Die Beraterin sagt: «Gefragt sind Spielerinnen, die den Mund aufmachen zu Themen abseits des Fussballs»


Maja Hitij / Uefa via Getty
Jasmina Covic, gibt es in der deutschen Bundesliga noch Spielerinnen, die neben dem Fussball arbeiten?
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Der Grossteil der Spielerinnen hat Profiverträge und verdient ausreichend, manche verdienen sehr gut. Es gibt aber immer noch Einzelfälle, wo die Spielerinnen auf Mini-Job-Basis verdienen, 520 Euro. Diese arbeiten oder studieren parallel.
Was bedeutet das für die Spitzenverdienerinnen in Zahlen?
In Deutschland verdienen die Besten zwischen 170 000 und 300 000 Euro, in England und Spanien zwischen 200 000 und 500 000 Euro pro Jahr.
Der Rekord für die höchste Transfersumme wurde eben gebrochen, Arsenal zahlt für Olivia Smith über eine Million Euro. Wie sieht es in Deutschland und der Schweiz aus?
Für gute Spielerinnen aus der Schweiz zahlt ein Verein zwischen 30 000 und 50 000 Euro, für Spielerinnen aus Deutschland reicht die Bandbreite von 50 000 bis 500 000 Euro.
Wie schnell wächst der Markt in Deutschland? In England und Spanien findet im Frauenfussball eine rasante Entwicklung statt.
Es geht auch in Deutschland extrem schnell voran, seit 2022 verändern sich die Dinge fast beängstigend rapide. Finanziell natürlich im positiven Sinne, aber es kamen auch negative Aspekte dazu. Wir rutschen immer weiter in die Schiene der Männer – und die Entwicklung ist noch schneller als damals beim Männerfussball. Dieser hat fünfzig Jahre gebraucht, bis er auf dem heutigen Niveau war. Bei den Frauen sind drei Jahre vergangen seit der EM in England, und in dieser kurzen Zeit hat sich vieles verdoppelt und verdreifacht.
Weshalb stand jene EM am Anfang dieser rasanten Entwicklung?
Die Engländer haben eine sehr gute Turniervorbereitung gemacht. Man hat gemerkt, dass sie in den vergangenen zehn Jahren eine Strategie für den Frauenfussball hatten, die 2022 belohnt wurde. Ausserdem haben sie die Women’s Super League ausgegliedert und die Führungspositionen mit Top-Personal besetzt. Die EM vor drei Jahren war ein tolles Turnier mit zwei der wichtigsten europäischen Länder des Frauenfussballs im Final. Jenes Spiel war in Deutschland die meistgesehene Sendung des Jahres. Ich habe etliche Nachrichten bekommen von Personen, die mit Fussball gar nichts zu tun haben und die sagten: «Wow, was die Mädels da liefern, wie die kämpfen!»
Alessandra Tarantino / AP
In England ging die Entwicklung auch so rasant voran, weil die Vereine gemerkt haben, dass sie mit dem Frauenfussball Geld machen können. Ist das in allen Ligen der Hauptgrund?
Jein. Viele Länder waren nicht vorbereitet auf den Hype. Deutschland ist das beste Beispiel dafür. Das Interesse von jungen Mädchen nach der EM 2022 war enorm gross. Aber es gab nicht ausreichend Teams, kaum Trainer, nur wenige verfügbare Plätze. Da hat man eine Chance verpasst. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Viele Vereine haben ihr Investment deutlich gesteigert. Man muss fairerweise sagen, dass es eine Querfinanzierung aus dem Männerfussball ist. Ohne diese wäre bei den Top-Vereinen nicht das möglich, was zurzeit geleistet wird. Aber viele Vereine und Funktionäre haben das Potenzial gesehen.
Können Sie ein Beispiel geben?
Michele Kang ist das beste Beispiel, sie kauft weltweit Vereine auf, investiert, baut die nötige Infrastruktur auf. Sie sieht nicht die «quick wins», sondern investiert strategisch. Das Potenzial entsteht durch die Wertigkeit, die den Frauenfussball auszeichnet, die Spielerinnen, die sympathisch sind und viele Leute erreichen mit ihrer Art.
Brad Mills / USA Today / Reuters
Sie haben schon angetönt, dass das Wachstum auch negative Aspekte hat. Woran spüren Sie das im Business?
Viele Vereine sind völlig businessgetrieben. Da geht das Familiäre, das den Frauenfussball ausgezeichnet hat, verloren. Dort bist du einfach Mitarbeiterin, und wenn du nicht lieferst, wird dein Vertrag nicht verlängert, oder es wird dir gezeigt, dass du keinen Wert für sie hast. Ich hatte in meiner Beratungsagentur einige Spielerinnen unter Vertrag, die verletzt waren, und die Vereine haben wochenlang nicht gefragt, wie es der Spielerin geht. Die vergangene Transferperiode war eine der schwierigsten in meiner Karriere als Spielerberaterin, weil die Verhandlungen langwierig geworden sind. Die Vereine wollen die Spielerin heute, und übermorgen doch nicht.
Weshalb ist das so?
Ich habe Verständnis dafür, dass man seine Meinung ändert, wenn sich eine bessere Option auftut. Das ist den Spielerinnen aber schwierig zu erklären, wenn man schon direkte Gespräche geführt hat und nur noch der Vertrag übersendet werden soll. Generell haben einige Vereine auch Leute an der Spitze, die inkompetent sind. Dadurch wird viel Potenzial nicht optimal genutzt. Fakt ist aber auch, dass es wenige Experten und erfahrene Personen gibt, die die vielen Top-Positionen in Vereinen füllen können. Wir befinden uns erst im Aufbau.
Und weiter?
Vetternwirtschaft ist ein Thema, es gibt immer öfter ein Konstrukt wie bei den Männern, dass die Ex-Spielerin ihre Buddys in den Verband oder Verein holt. Bitte nicht falsch verstehen: Ich finde es gut, wenn man sich gegenseitig unterstützt. Aber man muss darauf achten, dass man die kompetenten Leute holt, die nachweislich Erfahrung und Erfolge vorweisen können.
Was hat sich aus Sicht der Spielerinnen verändert?
Sie haben heute schon ab dem 15. Lebensjahr einen Berater. Die Erwartungen sind hoch, man wechselt schnell, wenn man nicht zufrieden ist. Vor zehn Jahren war es noch keine reine Geschäftsbeziehung. Ein anderer Aspekt: Viele Spielerinnen verdienen gut und leben luxuriös. Für einen guten Berater gehört es dazu, sie auf dem Boden zu halten. An die Zukunft zu denken, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Jeder versucht im Frauenfussball gerade, auf den Zug aufzuspringen. Mir fehlt ein klarer Plan für die Zukunft, wie alle Involvierten wirtschaftlich weiter vorgehen möchten. Wie sie die Werte beibehalten und die Spielerinnen schützen wollen.
Was wäre Ihr Vorschlag?
Ich habe Wunschvorstellungen, bin aber auch Realistin. Ein Beispiel: Der Weltfussballverband Fifa hat umfangreiche Regeln für Spielerberater zusammengestellt. Aber es gibt immer Hintertürchen, wie man sie umgehen kann. Das ist nicht zielführend. Die Vereine müssen verstehen, dass Frauenfussball nicht nur Business ist. Was mittlerweile auch in England zu grosser Unzufriedenheit führt: dass man nicht auf die Bedürfnisse der Spielerinnen eingeht. Dass man ihnen oft nicht zuhört, was sie stört. Damit komme ich auf die mangelnde Kompetenz der Führungskräfte zurück. Sie hat Auswirkungen auf alles, weil diese Personen entscheiden, welcher Trainer kommt, wie die Strukturen aussehen, wie miteinander umgegangen wird.
Dirk Bruniecki
eva. Die Deutsche Jasmina Covic rutschte per Zufall in die Spielerberater-Branche. Als sie Sportmanagement und Wirtschaftswissenschaften studierte, half sie einer Spielerin, in Deutschland einen Verein zu finden. Sie probierte Mail-Adressen aus, bis sie die richtigen Vereinsfunktionäre erreichte, schrieb alle an und lieh sich schliesslich das Auto ihrer Eltern, um die Spielerin zum Probetraining zu fahren. Später gründete die 32-Jährige die Women’s Football Agency, dort stehen Spielerinnen wie die Deutsche Laura Freigang oder die Schweizerin Luana Bühler unter Vertrag.
Wie sieht es im Berater-Business aus? Wollen da nun auch alle ein Stück des Kuchens?
Vor ein paar Monaten hat die globale Frauenfussball-Business-Plattform «The Rise of Women’s Football» eine Auswertung gemacht zur Beraterbranche in den Top-5-Ligen. Vor zehn Jahren gab es nicht einmal 10 Berater. Jetzt gibt es knapp 300. Viele Agenturen aus dem Männerfussball, auch aus der Schweiz, wollen ein Stück bekommen und propagieren plötzlich, dass sie den Frauenfussball weiterentwickeln wollen. Ich frage immer: «Wo wart ihr denn, als kein Geld da war und die Mädels Hilfe gebraucht haben?» Aber das ist so im Wettbewerb. Es gibt wenige reine Frauenfussball-Agenturen. Die von mir war die erste in Deutschland, und ich bin leider immer noch die Einzige im gesamten D-A-CH-Raum, die als Selbständige eine Agentur im Frauenfussball führt. Was ich verstehen kann – es ist enorm schwierig, sich durchzusetzen. Die Beraterwahl ist auch gesellschaftlich bedingt.
Was meinen Sie damit?
Ein älterer Mann, Mitte 40, verkörpert für viele eine Vaterfigur. Da fühlen sich junge Spielerinnen wohler als bei einer jungen Frau. In meinem Fall war ich damals eine Studentin, die teilweise jünger war als die Spielerinnen. Mittlerweile ist es bei mir leichter geworden, ich bin Anfang 30 und habe Erfahrung. Sich mit Anfang 20 durchzusetzen, war deutlich schwieriger.
Die Löhne im Frauenfussball sind zwar gestiegen, aber der Durchschnitt verdient trotzdem nicht viel. Wie verdienen Sie daran?
Ich bekomme pro Vertragsjahr zwischen 8 und 10 Prozent vom Jahres-Brutto-Grundgehalt.
Der Unterschied zum Männerfussball ist da schon gross. Reicht das zum Überleben?
Ich habe das grosse Glück, dass ich ein paar Spielerinnen habe, die überdurchschnittlich gut verdienen. Und dass Laura Freigang die am besten vermarktete Spielerin in Deutschland ist, eine der am besten vermarkteten in Europa. Sie hat grosse Sponsoringverträge, und wir haben zusammen zwei Bücher herausgebracht. Ohne Verlag, worauf ich sehr stolz bin. Ich versuche, mich immer weiterzuentwickeln. Aber natürlich werde ich davon nicht reich.
Michael Buholzer / Keystone
Wer lässt sich gut vermarkten?
Es gibt in Europa nur wenige Spielerinnen, die Vermarktungsverträge haben. Der Rest hat entweder nicht das Potenzial dazu oder kein Interesse daran. Viele Brands wollen die Top-Gesichter, eine Leah Williamson, eine Aitana Bonmatí, eine Alexia Putellas, eine Laura Freigang. Bei den anderen 99,9 Prozent kannst du wenig machen. Es gibt viele kleinere, einmalige Werbe-Deals über Social Media. Aber grosse, langfristige Verträge im Bereich von fünf-, sechsstelligen Zahlen pro Jahr gibt es wenige.
Welche Spielerinnen sind für Werbeverträge gefragt?
Spielerinnen, die authentisch sind, die den Mund aufmachen zu Themen abseits des Fussballs. Spielerinnen, die wirklich etwas zu sagen haben, die ihr Publikum auf den sozialen Netzwerken begeistern. Das habe ich von vielen Spielerinnen gehört, jetzt einmal unabhängig von Alisha Lehmann oder Ana Maria Markovic, die leider vorrangig aufs Äussere reduziert werden.
Können Sie abschätzen, wie viel Alisha Lehmann für einen Post auf Social Media verlangen kann?
Mit Sicherheit liegt das mindestens im mittleren oder sogar höheren fünfstelligen Bereich. Das ist ein kontroverses Thema mit ihr, ich finde sie wichtig für den Fussball in der Schweiz und generell für den Frauenfussball und dessen Sichtbarkeit. Sie ist eine gute Fussballerin, und man darf nicht vergessen, dass sie für viel Aufmerksamkeit sorgt. Und daran, wie gut andere über sie sprechen, merkt man, dass sie ein toller Mensch ist.
Was sind neben dem Lohn die Ansprüche der Spielerinnen an die Vereine?
Dass sie sich wohlfühlen und wertgeschätzt werden. Das fehlt bei vielen Vereinen. Manchmal ist das ein Grund dafür, weshalb sie Vereine verlassen, nicht wegen des Finanziellen, sondern weil ihnen die Kommunikation mit dem Trainer, dem Sportdirektor fehlt. Weitere wichtige Punkte sind die Infrastruktur, was die Pläne und Ziele für die Zukunft sind und wie hoch die Wertschätzung von der Männerabteilung für die der Frauen ist.
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