Aberdeen: Trotz politischem Rückzug ist nachhaltiges Investieren nicht das Ende, hier ist der Grund

Seit Trumps Wahl in der ersten Jahreshälfte hat nachhaltiges Investieren eine kritische Phase durchlebt, die einen tiefen Graben zwischen den USA und Europa markiert. Dan Grandage, Chief Sustainable Investment Officer bei Aberdeen Investments, zeigt in dieser Analyse für ESGnews auf, wie und warum das Interesse an Nachhaltigkeit trotz des politischen Rückzugs der USA, der das Klima- und Sozialengagement einiger Finanzakteure gefährdet, und der laufenden regulatorischen Reformen in Europa ungebrochen ist. Auch wenn andere Ansätze als in der Vergangenheit erforderlich sind, verlangen institutionelle Anleger zunehmend nach Strategien, die konkrete Klima- und Umweltziele verfolgen und über Trends und Rhetorik hinausgehen. Andererseits „konzentrierte sich nachhaltiges Investieren schon immer grundsätzlich auf finanzielle und pragmatische Fragen. Diese Fragen bleiben unabhängig von den aktuellen politischen Launen von entscheidender Bedeutung.“
Stehen wir am Ende der Nachhaltigkeitsstrategie? Ein Blick auf die transatlantische Kluft und die Entwicklung der Strategien im Lichte der politischen Gegenreaktion. Wie wird die Vermögensverwaltungsbranche reagieren?
Investoren, die sich für 2030 Klimaziele gesetzt haben, haben weniger als fünf Jahre Zeit, diese zu erreichen. Doch obwohl die Häufigkeit und Schwere extremer Wetterereignisse zugenommen haben, sehen sich viele Anleger mit heftigen politischen Gegenreaktionen gegen den Klimawandel und nachhaltiges Investieren konfrontiert.
Diese Entwicklungen haben sich in den letzten Monaten angesichts eines drastisch veränderten politischen Umfelds in den Vereinigten Staaten beschleunigt. Dies hat dazu geführt, dass große Vermögensverwalter und US-Unternehmen ihre Klimaverpflichtungen aufgegeben und bei Fragen der Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion (DEI) einen Rückzieher gemacht haben.
Doch jenseits der Nachrichten beobachten wir eine differenziertere Entwicklung im Bereich nachhaltiger Investitionen. Die Nachfrage nach nachhaltigkeitsorientierten Strategien ist weiterhin hoch. Treiber dieses Trends sind institutionelle Anleger, die maßgeschneiderte Lösungen zur Erreichung spezifischer Ziele verlangen und ihren Worten Taten folgen lassen.
Die USA und Europa bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen. In den USA hat politischer Druck zu einem Rückzug aus nachhaltigen Investitionen geführt, während Europa sich weiterhin weitgehend engagiert.
Präsident Donald Trump beabsichtigt, die von der vorherigen US-Regierung verabschiedeten Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit abzubauen und die Kohle-, Öl- und Gasförderung auf Bundesland zu intensivieren. Jüngste Präsidialerlasse belegen seine Absichten. Er hat die US-Umweltschutzbehörde EPA geschwächt und die USA aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen lassen.
Einige US-Vermögensverwalter haben sich angesichts rechtlicher Herausforderungen von den Klimazielen abgewandt und sich aus internationalen Klimainitiativen wie Net Zero Asset Managers und Climate Action 100+ zurückgezogen.
Auf der anderen Seite des Atlantiks hingegen sind die Klimaverpflichtungen weitgehend unverändert geblieben, da die Region seit langem eine Vorreiterrolle bei den internationalen Bemühungen zur Förderung des Übergangs und nachhaltiger Investitionen einnimmt.
Im vergangenen Dezember begannen die Behörden mit der Umsetzung der Green-Bond-Verordnung der Europäischen Union (EU). Diese Vorschriften sollen die Zulassungskriterien für sogenannte „grüne Anleihen“ klären. Ziel ist es, Investoren vor den Risiken des Greenwashings zu schützen.
Auch in der EU ist nicht alles rosig. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, kürzt das europäische Omnibus-Paket wichtige Richtlinien für nachhaltige Investitionen, darunter die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. Zudem wird vorgeschlagen, die für die Region geltende Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor abzuschwächen.
Diese unterschiedlichen Auffassungen und der Druck, bestehende Maßnahmen abzuschwächen, erschweren die globale Geschäftstätigkeit von Vermögensverwaltern und Anlegern. Kurz gesagt: Ein einheitlicher Ansatz ist nicht mehr möglich.
Dennoch fordern viele institutionelle Anleger weiterhin nachhaltige Anlagestrategien. Dies ist nicht immer offensichtlich, aber ein grundlegender Bestandteil der aktuellen Anlagelandschaft.
Im Februar unterzeichnete eine Gruppe von 27 Investoren, hauptsächlich aus Großbritannien, aber auch aus Europa, Australien und den USA, die „Asset Owner Statement on Climate Stewardship“, um ihre Unterstützung für Nachhaltigkeitsprinzipien zu bekräftigen und klarzustellen, was sie von Fondsmanagern erwarten.
Die Nachfrage nach maßgeschneiderten Anlagelösungen steigt. Diese richten sich zwar in erster Linie an Anleger, die ihre Klimaziele erreichen möchten, es besteht jedoch auch Interesse an Strategien, die die Umwelt durch maßgeschneiderte oder separate Mandate schützen.
Unser verwaltetes Vermögen, das wir als nachhaltige Investitionen klassifizieren, erreichte Ende 2024 87 Milliarden Pfund (112,4 Milliarden US-Dollar), gegenüber 55 Milliarden Pfund im Vorjahr. Dieser Anstieg ist größtenteils auf getrennte Mandate für nachhaltige Investitionen zurückzuführen.
Wir erleben auch Fälle, in denen Vermögensverwalter, die von Nachhaltigkeitszielen abweichen, von den Anlegern abgestraft werden. So entzogen beispielsweise sowohl die People's Pension in Großbritannien als auch die Akademiker Pension in Dänemark einem US-Manager ihre Mandate, nachdem es zu Meinungsverschiedenheiten über dessen Umgang mit Klimafragen gekommen war.
Unternehmen führen DEI-Richtlinien (Diversity, Equity und Inclusion) ein, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu steigern, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu gewährleisten und die Markenidentität zu stärken. Kritiker setzen DEI jedoch mit der Priorisierung des Images gegenüber den Fähigkeiten gleich.
Viele US-Unternehmen haben als Reaktion auf Trumps Executive Order zu Diversität und Inklusion ihre DEI-Richtlinien abgeschwächt oder abgeschafft, um Kontroversen zu vermeiden. Quoten und gezielte Aktionsprogramme für DEI sind dabei besonders ins Visier geraten. Gegner behaupten, sie seien diskriminierend und die nach diesen Kriterien eingestellten Mitarbeiter würden nicht aufgrund ihrer Leistung ausgewählt. So haben einige Unternehmen beispielsweise Geschlechterquoten in Vorständen abgeschafft.
Angesichts der steigenden Zahl von DEI-Fällen vor Gericht fiel die Reaktion der Vermögensverwalter gemischt aus. Während einige zu diesem Thema schweigen, engagieren sich andere Fondsmanager weiterhin für Unternehmen und vertiefen ihre langfristigen Beziehungen, um Verbesserungen in diesem Bereich zu fördern.
Die Veränderungen, die Unternehmen im Bereich DEI vornehmen und mit denen sie auf neuen Druck und neue Erwartungen reagieren, sind ein weiterer Aspekt der sich entwickelnden Natur nachhaltiger Investitionen in einer zunehmend komplexen Welt.
Viele Schlagzeilen zeichnen in letzter Zeit ein düsteres Bild für nachhaltiges Investieren, mit Formulierungen wie „Nachhaltigkeitskrise“. Zweifellos ist das goldene Zeitalter nachhaltiger Investitionen vorbei. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich jedoch eine differenziertere Investment-Geschichte.
Das feindliche politische Umfeld in den USA erschwert die Umsetzung nachhaltiger Anlageprinzipien. Dennoch ist die Nachfrage nach nachhaltigkeitsorientierten Strategien weiterhin hoch, insbesondere bei institutionellen Anlegern, die sich weiterhin für Nachhaltigkeitsziele einsetzen und maßgeschneiderte Anlagelösungen benötigen.
Trotz des Hypes konzentrierte sich nachhaltiges Investieren im Grunde schon immer auf finanzielle und pragmatische Aspekte. Diese Themen bleiben unabhängig von den jeweiligen politischen Launen von entscheidender Bedeutung.
Aus diesem Grund bleiben langfristige Anleger engagiert. Aus diesem Grund bieten sich Chancen für Anleger, die sich in der heutigen komplexen Landschaft zurechtfinden.
Nachhaltiges Investieren ist nicht tot, sondern wird reformiert und weiterentwickelt, um den Anforderungen einer sich ständig verändernden Welt gerecht zu werden. Es dauerte über 100 Jahre, bis man sich auf weltweit anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze einigte. Wir versuchen, das gleiche Ergebnis schneller zu erreichen, während die Welt jedes Jahr wärmer wird.
Es ist keine Überraschung, dass es einige Hindernisse auf dem Weg gibt.
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