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Von der Ostsee in die Adria: Das Ocean Race wandelt sich vom Abenteuer mit viel Bier zur Regatta für die besten Segler der Welt

Von der Ostsee in die Adria: Das Ocean Race wandelt sich vom Abenteuer mit viel Bier zur Regatta für die besten Segler der Welt
Letzte Trainings in der Kieler Förde: Sieben Crews werden zum Ocean Race Europe starten.

Seit fast zehn Jahren trägt Kiel offiziell den Titel Sailing City. Zu Recht: Die Kieler Woche, zwei Austragungen olympischer Segelwettbewerbe 1936 und 1972 sowie zahlreiche internationale Offshore-Regatten haben die Stadt zum Mekka des Segelsports gemacht. Mit über drei Millionen Gästen ist die Kieler Woche die grösste Regatta der Welt – bei der über 4000 Seglerinnen und Segler mit bis zu 2000 Booten in rund 350 Rennen starten.

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Vor diesem Hintergrund fiel den Organisatoren des Ocean Race Europe die Entscheidung leicht, den Auftakt zur zweiten Auflage dieses Etappenrennens in Kiel stattfinden zu lassen. Es ist davon auszugehen, dass am Montag eine sechsstellige Zahl von Zuschauerinnen und Zuschauern den Start der sieben Imoca-Jachten verfolgen wird – nicht zuletzt, weil der Deutsche Boris Herrmann mit dem Team Malizia dabei ist.

Von der Ostsee ist eine Route über die Nordsee und den Atlantik bis ins Mittelmeer zu bewältigen. Die sechs Etappen führen über Portsmouth, Matosinhos, Cartagena, Nizza und Genua in die Bucht von Kotor in Montenegro, wo das Rennen am 21. September enden wird. Einige der Skipper, die mit ihren Crews die rund 2000 Seemeilen segeln, zählen zur Weltspitze der Hochsee-Szene. Yoann Richomme wurde an der letzten Vendée Globe Zweiter, Paul Meilhat segelte auf Rang fünf, Herrmann wurde Zwölfter.

Der Genfer Alan Roura führt eine rein schweizerische Crew an, zu der auch der Zürcher Simon Koster gehört. Den Schweizer Anteil am Ocean Race Europe erhöht Justine Mettraux: Die Genferin gehört zu Herrmanns Crew und wird die ersten beiden Etappen mitsegeln.

Früher war Bier wichtiger als Geschwindigkeit

Das Ocean Race Europe ist die kürzere Version des Ocean Race, das unter wechselnden Namen seit über fünfzig Jahren als Weltumsegelung in Etappen ausgetragen wird. Nach Jahren der Krise haben sich beide Formate neu aufgestellt. Statt auf grosse Jachten mit zahlreichen Crewmitgliedern setzen die Veranstalter auf die Imoca 60 – bewährte, foilende Hochseeboote, die sowohl solo als auch mit einem Viererteam gesegelt werden können. Damit sind auch die Bilder wettergegerbter Steuerleute am Rad verschwunden – die heutigen Jachten werden weitgehend vom Inneren aus mithilfe von Computern und Autopiloten gesteuert.

Auch die Wahrnehmung der Regatta hat sich verändert. Die Crews liefern heute spektakuläre Bilder, wie man sie früher nicht für möglich hielt – etwa mithilfe von Drohnen, die Rennboote in entlegenen Weltregionen zeigen, wo kein Flugzeug hinkommt. Die Aufnahmen des ersten Ocean Race erzählen eine andere Geschichte: ein bunter Haufen langhaariger, bärtiger Segler auf siebzehn Schiffen unterschiedlichster Grösse, die am 9. September 1973 im britischen Portsmouth zur ersten Weltumsegelung für Mannschaften aufbrachen.

Sponsor war die Brauerei Whitbread – was gut zum Teilnehmerfeld mit Studenten, Abenteurern und Amateuren passte. Bier galt damals als wichtigstes Getränk an Bord. Dennoch waren grosse Namen wie Peter Blake, Cornelis van Rietschoten und Éric Tabarly dabei. Und auch der Tod segelte mit: Drei Männer kamen von dieser Reise nicht zurück.

Fehlmann wird zum Pionier des Schweizer Offshore-Segelns

In den 1980er Jahren wurden die Teams professioneller, die Anforderungen härter. In der Schweiz wurde das Rennen dank Pierre Fehlmann zum Begriff: Mit fünf Teilnahmen hält er bis heute den Rekord. Seine Jachten trugen Namen wie «Disque d’Or», «Merit», «Merit Cup» oder «UBS Switzerland». Mit Letztgenannter gewann er 1986/87 die Whitbread-Regatta – ein Sieg, vergleichbar mit den späteren America’s-Cup-Erfolgen von Ernesto Bertarelli.

Fehlmann bot Hunderten von jungen Seglerinnen und Seglern die Chance, Erfahrung im Hochseesegeln zu sammeln. Er war der erste grosse Name des Schweizer Segelsports. Einer seiner Schützlinge war Dominique Wavre, heute immer noch der erfolgreichste Vendée-Globe-Segler aus der Schweiz.

Nach dem Rückzug des Bierbrauers als Hauptsponsor übernahm Volvo für zwei Jahrzehnte das Namensrecht. Doch 2018 zog sich auch der schwedische Autobauer zurück. Kostendruck, sinkende Medienpräsenz, wachsende Kampagnen-Budgets, der Erfolg der Vendée Globe und der Imoca-Klasse führten zur Zäsur. Ein spanisches Unternehmen übernahm die Organisation. Anfang 2027 wird das Ocean Race wieder monatelang um die Welt führen – die europäische Ausgabe dient als Auftakt und Testlauf.

Zu den Klängen von «Highway to Hell» ins Ziel

Roura und Koster wollen mit ihrem von einem saudischen Investor unterstützten Projekt an Fehlmanns Pionierleistung anknüpfen – und sieben Schweizer Seglerinnen und Segler im Hochseesegeln ausbilden. Der Start im Ocean Race Europe soll der erste Schritt in Richtung Weltumsegelung 2027 der Schweizer Equipe sein. Bei der Crew-Auswahl mitgewirkt hat auch Elodie-Jane Mettraux, die ältere Schwester von Justine. Die beiden nahmen 2014/15 gemeinsam am Ocean Race im rein weiblichen Team SCA teil.

Interessant dürfte auch das Abschneiden des zweiten Bootes unter Schweizer Flagge sein. Für das Team Holcim segelt Franck Cammas – Sieger des Volvo Ocean Race 2011/12. Damals fuhr er beim Zieleinlauf in Galway unter den lauten Klängen von «Highway to Hell» in den Hafen ein – ein Hinweis darauf, was die Crews in den Weiten der Weltmeere erlebt hatten.

nzz.ch

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