Hockey-EM: Und jetzt vielleicht eine kleine Sensation

Die Niederländerin Janneke Schopman war eine der besten Hockeyspielerinnen der Welt: Olympiasiegerin 2008, Weltmeisterin 2006 und dreimal Europameisterin. Nach dem Ende ihrer Karriere ist ihre Expertise derart begehrt gewesen, dass sie Nationaltrainerin in den USA und in Indien wurde. Auch der Deutsche Hockey-Bund (DHB) hatte die heute 48-Jährige schon länger auf dem Schirm, aber es bedurfte gewissermaßen eines direkten sportlichen Duells, um sie erst zu besiegen und Schopman dann für das deutsche Hockey gewinnen zu können.
Im Januar 2024 spielten die deutschen Hockeyfrauen mit Bundestrainer Valentin Altenburg ein Olympia-Qualifikationsturnier im indischen Ranchi. Die besten drei Nationen qualifizierten sich für die Sommerspiele in Paris. Im Halbfinale gewann Deutschland im Penalty-Shootout gegen die von Schopman trainierten Inderinnen, die anschließend auch noch das ultimative Spiel um das letzte Olympiaticket 0:1 gegen Japan verloren. „Das hat sie dort letztlich den Job gekostet“, sagt der DHB-Sportvorstand Martin Schultze.

Der Hockeypark in Mönchengladbach ist wie schon 2023 die Bühne für eine Doppel-Europameisterschaft. Diesmal wollen die DHB-Teams der Männer und Frauen ihren Vorteil nutzen.
So stellte der DHB Schopman im Oktober 2024 als „Technical Director Youth“ ein. Aber nur einen Monat später trat Frauen-Bundestrainer Altenburg zurück, und schon im November wurde Schopman deshalb zur Bundestrainerin befördert. Sie ist in der langen und glorreichen Historie des deutschen Frauenhockey-Nationalteams die erste Frau an der Seitenlinie.
Bei Schopmans erster großer Bewährungsprobe, der Europameisterschaft in Mönchengladbach, hat die mit acht EM-Debütantinnen spielende DHB-Auswahl am Samstagabend zum Auftakt 4:1 gegen Frankreich gewonnen. Im zweiten Gruppenspiel an diesem Montag (20.30 Uhr, magentasport.de) geht es gegen die beste Mannschaft der Welt: Schopmans Heimatteam, die Niederlande. Es ist eine relevante Standortbestimmung für das deutsche Frauenhockey unter der neuen Bundestrainerin.
„Holland ist nicht unbesiegbar“, sagt Schopman. Aber eigentlich ist Holland das schon. Die Niederländerinnen gewannen vier der vergangenen fünf olympischen Turniere, vier der vergangenen fünf Weltmeisterschaften und alle vier letzten Europameisterschaften. Zurzeit haben sie alle drei Titel inne. „Die niederländische Nationalmannschaft ist die erfolgreichste Mannschaft der Welt“, sagt DHB-Sportchef Schultze: „Ein Übergegner!“ Wenn jemand weiß, wie man dieses Team besiegen kann, dann Schopman. „Janneke weiß, wie Holland tickt“, sagt die deutsche Torhüterin Julia Sonntag.
Deutsche Hockeyspielerinnen waren auch schon Olympiasiegerinnen (2004), Weltmeisterinnen (1976, 1981) und Europameisterinnen (2007, 2013) – aber seit 2013 haben sie keinen Titel mehr gewonnen. Schultze sagt: „Das hängt natürlich auch mit der Dominanz der Niederländerinnen zusammen.“ Die beste Mannschaft der Welt bereits diesmal bei der Heim-EM in Mönchengladbach besiegen zu können, wäre eine kleine Sensation. „Mit unserer jungen Mannschaft jetzt bei dieser EM kann man das noch nicht unbedingt erwarten“, sagt Schultze. „Wir denken eher Richtung Olympia 2028, bis dahin freuen wir uns über jede Medaille. Aber 2028 wären wir gerne mal wieder vor den Holländerinnen.“
Schultze ist von dem neuen spielerischen Ansatz der niederländischen Trainerin beim deutschen Frauenhockey ziemlich angetan. „Unser Spiel ist klarer geworden“, sagt er im Vergleich zum deutschen Spiel unter Altenburg. „Die Mannschaft spielt im Mittelfeld mutiger, kontaktet dort sehr viel mehr. Letztes Jahr hat die Mannschaft viel mit Schlenzbällen agiert, jetzt gefällt mir das Spiel besser.“ Schopman setze deutlich mehr auf Geschwindigkeit mit schnelleren Spielerinnen. „Da ist viel Bewegung, viel Dynamik drin, man erkennt ihre Handschrift schon jetzt sehr gut.“
Das kommt nicht von ungefähr. Die neue Kapitänin Linnea Weidemann, die das Amt zusammen mit Lisa Nolte ausübt, sagt über Schopman: „Sie ist fordernd und sehr akribisch in ihrer Analyse, aber sie hilft uns damit, ganz genau zu wissen, was wir auf dem Platz zu tun haben.“ Die Torhüterin Sonntag ergänzt: „Janneke ist sehr kontrolliert, weiß genau, was sie tut. Es hilft uns immens, dass sie immer die Kontrolle bewahrt und dass wir als junger Haufen nicht komplett ausbrechen.“
Beim 4:1 gegen Frankreich haben die EM-Debütantinnen Sophia Schwabe und Sara Strauss, beide 22 Jahre alt, drei Tore beigesteuert. Junge Spielerinnen wie sie geben dem deutschen Frauenhockey die Hoffnung, es in den kommenden Jahren mit den Niederlanden aufnehmen zu können. „Jetzt bin ich sehr gespannt auf die Niederlande“, sagte Schwabe nach der Auftaktpartie, „aber entscheidend werden erst die K.o.-Spiele.“ Und die Niederländerin Schopman sagt: „Wir sind Deutschland, wir spielen druckvoll wie Deutschland.“ Und wenn die deutsche Hymne gespielt wird? „Dann singe ich in Gedanken mit.“
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