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«Ein Krampf bei Rinast. Aber das ist egal» – ein SRF-Fussball-Duo polarisiert

«Ein Krampf bei Rinast. Aber das ist egal» – ein SRF-Fussball-Duo polarisiert
Ein bisschen Gefrotzel, immer wieder viel Gefühl: Rachel Rinast und Calvin Stettler pflegen einen eigenen Sound.

Sven Thomann / Blick / Freshfocus

Nur wer geliebt wird, bekommt einen Kosenamen. So wie die «Nati». Das Fussballnationalteam verkörpert die Schweiz, und es gehört ihr auch ein bisschen. Ein Teil des Gesamtpakets «Nati» sind diejenigen, die uns die Spiele vermitteln: die Kommentatoren und Kommentatorinnen. An ihnen reibt sich das Land gerne auf, siehe Sascha Ruefer. Im Extremfall befördert es sie zu Volkseigentum, so wie bei Beni national. Jeder hat eine Meinung zu ihnen. Nicht selten gehen diese weit auseinander.

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Die Schweizer Frauenspiele liegen in der Verantwortung von Calvin Stettler und Rachel Rinast. Ersterer kommentiert neben dem Fussball auch Biathlon, Curling und Basketball. Rinast, die in Deutschland aufgewachsen ist, war Schweizer Nationalspielerin und trat kurz vor der WM 2023 zurück.

Nach der WM galten sie als Traum-Duo

SRF wagt mit den beiden etwas: Stettler ist erst 30, Rinast, 34, sie wechselte fast übergangslos die Seite, als sie an der WM 2023 ihr TV-Debüt mit ihm gab. Die beiden haben einen eigenen Sound entwickelt; eine Mischung aus Barthekengespräch unter Fussballbuddies und Analyse. Ein bisschen Gefrotzel, immer wieder viel Gefühl, doch stets auf der Basis von Fachwissen.

Es gab legendäre Kommentatoren-Duos wie Beni Thurnheer und Günter Netzer, die vom Gefälle zwischen Kommentator und Experte lebten. Während man bei den beiden immer das Gefühl hatte, es handle sich um Konzeptkunst, sind Rinast und Stettler als Expertin und Kommentator nahe bei den zwei Menschen, die man im Café zum Gespräch trifft. «Wir wollen etwas machen, was wir auch cool finden würden», sagt Stettler. Rinast versichert, sie seien privat nicht viel anders als am Sender.

Unübersehbar ist, was man während den Übertragungen hört: Die beiden passen zueinander. Sie sind auf Augenhöhe, lassen dem anderen Raum, hören einander zu. Das ist nicht selbstverständlich in einem Geschäft, in dem es auch immer um Redezeit und Selbstdarstellung geht. Und sie mögen sich: Wenn sie einen kleinen Bruder hätte, sagt Rinast, sollte er sein wie Stettler. Er charakterisiert sie als «sehr herzlich, sehr quirlig», als «kritischen Geist».

Die frische Art der beiden kommt an, nach der WM vor zwei Jahren galten sie als «Traum-Duo». Doch es mehren sich auch kritische Stimmen: zu viel Klamauk (beide), überstrapazierte Sprachspiele (Stettler), Kuschelkurs den Spielerinnen gegenüber (Rinast), Negativismus (Stettler). Er weiss natürlich, dass ihre Art polarisiert, dass es Leute gebe, «die lieber Dienst nach Vorschrift wollten», wie er sagt. Das will er nicht. «Fernsehen», sagt er, «beinhaltet am Ende des Tages auch unterhaltende Elemente». Rinast sagt, es sei ihnen sehr wohl bewusst, dass diese Art des Kommentierens auch ein Balanceakt sei.

Nun kann man sich fragen, was denn Rinasts Grossmutter mit dem Spiel zu tun hat, wenn sie abschweift, bis sie Stettler zurückholt, weil die Schweizerinnen in den gegnerischen Strafraum stürmen. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass die beiden an der EM auf flaches Geplauder fast ganz verzichten. Doch sie pflegen eine Lockerheit, die ein alteingesessenes Publikum als zu wenig seriös beurteilen mag. Jüngere Menschen jedoch, die mit kurzen, witzigen Formaten vertraut sind, holen sie damit ab.

Eine Gratwanderung für Kommentatoren ist immer auch ihr Umgang mit Nähe und Distanz zum Team, zu den Akteuren. Es ist kein neutraler, streng journalistischer Blick, den Stettler und Rinast aufs Geschehen werfen. Sie sind Team Schweiz. Manchmal verschiebt sich das Gewicht stark hin zum Fantum, dann gibt es «Ahs» und «Ohs», offene Forderungen an die Schiedsrichterin nach einer gelben Karte, Anfeuerungsrufe und Verzweiflungsseufzer. Doch das ist eine Haltung, die im Schweizer Fernsehen Tradition hat. Auch bei der Männer-Nationalmannschaft oder den Schweizer Skihelden sind die Kommentatoren lieber mittendrin, statt nur dabei.

Die Parteinahme von Rinast gründet nicht auf Fantum, sondern einer echten Nähe zu den Protagonistinnen. Stettler sagt: «In Rachel schlummert noch die Spielerin. Mit genau den Eigenschaften, für die sie geschätzt wurde auf dem Feld. Sie bringt Leben rein, ihr ist nicht egal, was passiert auf dem Platz.» Die Spielerin in Rinast ist es, welche die Kolleginnen rasch in Schutz nimmt. Kritisiert Stettler die Schweizerinnen im Spiel gegen Norwegen wegen diverser Unachtsamkeiten, sagt sie, ganz die grosse Schwester: «Jetzt übertreibst du Calvin. Es war zweimal.» Die empathische Grundhaltung irritiert zuweilen, weil sie den eigenen Beobachtungen zuwiderläuft.

Rinast kennt den Vorwurf, sie sagt: «Ich habe schon ein paar Mal gehört, ich sei zu wohlwollend, weil das ja alles meine alten Mitspielerinnen und Freundinnen sind. Doch auch wenn ich ein Premier-League-Spiel kommentiere und keinen Spieler persönlich kenne, denunziere ich niemanden. Ich weiss ja, dass keiner den Fehler absichtlich macht.»

So wohlwollend sie ist: Mit Scheuklappen ist sie nicht unterwegs. Als die Schweizerinnen in der Nations League abstiegen, kritisierte sie die Emotionslosigkeit, mit der diese das hinnahmen. Doch dass sie draufhaut, wie das deutsche Kollegen wie Lothar Matthäus oder Didi Hamann tun, um ordentlich Krawall zu provozieren – das wird man von ihr nicht sehen.

Hass bei Männerspielen

Auffällig ist, wie anders sie in ihrer zweiten Rolle daherkommt. Rinast ist die erste Frau, die im Deutschschweizer Fernsehen Fussballspiele allein kommentiert, ihre Premiere hatte sie bei der Partie Dänemark - Schweden. Seit einem Jahr wirkt sie in dieser Funktion bereits bei Sky, für den Sender begleitet sie Premier-League-Spiele. Sie tut das auf eine kompetente, nüchterne Art, ist stets auf der Höhe des Geschehens. Die Rolle liegt ihr, weil sie aus ihrer Erfahrung als Fussballerin schöpfen kann und über eine hohe Sprachkompetenz verfügt. In kurzer Zeit hat sie sich in ein umkämpftes Terrain eingearbeitet, das eine dicke Haut erfordert, gerade für eine Frau.

Rinast sagt, Männerfussball zu kommentieren, sei etwas ganz anderes als die Rolle der Expertin oder Co-Kommentatorin. Frauen, die alleine kommentierten, würden viel mehr kritisiert; oft ist es purer Hass, der ihnen entgegenkommt. «Es ist zu viel weibliche Stimme», sagt Rinast, «wenn aber eine Männerstimme dabei ist, ist es nicht mehr so schlimm.» Der Frauenfussball sei viel weniger zersetzt von Hasskommentaren.

Die EM, die Spiele der Frauen sind eine Art Safe Space, die Schweizer Partien mit Calvin Stettler sind es sowieso. Auch wenn ein Spruch auf ihre Kosten geht. «Fuck, ich bin zu schnell aufgestanden», klagte sie nach dem Führungstor gegen Island. «Ein Krampf bei Rinast. Aber das ist egal», kommentierte er. Das war ziemlich lustig.

Weniger amüsiert war der Sender. Auch wenn man Wert auf Emotionen legt: «Fuck» ist dann doch zu viel Bartresen.

nzz.ch

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