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Remco Evenepoel will Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard die Tour de France schwer machen – zu mehr wird es ihm in diesem Jahr nicht reichen

Remco Evenepoel will Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard die Tour de France schwer machen – zu mehr wird es ihm in diesem Jahr nicht reichen
Dürfte schon bald das Team wechseln und Soudal Quick-Step verlassen: der Belgier Remco Evenepoel.

Die Franzosen begehen in diesem Jahr einen Jahrestag, den sie am liebsten vergessen würden. 40 Jahre ist es her, seit mit Bernhard Hinault letztmals ein Einheimischer die Tour de France gewonnen hat. Noch viel länger als Frankreich wartet Belgien auf einen Tour-Sieger. Ausgerechnet dieses Radsport-verrückte Land hat letztmals 1976 einen Gesamtsieger hervorgebracht: Lucien Van Impe. Anders als in Frankreich, wo es keinen Anwärter auf den Tour-Sieg gibt, hofft das belgische Publikum auf Remco Evenepoel.

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Die Belgier vergleichen Evenepoel längst mit Eddy Merckx; dem erfolgreichsten Velofahrer der Geschichte. In Merckx’ Palmarès stehen je fünf Siege an der Tour und am Giro, ein Triumph an der Vuelta, 19 Siege verteilt auf alle fünf Monumente – das ist der Massstab, den Belgien beim 25-jährigen Evenepoel anlegt. Der weist Vergleiche mit Merckx zurück, sagt, er wolle seine eigene Geschichte schreiben. Evenepoels Haltung ist nachvollziehbar, trotzdem bleibt der Druck der Öffentlichkeit.

Vor allem seine Leistungen im vergangenen Jahr befeuerten die Vergleiche mit dem Rad-Idol Merckx. Evenepoel schien alles zu gelingen. In Paris gewann er Gold im Strassenrennen und im Zeitfahren, als Erster überhaupt; an der Tour de France fuhr er zeitweise auf Augenhöhe mit den Granden Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard, wurde Gesamtdritter und bester Jungprofi. Und in Zürich, zum Saisonabschluss, errang er zum zweiten Mal WM-Gold im Zeitfahren.

Evenepoel ist ein Multitalent, ein Tausendsassa auf zwei Rädern. Er reüssiert in den Bergen und im Zeitfahren. Mit dem Sieg an der Vuelta 2022 hat er bewiesen, dass er auch die Ausdauer für dreiwöchige Rundfahrten besitzt. Doch reicht das, um dereinst die Dominatoren Pogacar und Vingegaard zu überflügeln?

Evenepoel will in diesem Jahr die Lücke zu Pogacar und Vingegaard schliessen

Irgendwann die Tour und auch den Giro d'Italia zu gewinnen, das sei sein grosses Ziel, bekräftigte Evenpoel in der vergangenen Woche vor dem Grand Départ in Lille. Evenepoel sagte allerdings auch: «Ich bin nicht hier, um gegen Pogacar und Vingegaard zu kämpfen, sondern um es für sie härter zu machen.» Es gehe zuerst darum, die Lücke zu den Favoriten zu schliessen. Wie er das schaffe? «Dafür ist mein Trainer zuständig», sagte Evenepoel.

Dass Evenepoel am 27. Juli als Gesamtsieger in Paris einfahren wird, glaubt kaum jemand. Die Vorbereitung auf diese Saison verlief kompliziert. Im vergangenen Dezember krachte er im Training in eine sich plötzlich öffnende Autotür und verletzte sich schwer: Brüche am Schulterblatt, den Rippen und am Handgelenk, dazu eine Luxation des Schlüsselbeins.

Auf den sozialen Netzwerken schrieb er, er habe an seiner Zukunft gezweifelt, und: «Es war definitiv der härteste Kampf in meiner Karriere.» Damit er Pogacar und Vingegaard wirklich herausfordern könne, brauche er endlich eine verletzungsfreie Saison, sagte er vor der Tour.

Eine Windkante, ein Sturz und ein kleiner Shitstorm

Die Härten des Radsports spürte Evenepoel auch in den Startetappen der Tour. Schon beim Auftakt in Lille verlor er in einem Windkanten-Rennen wertvolle Sekunden im Gesamtklassement. Am Montag, auf der dritten Etappe, stürzte er im Finale, blieb aber abgesehen von ein paar Hautabschürfungen unversehrt.

Für Aufregung sorgte zudem ein Video, das nach der Startetappe kursierte. Es zeigte, wie Evenepoel einem Jungen ein Autogramm verweigert haben soll. Darauf ist zu sehen und zu hören, wie er dem Buben freundlich, aber bestimmt sagt: «Geh bitte aus dem Weg.» In den sozialen Netzwerken stellte er klar, er habe nach dem Ausfahren und einer Dusche Dutzende Autogramme gegeben. «Ich lasse Kinder nie im Wind stehen. Danke, liebe Medien, dass ihr immer nur die negativen Dinge zeigt. »

Evenepoel steht an der Tour im Fokus, jede Zuckung wird in der Öffentlichkeit ventiliert. Das ist für ihn mittlerweile normal, schliesslich gilt er als aussichtsreichster Kandidat auf einen Podestplatz hinter Pogacar und Vingegaard. Für den ganz grossen Triumph fehlen aber wohl ein paar Prozente bei der Leistung und vor allem ein starkes Team. Pogacar bei UAE und Vingegaard bei Visma – Lease a Bike werden von einem Starensemble unterstützt, das dem Toursieg des Captains alles unterordnet. Evenepoel hingegen dürften vor allem in den Bergetappen kaum mehr wertvolle Domestiken zur Verfügung stehen.

Wechselt Evenepoel zu Red Bull oder Ineos?

Ein Teamwechsel zeichnet sich deshalb ab. Es deutet vieles darauf hin, dass Evenepoel seine Equipe Soudal Quick-Step bereits nach dieser Saison verlassen wird – trotz laufendem Vertrag bis 2026. Er soll einerseits mit dem gegenwärtigen Jahressalär von vier bis fünf Millionen Euro unzufrieden sein und auf einen Lohn von sieben Millionen hoffen. Andererseits soll Evenepoel ein Team suchen, dass um ihn herum eine schlagkräftige Mannschaft aufbaut. Soudal Quick-Step fehlt hierfür das Budget.

Am Rande des Tour-Startes in Lille war zu vernehmen, dass das deutsche Team Red Bull–Bora-Hansgrohe und die britische Equipe Ineos Interesse an einer Verpflichtung bekunden. Bestätigt hat diese Verhandlungen – wie üblich – niemand. Wechsel im Radsport dürfen erst ab dem 1. August beschlossen und kommuniziert werden.

Zunächst steht für Evenepoel ein erfreulicher Termin an: Am Mittwoch absolviert er das einzige flache Zeitfahren der Tour. Auf dem 33 Kilometer langen Parcours um Caen gilt er als klarer Favorit.

Und die belgischen Fans? Die werden nächstes Jahr einen Jahrestag begehen, den sie am liebsten vergessen würden: 50 Jahre ohne Tour-Sieg.

nzz.ch

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