiben Honigsorten anpreist, als wäre er schon immer hier gewesen und hätte nie etwas anderes gemacht. Dabei war es ein Samstag vor anderthalb Jahren auf der Konstablerwache, als sich das Leben von Hannibal Daldaban von einer Sekunde zur anderen honigsüß veränderte.

„An einem Imker-Stand des Wochenmarkts bot man mir eine Limonade an, die unglaublich toll schmeckte. Ohne Industriezucker, nur leicht mit Honig gesüßt, wie Imkereichef Julius Schiesser mir erklärte. Wir kamen ins Gespräch – das war mein absolutes Erweckungserlebnis!“, schwärmt Hannibal, der bis dahin über drei Jahrzehnte lang Frankfurts Nachtleben als Partyveranstalter und Clubbetreiber mitgestaltet hat. „Ich hatte ja überhaupt keine Ahnung von Honig. Ich wollte mehr wissen, hab mich informiert. Und voll die Honig-Passion entwickelt. Vom Saulus zum Paulus sozusagen.“

Hannibal „Honey“ Daldaban in seinem Honig-Universum in der Kleinmarkthalle (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Hannibal „Honey“ Daldaban in seinem Honig-Universum in der Kleinmarkthalle (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Schiesser bot dem aufgeschlossenen, wissbegierigen und redegewandten Schlaks kurz drauf eine Chance im Verkauf an. Eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erwies: Im Juni 2023 machte Imker Schiesser den Stand in der Kleinmarkthalle auf – das Reich des Hannibal, der hier als Satellit und Außenminister gleichzeitig agiert und in kürzester Zeit zum Promotion-Marketing-Head der Imkerei aus Grävenwiesbach avancierte. Seiner ansteckenden Begeisterung für das Naturprodukt Honig kann sich kaum einer entziehen, der durch die Kleinmarkthalle schlendert und staunend vor dem umfangreichen, nach Farben gekennzeichnetem Sortiment, stehen bleibt: Blau steht für Europa, Rot für Deutschland und Grün für regionale Honige, erklärt Hannibal, und seine Augen leuchten.

„Honig, das ist voll das Universum.“ – Hannibal Daldaban, Imkerei Schiesser

150 eigene Bienenstöcke hegen, pflegen und schützen die Brüder Marek und Julius Schiesser mit ihrer Familienimkerei im Taunus und umliegenden Regionen und arbeiten mit kleinen, privaten Imkereien zusammen. Jede Honigsorte stammt, wie beim Wein, aus einem einzigen Sammelgebiet mit eigenen Boden-, Klima- und Lagebedingungen, Flora und Fauna, was seinen besonderen Geschmack charakterisiert. Wenn der Ex-Veranstalter von Honigsorten schwärmt, sprudeln Sätze wie „Honig, das ist voll das Universum!“ aus ihm heraus.

35 Honigsorten aus dem Taunus, Deutschland und Europa gibt es zu entdecken (Foto: Top Magazin Frankfurt)
35 Honigsorten aus dem Taunus, Deutschland und Europa gibt es zu entdecken (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Hannibal Daldaban ist überzeugt, dass ihm seine Leidenschaft schon mit dem Namen in die Wiege gelegt wurde: „Ich wurde schon immer Honey genannt. Und Bal heißt auf Türkisch Honig – also bin ich der geborene Doppelhonig“, sagt er. Mit Veranstaltungen sei endgültig Schluss, das mache null Spaß mehr, die Leute seien immer unzufrieden: „Hier, mit dem Honig, bin ich happy. Es macht mir Spaß und die Leute sind glücklich. Ich freue mich schon auf meine Wanderung zu den Bienen. Für mich gibt es kein schöneres Geräusch als das Summen“, sprudelt es aus dem Hohepriester des Honigs heraus. Und man denkt: Fehlt eigentlich nur noch die Imker-Schutzkleidung.

Die Gewürzpioniere in der Kleinmarkthalle

An Stand 78/79, bei Gewürzhändler Karl Müller & Co. ist Schutzkleidung manchmal durchaus notwendig: Nämlich dann, wenn Carolina Reaper abgepackt wird, seit 2023 laut Guinness Buch der Rekorde die schärfste Chilisorte der Welt. Tausendmal so scharf wie ein Jalapeño. Dann zieht Elisabeth Rittgardt, die das Familienunternehmen in dritter Generation führt, Maske, Handschuhe und Taucherbrille an, denn der „Sensenmann aus California“ kann bei Berührung Atemnot, Augenreizungen und extreme Kopfschmerzen auslösen. „Wir haben einige Kunden, die kochen gerne mit California Reaper“, lächelt Rittgardt, die neben jedem erdenklichen exotischen Gewürz aus aller Welt auch Kräuter, Öle, Saucen, Seifen und Nüsse anbietet.

Elisabeth Rittgardt führt den Gewürzstand Karl Müller & Co. in dritter Generation (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Elisabeth Rittgardt führt den Gewürzstand Karl Müller & Co. in dritter Generation (Foto: Top Magazin Frankfurt)

„Wir verpacken und mahlen alle Gewürze selbst“, sagt sie stolz. Ob süß, bitter, fruchtig, scharf oder salzig – jedes einzelne Gewürz ist frisch, die Mischungen werden nach eigenen Rezepten gemacht, seit 77 Jahren: „Mein Opa Karl interessierte sich für Gewürze und gründete 1948 seinen Gewürzhandel Karl Müller in Wiesbaden. Damals gab es kaum exotische Gewürze, die Leute kochten ja ganz anders“, erklärt Elisabeth. „Schnell sprach sich herum, dass er schmackhafte Mischungen herstellt, für Gulasch- und Hackfleisch etwa. So etwas gab es bisher noch nicht und fand reißenden Absatz.“ Alle Rezepte wurden im Lauf der Jahrzehnte immer weiter verfeinert, und nie sei eine Mischung zu Ende ausgefeilt, erklärt Elisabeth Rittgardt.

Karl und Helene Müller sind die Gewürzpioniere der Kleinmarkthalle. Am Tag der Eröffnung am 29. März 1954 hatten sie den einzigen Gewürzstand weit und breit. Während Karl das Geschäft in Wiesbaden mit seinem Sohn weiterführte, schmiss Helene zusammen mit den Töchtern, darunter Elisabeths Mutter Gabriele, die Geschäfte in der Kleinmarkthalle. Die meisten ihrer 102 Lebensjahre verbrachte Helene glücklich zwischen Pfeffersäcken, Vanillestangen und Meersalzkisten, ein altes Foto am Stand zeigt sie strahlend hinterm Tresen.

Auch besondere Seifen, Saucen, Nüsse und Öle gehören zum Müller-Sortiment (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Auch besondere Seifen, Saucen, Nüsse und Öle gehören zum Müller-Sortiment (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Auch Elisabeth, die Enkelin, wuchs hier auf, übernahm den Stand mit 20: „Schon als Kind fand ich die vielfältigen Gerüche und Farben toll, habe mit Hingabe Tütchen mit Pulvern, Kräutern, Blättern, Blüten, Wurzeln, Körnern, Samen und Kernen abgepackt. Zu Hause neben meinem Kinderzimmer, da war das Lager“, erinnert sie sich lächelnd. Ihre eigenen Kinder helfen auch schon mit, Mutter, Tante, Cousine und Schwester in Wiesbaden und St. Gallen in der Schweiz kreieren bis heute eigene Rezepte für Fleisch, Fisch, Gemüse, Salate, Gebäck und Desserts. Ohne künstliche Farbstoffe, Aromen oder Geschmacksverstärker.

Manchmal kommen Kunden mit einem Gewürz aus dem Urlaub und möchten es nachgemischt haben: „Wir probieren dann einfach aus. Marokko Ras al Hanout etwa ist so entstanden, eine exotische Mischung, die laut unseren Kunden nirgendwo so gut schmeckt wie bei uns. Viele Händler bestellen alles fertig. Meist dort, wo es gerade am günstigsten ist“, schüttelt Elisabeth den Kopf. „Wir arbeiten mit Importeuren und Lieferanten, auf deren Qualität wir uns seit vielen Jahren verlassen können und mischen vor Ort.“

„Die Mischung ‚Ich will aufs Ei‘ verkaufen wir tonnenweise. Passt perfekt zu jedem Ei, ob gekocht, gerührt oder gespiegelt.“ – Elisabeth Rittgardt, Karl Müller & Co.

Der absolute Renner, sagt Elisabeth, sei die Mischung „Ich will aufs Ei“ mit Meersalz, Pfeffer, Zwiebel, Knoblauch, Chili, Paprika, Tomate und Petersilie: „Das hat sich meine Mutter ausgedacht, und wir verkaufen es tonnenweise. Passt perfekt zu jedem Ei, ob gekocht, gerührt oder gespiegelt.“ Zahlreiche Stammkunden schwören auf die Gewürzmischungen nach überlieferten Rezepten der Volksheilkunde, wie etwa die Mischung Cumin, Muskat und Koriander gegen Arthrose „Seit ich täglich zwei Teelöffel davon morgens in einem Glas Tomatensaft trinke, ist es viel besser geworden“, verrät uns ein Kunde.

Thai-Brokkoli aus Oberrad in der Kleinmarkthalle
Gisela Wong und Tochter Elisabeth bieten Exotisches aus Oberrad und aller Welt (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Gisela Wong und Tochter Elisabeth bieten Exotisches aus Oberrad und aller Welt (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Manchmal begeistern sich Kunden nicht nur für die Waren, sondern auch diejenigen, die sie feilbieten. Wie Simon Wong aus Malaysia, der Frühlingsrollen zubereiten will und auf der Suche nach Sojasprossen durch die Kleinmarkthalle streift. So was Exotisches hat man am Gemüsestand anno 1978 noch nicht vorrätig, „das muss beim Lieferanten bestellt werden“, erklärt Gisela Olbrich Herrn Wong, der sich prompt in die Oberräder Gärtnerin verliebt. „Er hat ein paar Tage später meinem Chef meine Telefonnummer abgeschwatzt und mich angerufen. So sind wir zusammengekommen“, erinnert sich Gisela Wong lächelnd.

Der geschäftstüchtige Chinese und die junge Gärtnerin aus Oberrad sind ein Perfect Match: „Wir heirateten und mein Mann hatte die Idee, in unserer Familiengärtnerei, die Blumen- und Rosenkohl anpflanzte, seine geliebten Sojasprossen und anderes asiatisches Gemüse zu züchten.“

Alle Kürbissorten wachsen in Oberrad (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Alle Kürbissorten wachsen in Oberrad (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Mit dem VW-Bulli seien sie nach Holland gefahren, um Gemüse und Samen einzukaufen, die sie in Oberrad anpflanzten, erinnert sich Gisela lächelnd. Südamerikanische und asiatische Spezialitäten kamen über Lieferanten hinzu. Die Nachfrage stieg, denn Frankfurt wurde internationaler: „Frauen und Männer von den Philippinen kamen zu Hunderten nach Frankfurt, um in den Krankenhäusern zu arbeiten. Es folgten viele Latinos. Diese Menschen brauchten für ihre heimische Küche bestimmte Grundnahrungsmittel, wünschten sich von uns diesen einen Zucker, dieses bestimmte Mehl, das wir dann bestellten.“ Bis heute sind Maniokmehl aus Brasilien und Maismehl aus Venezuela, sogenanntes Pan, eines der gefragtesten Lebensmittel, sagt Gisela.

Internationales Angebot in der Kleinmarkthalle

Wongs Asia Latino ist seit 45 Jahren eine Institution in der Kleinmarkthalle, mit einem schier unerschöpflichen internationalen Angebot: Von Speckkrusten aus Dänemark, Reisnudeln aus Thailand und Guaven-Marmelade aus der Dominikanischen Republik bis Kochbananen aus Ecuador. Einzigartig sind die asiatischen Gemüsesorten wie Thai-Brokkoli, Pak Choi, Hokkaido, Kabocha-Kürbisse und Kalettes, eine Züchtung aus Grün- und Rosenkohl, aus eigenem Anbau: „Simon und ich haben den asiatischen Touch in die Kleinmarkthalle gebracht“, sagt sie nicht ohne Stolz.

„Wir haben uns den Bedürfnissen und Wünschen unserer Kunden aus aller Welt immer angepasst.“ – Gisela Wong, Asia Latino

Ein Freund ihres Mannes aus Hongkong kocht am Stand authentische, würzige Nudelsuppen, die reißenden Absatz finden: „Wir haben uns den Bedürfnissen und Wünschen unserer Kunden aus aller Welt in all den Jahren immer angepasst“, sagt Gisela Wong. Sohn Eddi und Tochter Elisabeth arbeiteten bereits als Kinder mit. Elisabeth hat das Angebot um frisch gepresste Säfte erweitert: „Eine vitaminreiche, gesunde Alternative zu den anderen Dingen, die wir anbieten“, lacht sie. Ihre Kreationen wie „Supergrün“ mit Pak Choi, Ingwer, Apfel, Zitrone, Gurke, Sellerie und Petersilie oder „Muchas Grassias“ mit Pak Choi, Minze, Avocado, Weizengras, Apfel, Limette, Bananen und Datteln sind ein Gedicht.

Seit einiger Zeit sind Microgreens gefragt, junge Keimsprossen aus Radieschen, Sonnenblumen, Basilikum und viele mehr. Sie beinhalten eine besonders hohe Dichte an Nährstoffen, gelten als sogenannte Superfoods. Klar, dass Gisela Wong eine Auswahl frischester Microgreens im Angebot hat.

Beste Schinken und ein Skandal
Familie Teo's Delikatessen: Georgios „Gogo“ Asimyadis (r.) mit seinen Eltern Marya und Teofanis (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Familie Teo’s Delikatessen: Georgios „Gogo“ Asimyadis (r.) mit seinen Eltern Marya und Teofanis (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Die Microgreens waren es, die Standnachbar Georgios Asimyadis, von allen nur Gogo genannt, von Teo’s Delikatessen zu neuen Salatkreationen inspiriert hat. Sechs Monate war er, als seine Eltern Teofanis und Marya Asimyadi das Geschäft 1979 gründeten, Gogo übernahm 2003 und kennt die Wongs schon sein ganzes Leben: „Sie bauen fast alles selber an und haben ein enormes Fachwissen. Ich wäre selbst ja nie auf die Idee gekommen, Erbsensprossen zu verwenden, aber Gisela hat uns welche hingestellt. Ich war erstaunt, wie intensiv die nach Erbsen schmecken.“

„Es ist geschmacklich ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob du ein und denselben Schinken selbst entbeinst oder nicht.“ – Gogo Asimyadis, Teo´s Delikatessen

Teo’s Delikatessen ist in den letzten zwei Jahrzehnten mehr und mehr zum Treffpunkt für Feinschmecker und Genießer avanciert. Die Auswahl an Schinken, Salami, Käse und Antipasti ist riesig, die Schinkentheke gilt als eine der hochwertigsten der Stadt. Was zum einen an den Top-Importeuren liegt, zum anderen aber auch, weil alle Schinken traditionell am Knochen reifen und erst in der Kleinmarkthalle entbeint werden: „Es ist geschmacklich ein Unterschied wie Tag und Nacht, ob du ein und denselben Schinken selbst entbeinst oder nicht“, sagt Gogo.

30 Monate gereift und vor Ort entbeint: Prosciutto San Daniele Castello Kings (Foto: Top Magazin Frankfurt)
30 Monate gereift und vor Ort entbeint: Prosciutto San Daniele Castello Kings (Foto: Top Magazin Frankfurt)

20 Schinkensorten, alleine fünf aus der Provinz Parma, liegen verlockend in der Kühltheke, vom Jamón Ibérico Bellota von iberischen Schweinen, die sich nur von Früchten und Eicheln der Steineiche ernähren, über den zartschmelzenden „Le Noir de Bigorre“ aus den französischen Pyrenäen bis zum Culatello, Serrano und Bayonner Schinken. Am lebhaften Stand, den der Eintracht-Adler schmückt, mischen sich die Flaneure mit Bankern, Studenten, Juristen, Ärzten, Eintracht-Fans und -Funktionären, stoßen mit erlesenen Weinen an und genießen üppige Schinkenplatten, knusprige Focaccias und Antipasti-Teller.

Neben den edlen Tropfen wird der eine oder andere Skandal Nr. 1, ein selbst gemachter Limoncello, als Shot oder in drei Mix-Varianten ausgeschenkt. Viele genießen bei Teo’s auch einfach einen entspannten Espresso oder Cappuccino – zum Reden und Austauschen findet sich hier immer jemand. Vor allem Freitagnachmittag und Samstag geht an den gemütlichen Tischen ohne Reservierung nichts.

Ein Antipasti-Teller gehört für viele zum Besuch dazu (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Ein Antipasti-Teller gehört für viele zum Besuch dazu (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Stammgäste drängeln sich gut gelaunt in den Gängen rund um den Stand, hinterm Tresen wirbelt ein achtköpfiges Team auf kleinstem Raum, wie es internationaler nicht sein kann: Maic aus Portugal, Ricardo aus Chile, Kim aus Usbekistan, die Griechinnen Rania und Sandra, Anja aus Polen, Wlad aus Russland, Fabian aus Frankfurt sowie Gogo und seine Mama Maria, eine absolute Kleinmarkthallen-Institution, erfüllen flott und freundlich jeden Wunsch.

Genuss beginnt mit Freundlichkeit

Im Vergleich zu den Alteingesessenen ist der Feinkoststand von Alireza Alasti noch ein Baby – aber was für eins! Vor elf Jahren hat der gelernte Elektriker und studierte Architekt Stand 44–49 vom Vorbesitzer übernommen, der krankheitsbedingt aufhören musste. 2000 hat er neben seinem Beruf mit dem Catering bei Konzerten im Hessischen Rundfunk begonnen, wo er bis heute für die für die Bewirtung sorgt: „Bedingung für die Übernahme des Standes war, dass ich das Konzept nicht verändern darf, und so ist es bei italienischer Feinkost geblieben, obwohl ich Perser bin.“

„Dieser Ort lebt. Hier passiert was. Man hat mit entspannten Menschen zu tun. Genießern, die eine gewisse Lebensqualität pflegen und gute Qualität erwarten. Das sorgt für gute Stimmung.“ – Alireza Alasti, Alasti Feinkost

Da italienisches Essen sowieso zu Alirezas großen Leidenschaften gehört, nahm er diese Bedingung gerne an. Er sei nun mal ein Fake-Italiener, wie er lachend hinzufügt. Bereut hat er den Quereinstieg in die Kleinmarkthalle nie: „Dieser Ort lebt. Hier passiert was. Man hat mit entspannten Menschen zu tun. Genießern, die eine gewisse Lebensqualität pflegen, und gute Qualität erwarten. Das sorgt für gute Stimmung. Wenn dann die Umsätze stimmen, kann man als Standbetreiber mehr Gas geben, die Küche perfektionieren und ständig besser werden.“

Alireza Alasti mit Frau Sahar an ihrem beliebten Feinkoststand (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Alireza Alasti mit Frau Sahar an ihrem beliebten Feinkoststand (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Man müsse halt seinen Job gut machen und immer freundlich sein, denn Genuss beginne mit Freundlichkeit. Er verkaufe nicht nur Delikatessen, sondern auch den Wohlfühleffekt, sagt Alireza: „Die Leute wissen, sie können hier entspannen, haben nette Begegnungen. Menschen brauchen sozialen Kontakt. Jemanden, der sie begrüßt. Sonst könnten sie auch in der Feinkostabteilung im Supermarkt einkaufen.“

Längst hat sich Alasti aufgrund der handverlesenen Produkte von kleinen, traditionellen Erzeugern aus Italien sowie der besonderen Gastfreundschaft zu einem der meist frequentierten Stände entwickelt. Jeden Nachmittag gegen 17.45 Uhr das gleiche Schauspiel, seufzt Alireza: „Viele wollen nicht gehen. Aber um 18 Uhr müssen alle hier schließen, samstags sogar um 16 Uhr. Wir sind immer bei den letzten. Es ist ein Ritterschlag für mich, dass sich die Menschen bei uns so wohlfühlen.“ Abhilfe naht, denn Alasti hat auf der Schweizer Straße das ehemalige Solt übernommen, wo es ab 18 Uhr weitergehen kann. Derzeit wird das Team zusammengestellt und der Betrieb optimiert.

Erlesene Wurst- und Schinkenspezialitäten bei Alasti Catering & Feinkost (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Erlesene Wurst- und Schinkenspezialitäten bei Alasti Catering & Feinkost (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Natürlich hat er auch den Umbau der Kleinmarkthalle im Blick: „Der Betrieb soll weiterlaufen. Aber wie ist dann die Atmosphäre? Es wird Absperrungen geben, Lärm. Es weiß keiner, wie sich das auf die Umsätze auswirkt. Das Restaurant ist ein zusätzliches Standbein.“ Alireza Alasti, der mit 14 alleine aus dem Iran nach Deutschland kam, ohne Sprachkenntnisse, hat sich seinen Traum erfüllt: „Die Kleinmarkthalle ist einer der besten Arbeitsplätze, die man sich vorstellen kann. Und einer der schönsten und tollsten Orte in Frankfurt.“

„Aus Heimweh habe ich angefangen, Hummus selbst zu machen.“ – Ilan Aldema, Just a dip

Tel Aviv Streetfood in der Kleinmarkthalle

Auch der Israeli Ilan Aldema hat in der Kleinmarkthalle eine zweite Heimat gefunden. „Israelische Küche mit deutschem Twist“, beschreibt der junge Gastronom sein Angebot, das die altehrwürdige Kleinmarkthalle seit einem Jahr um eine neue Geschmacksdimension bereichert. 2015 kam Ilan aus Tel Aviv nach Frankfurt und vermisste bald nichts mehr als einen guten, authentischen Hummus, so wie zu Hause. „Ich hatte Heimweh und wollte Hummus essen“, lächelt er. Da er den nirgends finden konnte, entschied er sich, ihn selbst herzustellen. „Nach einem halben Jahr hatte ich die Kunst der Hummus-Herstellung perfektioniert und entschied mich 2019, meine Kreationen nicht mehr nur mit Freunden und der Familie zu teilen.“

Ilan Aldema bereitet bei Just a dip köstliche Sandwiches zu (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Ilan Aldema bereitet bei Just a dip köstliche Sandwiches zu (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Er gründete „Just a dip“, eine kleine Manufaktur im Herzen Bornheims, die Hummus-Spezialitäten herstellt. Vor einem Jahr ergatterte er einen Stand und beglückt seitdem mit Tel Aviv Streetfood die Feinschmecker in der Kleinmarkthalle.

Pastrami nach jüdischem Rezept

„Wir machen hier alles israelisch, aber mit Senf, grüner Soße, Sauerkraut und so weiter“, so Ilan. Sandwiches im „Brooklyn Style“ etwa, mit Pastrami, Sauerkraut, Senf, russischer Sauce und Gewürzgurken. Die authentische Pastrami nach jüdischem Rezept hat binnen kürzester Zeit etliche Fans gewonnen. „Ich arbeite mit einem deutschen Metzger, der die Rinderbrust nach unserem Rezept räuchert, pökelt und einlegt“, erklärt Ilan das Geheimnis des butterzarten Geschmacks, während er saftige, dünne Rindfleischscheiben mit dem Fleischmesser abtrennt.

Die würzig-saftige Pastrami nach jüdischem Rezept ist sehr beliebt (Foto: Top Magazin Frankfurt)
Die würzig-saftige Pastrami nach jüdischem Rezept ist sehr beliebt (Foto: Top Magazin Frankfurt)

Bevor wir überhaupt mehr von ihm erfahren, müssen wir unbedingt probieren, da besteht Ilan Aldema drauf, und stellt uns einen leckeren Teller hin: „So sind wir nun mal. Erstmal was trinken und essen. Dann die Arbeit.“ Ein Klacks Hummus, ein paar Scheiben Pastrami, dazu eine köstlich erfrischende Limonade, hausgemacht. Es schmeckt, wie so vieles hier in der Kleinmarkthalle, einfach grandios.

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