Jamal Musiala schwer verletzt: Der Schock trifft die Bayern bis ins Mark

Die 0:2-Niederlage gegen Paris Saint-Germain, das damit besiegelte Aus des FC Bayern München im Viertelfinale der Klub-WM, verbunden mit dem Ende des fast vierwöchigen US-Trips – all das war zur Nebensache geworden. Natürlich war auch Enttäuschung in den Gesichtern der Profis und Verantwortlichen des Meisters abzulesen über das etwas unglückliche, aber letztlich verdiente Ausscheiden nach einem dramatischen Spiel im Hallenstadion von Atlanta.
Doch zum Thema machen wollte es niemand vor der Abreise aus den Katakomben zum Flughafen. Einer fehlte im Mannschaftsbus, er war längst in ein Krankenhaus von Atlanta gebracht worden. Die schrecklichen Bilder der schlimmen Verletzung von Jamal Musiala waren bei allen aus dem Bayern-Tross noch zu präsent, ebenso seine unerträglichen Schmerzensschreie, als er auf dem Boden lag. Der Spielmacher, erstmals in der Startelf nach drei Monaten, die er infolge eines Muskelbündelrisses größtenteils in der Reha verbracht hatte, war in der Nachspielzeit der ersten Hälfte das Opfer eines Zusammenpralls. PSG-Torhüter Gianluigi Donnarumma stürzte aus seinem Tor und warf sich auf den Ball, mit Schwung und ohne Rücksicht auf Verluste – so interpretierten die Münchner die Aktion.
Der Italiener, der sein Gesicht total erschrocken in seinem Trikot vergrub, erwischte den deutschen Nationalspieler am linken Knöchel. Sportvorstand Max Eberl meinte angefasst: „Ich unterstelle ihm nullkommanull Absicht, aber er hat keine Rücksicht genommen. Wenn ich mit 100 Kilo und im Sprint auf den Unterschenkel draufspringe – kein Vorwurf, aber das Risiko geht er ein.“ Also doch, wenn auch indirekt, ein Vorwurf. Auf Instagram schrieb Donnarumma etwas später: „Jamal, ich schicke dir all meine Gebete und Genesungswünsche.“ Auch Torwart-Kollege Manuel Neuer sah „eine Situation, wo man, glaube ich, nicht so hineingehen muss. Da so reinzuspringen, ist schon risikofreudig. Da nimmt man die Verletzung des Gegenspielers einfach in Kauf.“ Musiala musste auf einer Trage abtransportiert werden, die Halbzeitpause der Bayern war für sinnvolle taktische Anweisungen kaum zu gebrauchen.
„Es war hart. Ich war selten so wütend in der Halbzeitpause“, sagte Vincent Kompany, der auf der Pressekonferenz sichtlich mit seinen Emotionen kämpfte. „Das, was mein Blut im Moment noch zum Kochen bringt, ist nicht das Ergebnis“, meinte der Bayern-Trainer, „sondern die Tatsache, dass es jemandem passiert ist, der so viel Spaß am Spiel hat und für uns immer wichtig ist.“ Der 39-Jährige wird im Verein für seine Empathie und die Nähe zu seinen Spielern geschätzt, was durch folgende Aussagen deutlich wurde: „Es gibt viele Dinge im Leben, die wichtig sind, viel wichtiger – aber für diese Jungs ist es ihr Leben. Jemand wie Jamal lebt dafür, und er ist von einem Rückschlag zurückgekommen und dann passiert es so, wie es passiert. Man fühlt sich machtlos.“
Am Nachmittag (Ortszeit) kam die Diagnose: Musiala hat sich das linke Wadenbein gebrochen, dazu mehrere Bänder gerissen. Nach der Operation folgt eine monatelange Reha, die Ausfallzeit wird auf bis zu fünf, sechs Monate gerechnet. Die Hinrunde dürfte für Musiala gelaufen sein. Er wird fehlen. Und das wenige Tage nach dem Abschied von Offensivspieler Leroy Sane, der seit dem 1. Juli bei Galatasaray Istanbul unter Vertrag steht. Klar ist auch: Durch Musialas Verletzung haben sich die Personal-Sorgen bei den Bayern vergrößert. Stuttgarts Jungstar Nick Woltemade (23), der Torschützen-König der U21-EM, wird nicht günstiger werden in den Verhandlungen mit dem VfB – im Gegenteil, die Schwaben haben nun ein (ungewolltes) Ass mehr im Ärmel. Und die Bayern-Bosse ein dringendes Bedürfnis nach den gescheiteren Transfers von Florian Wirtz (zum FC Liverpool gewechselt) und Nico Williams, der seinen Vertrag bei Athletic Bilbao doch verlängert hat, Woltemade unbedingt zu bekommen.
Würde es da nicht naheliegen, doch noch einmal mit Thomas Müller zu sprechen? Der Oldie war in seinem 756. – und, so der Plan, letzten – Pflichtspiel für den FC Bayern in der 80. Minute eingewechselt worden. Könnte der 35-Jährige nun doch bleiben, als Back-up? Eventuell für ein halbes Jahr und dann Anfang 2026 zu Bayerns Partner-Klub Los Angeles FC in die US-Liga wechseln? „Es fühlt sich für mich unangenehm an“, sagte Müller darauf angesprochen und meinte zu einem Reporter: „Ich verstehe, dass du die Frage stellst, deswegen sage ich nicht, dass sie geschmacklos ist. Jeder kann sich seine Gedanken machen, ich will sie Richtung Jamal richten und würde mir wünschen, dass wir aufpassen, dass wir nicht irgendwelche geschmacklosen Diskussionen führen, nachdem sich jemand verletzt hat. Mir ist es bewusst, dass es mein letztes Spiel war.“ Es klang nicht so als sei wirklich das allerletzte Wort gesprochen. Doch Ehrenpräsident Uli Hoeneß müsste schon weit über seinen Schatten springen, um Müller doch noch einen Kurzzeit-Vertrag anzubieten.
Wichtiger war allen Beteiligten, Musiala beizustehen auf seinem Weg zum Comeback. „Wir lieben ihn für seine Spielfreude, jetzt so ein Nackenschlag – das ist für ihn extrem schwierig“, sagte Eberl, „aber wir sind für ihn da als Familie.“
rnd