Fishlock schreibt Geschichte in doppelter Hinsicht

Vor 19 Jahren debütierte Jess Fishlock für die walisische Nationalmannschaft. 164 Länderspiele später schrieb sie mit ihrem Treffer beim 1:4 gegen Frankreich nun Historie - für ihr Land und für sich selbst.
Mit 38 Jahren und 176 hält Jess Fishlock die neue Bestmarke für die älteste Torschützin bei einer EM. IMAGO/Shutterstock
In Minute 13 war der Jubel im Kybunpark von St. Gallen groß. Soeben hatte nämlich der krasse Außenseiter Wales gegen die favorisierten Französinnen den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt. Am Ende unterlagen die Waliserinnen mit 1:4 und stehen vor dem letzten Gruppenspiel nun mit dem Rücken zur Wand. Doch das Weiterkommen für die EM-Debütantinnen war in der stark besetzten Gruppe mit eben Frankreich, Titelverteidiger England und den Niederlanden ohnehin nicht als sonderlich realistisch betrachtet worden.
Älteste Torschützin bei einer EMUmso größer war der Jubel nach dem Treffer zum 1:1 durch Jess Fishlock. Ausgerechnet Jess Fishlock, müsste man fast meinen. Mit 164 Länderspielen ist sie die Rekordspielerin ihres Landes. Nun war ihr auch die Ehre vorbehalten, den ersten Treffer bei einer EM für ihr Land überhaupt zu erzielen. In der Schweiz. Ausgerechnet dort, wo sie vor 19 Jahren auch ihr Länderspieldebüt gefeiert hatte. "Für uns als Nation ist es Geschichte, bei diesem Turnier ein Tor zu schießen", ordnete Fishlock nach der Partie ein.
Doch nicht nur das: Zeitgleich avancierte sie mit 38 Jahren und 176 Tagen zur ältesten Torschützin in der Geschichte der Frauen-EM - zuvor hatte diesen Rekord die Nordirin Julie Nelson (37 Jahre, 33 Tage) inne. "Ich fasse das mal als Kompliment auf", so Fishlock - die einst auch für den 1. FFC Frankfurt auflief - mit einem Augenzwinkern auf ihre neue Bestmarke angesprochen. Die Lorbeeren reichte sie aber umgehend weiter. "Ohne die Unterstützung meines gesamten Teams hätte ich diese Auszeichnungen nicht erhalten können. Ich bin also sehr dankbar, und vielleicht kann ich das nach dem Turnier noch ein bisschen besser verinnerlichen."
Welchen Stellenwert Fishlock für ihr Land hat, zeigte sich auch, als sie kurz vor dem Ende ausgewechselt und dabei mit Standing Ovations bejubelt wurde. "Wir haben die besten Fans der Welt", so Fishlock. "Sie kommen hierher, sie sind laut, sie sind stolz, und sie unterstützen uns. Sie wissen, dass es schwer ist, sie wissen, dass wir absolut alles tun, was wir können, und sie wissen, dass wir auch besser werden wollen. An alle, die hier sind und uns unterstützen - vielen, vielen Dank."
Aber nicht nur über die Anhänger äußerte sie sich voller Stolz, sondern auch über ihre Teamkolleginnen, die tapfer gekämpft haben. "Ich denke, wir hatten einige Momente, und die meiste Zeit waren wir im Spiel. Wir haben genau das getan, was wir erwartet haben. Und ich denke, die größte Erkenntnis, die wir in diesem Turnier bisher gewonnen haben, sind die kleinen Momente, in denen wir einfach noch ein bisschen besser werden müssen. Aber wir sind so nah dran. Ich bin so stolz auf diese Gruppe."
Eine Partie haben Fishlock und ihre Kameradinnen nun noch vor Augen - gegen England hat Wales sogar noch Chancen auf das Weiterkommen - wenngleich diese äußerst gering sind. Das Turnier wird sie aber so oder so in Erinnerung behalten.
kicker